Kapitel 11

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Langsam schlenderte ich über den Parkplatz Richtung Hauptstraße. Wo war ich nochmal hergegangen? Normalerweise hatte ich einen guten Orientierungssinn, aber jetzt schien ich doch nicht so recht zu wissen, in welche Straße ich nun abbiegen musste. An die Schaufenster der verschiedenen Läden konnte ich mich noch gut erinnern, aber die Straßen sahen hier fast alle gleich aus, bis auf ein oder zwei Geschäfte, die durch besondere Schilder oder Leuchtreklame auffielen. Ich ging an einem Schaufenster vorbei, in welchem Wein und Wurst präsentiert wurde und nahm den Geruch verschiedener Wildsorten wahr. Köstlich!
Dann blieb ich am nächsten Schaufenster stehen. Es war ein Geschäft für Bastelartikel und die verschiedenen Acrylfarbtöne, die dort auslagen, fesselten mich irgendwie. Zuerst wollte ich weitergehen, doch ich erinnerte mich relativ schnell, dass der Umzugswagen auch meine Farben, Pinsel, Bilder und andere Malartikel transportiert hatte und fragte mich, ob diese den Unfall wohl überlebt hatten. Dann ging ich in den Laden. Meine Eltern hatten ja anscheinend genug Geld, wenn sie mich schon in dieses Kaff schleppen konnten, da würde es ihnen bestimmt nichts ausmachen, die kaputten Dinge zu entschädigen, zumal sie das Geld sowieso von der Versicherung zurück bekamen. Zugegebenermaßen klang das auch in meinem Kopf etwas egoistisch, aber meine Freunde waren ebenfalls nicht hier und meinen Eltern würde es vermutlich sowieso nichts ausmachen, solange ich mich irgendwie an diese neue Heimat gewöhnte. Ich suchte mir eine kleine Palette mit möglichst unterschiedlichen Farbtönen aus und einige Pinsel in verschiedenen Größen. Das würde fürs erste reichen, die restlichen Farben konnte ich mir ja auch aus den unterschiedlichen Farben mischen.

Mit der kleinen Tüte in der Hand verließ ich das Geschäft als mir auf der gegenüberliegenden Straße zwei Kerle auffielen, die einem Mädchen folgten, das etwa in meinem Alter sein musste. Ich packte die Tüte in meinen Rucksack und folgte ihnen möglichst unauffällig. Dann lief das Mädchen in eine Seitengasse und ich seufzte. Wie unvorsichtig konnte man sein? Die Männer folgten ihr und ich blieb an der Ecke stehen, um das Ganze zu beobachten. Doch sie verschwanden bereits in eine weitere Seitengasse und ich verlor sie aus den Augen. Überall stank es nach Abwasser und Müll, sodass ich ihren Geruch unter dem abartigen Gestank verlor. Hastig blickte ich vorsichtig in jede der kleinen Gassen, doch ich fand sie nirgends. Wo konnten sie bloß abgeblieben sein? Dann hörte ich einen Schrei, so laut, dass ich einen Moment brauchte, um mein Gleichgewicht wieder zu finden. Dann sprintete ich los. Ich hatte es geahnt. Ich rannte um die Ecke, sodass ich beinahe ausrutschte, doch ich fing mich wieder und sah wie einer der Kerle das Mädchen mit der Hand am Hals packte und gegen den Zaun drückte. Der Kleinere der beiden suchte ihre Taschen ab, womöglich nach Geld oder sonstigen Schmucksachen. Doch sie waren so damit beschäftigt, sie einzuschüchtern und ihre Sachen zu durchwühlen, dass sie mich gar nicht bemerkten. Dann entglitt mir ein Knurren aus der Kehle. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, sich zu verwandeln und ich musste mich absolut beherrschen aber ich konnte sie trotzdem nicht einfach so davon kommen lassen. "Zwei gegen einen, wie unfair!" knurrte ich die beiden an und ging einen Schritt auf sie zu. Die beiden sahen mich nur belustigt an. Dann sah der Größere der beiden auf das Mädchen und drückte sie noch härter gegen den Zaun. "Ist das etwa deine Verstärkung?" fragte er und schmunzelte. "Lass sie los!" drohte ich ihm doch er schien das gar nicht wirklich wahrzunehmen. Der kleinere wandte sich von mir ab und durchsuchte weiter die Tasche des Mädchens. "Ich wiederhole mich nur ungern. Lass sie los!" Sagte ich nun eindringlicher und ging einen weiteren Schritt auf sie zu. Meine Augen funkelten vor Zorn und ich würde ihnen keine weitere Chance geben, das Mädchen in Frieden zu lassen. Der Größere sah mich nun doch etwas erstaunt an und blickte mir in die Augen. "Fred, wir gehen..." sagte er nur und ließ das Mädchen langsam runter. Der kleinere Mann drehte sich um und sah ihn nur überrascht an. "Hast du jetzt doch etwa Angst vor diesem Weib, oder was...?" Auch er sah mich nun an und ich wusste, dass sie sich wohl grad durch meine nun fast giftgrün leuchtenden Augen bedroht fühlten. "Ich muss es wohl nicht noch einmal wiederholen, oder?" knurrte ich und die Männer nickten verwirrt. Vor meinem Blick konnte man aber auch Angst bekommen, da sie der erste Schritt kurz vor der Verwandlung waren, aber das wussten sie ja nicht. Sie sahen nur, dass meine Augen heller leuchteten und sich die Pupillen verengten, wie bei einem Raubtier, dass seine Beute aus weiterer Entfernung anvisierte. Sie gingen etwas entfernt an mir vorbei, doch ich ging einen Schritt auf den Größeren der beiden zu und packte ihn im Nacken. "Und denk dran: Das nächste Mal lass ich euch nicht so davon kommen!" drohte ich ihm. Ich packte in seine Jackentasche und nahm das Geldbündel heraus, dass der Kleinere aus der Tasche des Mädchens geklaut und ihm zugesteckt