Das Telefonat

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   Meine Gedanken schwirrten wirr in meinem Kopf umher, wobei es mir fast als unmöglich erschien, einen einzelnen herauszukristallisieren. Zu viel war passiert, als könnte ich mich auf eine Sache fokussieren.

Während Sherlock an seiner Freundschaft zu John arbeitete, fing ich an, mich von dem Detektiv zu distanzieren. Er hat mir deutlich gezeigt, dass er mich nicht als eine Freundin ansieht, also sollte ich das bei ihm auch nicht. Als er mich nach dem Gespräch mit den beiden Gasthausbesitzern, die bis vor einem knappen Monat einen gigantischen Hund auf dem Moor frei herumlaufen ließen, gefragt hatte, ob ich mit nach Baskerville wollte, verneinte ich augenblicklich. Zornig hatte ich beobachtet, wie er sogar sichtlich erleichtert über mein Hierbleiben war.

Schnaubend hatte ich mich von dem Soziopath abgewandt und war in das kleine Dorf marschiert. Direkt vorbei an dem Friedhof, dem ich einen vernichtenden Blick zugeworfen hatte. Im Grunde war dieser Ort doch daran Schuld, dass er eine anscheinende funktionierende Freundschaft zerstört hatte. Meine Füße hatten mich wie von selbst weitergetragen, bis hinaus aufs Moor, wo ich zum ersten Mal seit gestern tief eingeatmet hatte.

Jetzt stand ich hier, auf einer weiten Grasebene, die nur zu meiner Linken an einen dichten Wald grenzte. Es war ruhig. Keine Touristen waren weit und breit zu sehen. Lediglich die unberührte Natur.

Mein Blick blieb an dem Dickicht hängen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass hier ein Monsterhund herumlaufen sollte. Das konnte ich mit meinem Gehirn einfach nicht vereinbaren. Doch anscheinend schien sogar Sherlock diesem Märchen Glauben zu schenken. Was war nur gestern Nacht passiert?

Gestern Nacht... Ich dachte wirklich, dass Sherlock etwas an mir fand! Wie lächerlich! Sherlock Holmes war nicht in der Lage Gefühle zu empfinden! Er war ein herzenskalter Idiot, dem ich nicht hinterher trauern dürfte. Und doch tat ich es... Ich stand hier, alleine auf einem verlassenen Moor, um nicht in der Nähe meiner Freunde zu sein... Um in der Nähe von ihm zu sein...

Ich schnaubte die angehaltene Luft aus.

War das wirklich Liebe, die ich empfand? Sagte man nicht immer, dass Liebe das schönste Gefühl auf der Erde sei? Wieso fühlte ich mich dann so schrecklich?

Etwas warmes rann meine Wange herab. Langsam hob ich meine Hand zu meinem Gesicht, um darüber zu streichen. Ich weinte... Weinte wegen einem idiotischen Soziopathen in den ich mich vielleicht verliebt hatte.

Ich versuchte die Tränen zu unterdrücken. Sie wären nur ein Zeichen der Schwäche, die ich mir eigentlich eingestehen sollte. Ich sollte wissen, dass ich vielleicht meinen Kopf etwas vorspielen konnte, doch mein Herz war viel zu selbstständig, um zu glauben, dass ich nichts für Sherlock empfand. Ich sollte es wissen...ich wusste es, doch wollte ich es nicht wahrhaben.

Planlos lief ich weiter. Nicht in den Wald hinein. Denn ohne es wirklich zu wollen, keimte das Gefühl der Angst in mir auf, wenn ich das Grün ansah.

Zu meiner Rechten ragte das große Areal von Baskerville empor. Vermutlich waren Sherlock und John bereits drin und versuchten weitere Beweise zu finden. Das alte Duo war wieder vereint...

Als hätte man meine Gedanken erhört, klingelte in diesem Moment mein Handy. Verwirrt runzelte ich die Stirn, als ich es hervorkramte. Wie war es möglich, dass ich mitten im Nirgendwo Empfang hatte?

Ein rascher Blick verreit mir, dass John anrief.

„Ja?", fragte ich, als ich abnahm. Ich zwang mich dazu, meine Stimme normal klingen zu lassen. Besser John erfuhr nicht, dass ich wegen seinem Mitbewohner geheult hatte.

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