Es wurde schneller.
Statt langsamer zu werden, wurde mein Herz schneller. Doch hätte es an diesem Punkt der Geschichte anders verlaufen müssen. Oder was glauben Sie?
Die Polizei war nun da und würde den Sachverhalt aufnehmen. Ruhig, mitfühlend und unterstützend würde sie mich nun die weiteren Schritte begleiten, um Ordnung in das Chaos zu bringen.
Bei ein Autounfall sind die Abläufe von vornerein klar. Sie tauschen Versicherungs- und Kontaktdaten aus. Sollte es zu Differenzen des Unfallhergangs kommen, wird die Polizei gerufen, die von beiden Parteien die Daten aufnimmt und die Fakten niederschreibt. Es werden Messungen und Fotos gemacht.
Die Abläufe sind klar, strukturiert und einfach.
Doch wie sind die weiteren Vorgehensweisen, wenn sie sich bewusst geworden sind, dass es vor ein paar Minuten keinen klassischen Autounfall gab? Sondern es Absichten eines Individuums gab, ihren Sohn zu töten?
Auch dafür würde es Abläufe geben, die der Polizei mit Sicherheit bekannt sind. Und ich hoffte diese gleich zu hören. Besonders, dass mein Sohn jetzt in Sicherheit ist. Das war das einzige was ich hören wollte.
Wäre da nicht dieses Lächeln gewesen, welches fragte ob jemand ausversehen in mein Auto gefahren wäre.
Ich hielt das Telefon noch am Ohr zu diesem Zeitpunkt, weil ich die Infos des ADAC noch abwarten musste.
Daher wand sich der Polizist mit der Brille, im Laufe der Geschichte 'Polizist Brille' genannt, an meine Mitarbeiterin die neben mir stand und fragte ob sie alles mitbekommen hätte.
„Ja." Antwortete sie.
Polizist Brille fragte nach, ob sie gesehen hätte wie ich dem Rumänen ins Gesicht schlug, weil der Rumäne dies so angab.
„Das stimmt nicht! Ich habe alles gesehen. Das ist nicht passiert."
Nach der Frage ob es Überwachungskameras geben würde, meinte meine Mitarbeiterin und ich zeitgleich: „Ja."
Ich beendete das Telefonat. Der Abschleppwagen war unterwegs.
Polizist Brille wand sich mir zu.
„Das Auto mit dem Kennzeichen KLE DP ist ihrer?" fragte er.
„Ja."
„Und auf ihren Namen zugelassen?"
„Ja." Eigentlich wollte ich nun erzählen was passiert war und fing schon damit an. Mein Sohn saß im Auto, Täter wäre immer als Wegfahrer aufgefallen...
Der Polizist meinte dann aber nur: „Also kein Firmenwagen?"
Da ich in diesem Moment nicht zuordnen konnte, was er mit der Frage bezwecken wollte stotterte ich nur: „Nein also Ja."
Über meine Antwort amüsiert lachte der Polizist und sagte: „Ja kann ich das wissen? Steht ja nicht auf ihrer Stirn geschrieben!"Sommer 2018.
Eine Zeit also, in der ich noch immer über die Situation und dessen folgen Grüble.
Ich merkte, dass ich so langsam wieder einen Arzt aufsuchen müsste, da es mir seelisch nicht gut ging. Die Träume waren noch da und die ersten Freunde hatte ich bereits verloren, da ich mich immer mehr zurückzog.
Die Panikattacken kamen fast regelmäßig zweimal am Tag. Hielten bis zu 20 min an. Auch wenn eine Panikattacke keine Lebensbedrohliche Situation ist, fühlt es sich wie ersticken an. Wie ein kleines Rehkitz im Dunkeln. In die Ecke gedrängt. Obwohl da nichts ist, haben Sie Angst gleich gefressen zu werden. Nicht mit einem Happen. Sondern Stück für Stück. Auf die ganz grausame Art und Weise.
Ich hatte zu diesem und jetzigen Zeitpunkt noch die ernüchternde Meinung, dass die Polizei nicht mehr viel helfen könne.
So kam es an einem Morgen dazu, dass gegen 08:30 Uhr der Staubsauger bei mir an der Station aufgebrochen wurde. Ein Kunde hatte dies beobachtet, meinen Mitarbeiten schnell Bescheid gegeben und war dem Kunden gefolgt.
Die Polizei kam und nahm die Daten von meiner Station auf. In dieser Zeit rief der Kunde an und meinte er würde in der Nähe des Diebes sitzen und auf die Polizei warten. Das Telefon wurde weiter gereicht und der Kunde gab die Beschreibung des Täters durch. Dann fuhr die Polizei weg.
Ich traf kurz darauf an meiner Station ein und man klärte mich auf. Alles klang diesmal wie ein Bilderbuchablauf.
Zeuge fährt dem Dieb hinterher wartet in der Nähe auf die Polizei.
Polizei würde kommen und den Dieb befragen und durchsuchen.
Das geklaute Geld würde mir zurückgebracht.
Der Zeuge würde von mir ein essen spendiert bekommen.
Na, was denken Sie bereits an dieser Stelle, was alles eingetroffen war? Richtig, nur der Part wie der Kunde dem Dieb hinterhergefahren war und dort auf ihn gewartet hatte und dann irgendwann zurück zur Tankstelle kam um von mir ein essen spendiert zu bekommen. Der Teil mit der Polizei ist nie eingetroffen.
„Die sind nicht gekommen. Ich habe die Täterbeschreibung durchgegeben und die meinten, dies würde ihnen bereits reichen." Keuchte der Kunde. „Die sind einfach nicht gekommen."
Ich konnte es nicht fassen. Genau in diesem Moment klingelte das Telefon.
Ich ging ran und ein Polizist aus der Wache meldete sich bei mir, um über den aufgebrochenen Staubsauger noch ein paar Details zu bekommen.
Ich fragte erstmals ahnungslos: „Da ist doch noch ein Kunde hinterhergefahren und wartet in der Nähe des Täters auf einen Streifenwagen. Haben Sie ihn schon?"
„Nein." War die Antwort, merkte aber, dass er dies wohl noch genauer erklären müsse: „Die Beschreibung reichte uns schon. Wir haben da schon eine Ahnung wer das gewesen sein könnte." Dann machte er weiter. „Welche Summe wurde denn entwendet?"
Ich schätzte die Summe auf 10 – 15 EUR.
„Also 15 EUR." Murmelte er und wurde dann direkter: „15 EUR sind ja jetzt nicht existenzbedrohend für Sie. Das ist ja jetzt keine Summe über..." man konnte dieses Lächeln fast durch Telefon sehen.
„Na hören Sie mal." Protestierte ich. „Wenn es um mein Geld geht, dann lassen sie es mir bitte überlassen, was ich als existenzbedrohend ansehe und was nicht."
„Ja, so war das nicht gemeint, es..."
„Ich habe schon verstanden wie das gemeint war!" Ich war äußert verärgert. „Da kommt jemand, klaut mein Geld und ich soll mich wegen dem Verlust nicht ärgern, da er nicht groß sei. Sie hatten doch die Möglichkeit ihn zu schnappen. Wahrscheinlich sitzt der Täter dort immer noch."
„Wenn sie nicht wollen, dass ihnen etwas geklaut wird, dann müssen sie bessere Präventivmaßnahmen anwenden." War sein Vorschlag.
Mir blieb fast die Luft weg. Als Leser ahnen Sie es wahrscheinlich. Der Dieb musste ja irgendwie an das Geld, welches innerhalb des Staubsaugers lag. Da der Dieb ja keinen Schlüssel hatte, musste er also den Staubsauger aufbrechen. Und ein Aufbruch hat immer mit Zerstörung zu tun. Und Reparatur kostet mich ebenfalls Geld. Natürlich ist ein Staubsauger gesichert. Und es erfordert schon eine Menge Kraft und besonders Werkzeug um an das Geld zu gelangen. Für den Dieb waren nur diese beiden Schlösser zwischen ihm und diese Drogen.
Ja, die meisten Diebstähle sind Geldbeschaffungsmaßnahmen. Oder was glauben Sie, macht ein Dieb mit geklauten 18 Liter Motoröl?
Das Telefonat wurde beendet und ich ging zurück zu dem Kunden, der dem Dieb gefolgt war. Er lachte und sagte ich bräuchte nicht viel erzählen, er würde es mir schon ansehen.
Er biss in sein Brötchen, kaute ein paarmal und fing an zu erzählen: „Ich war mal Nachts an meinem Gartenhäuschen, weil es dort schon ein paarmal zu Einbrüchen kam. Und in dieser Nacht hörte ich am Nachbarshäuschen Geräusch und sah zwei Gestalten. Ich rief die Polizei und man fragte mich, ob denn schon ein beobachteter Einbruch passiert wäre. Ich sagte Nein, gesehen habe ich es nicht. Daraufhin wollte die Polizei nicht kommen. Erst als ich meinte, dass ich mit einem Baseballschläger nun selber rübergehen würde, sagte die Polizei, dass könne ich nicht tun, das wäre Androhung von Gewalt. Daraufhin kam die Polizei." Der Kunde biss wieder in sein Brötchen.
„Wenn es um Eigentum geht, muss man es selbst schützen und sich nicht auf die Polizei verlassen." Sagte der Kunde.
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Requiem auf die Gerechtigkeit
RandomWahre Begebenheit. Wieviel kann ein Mann ertragen, nachdem er seinen Sohn vor dem Tode rettete, bis er sagt: Es reicht! Durch die Tat eines Täters wird mein Leben völlig durcheinander gewürfelt. Alles woran man glaubte, wurde ab diesem Zeitpunkt in...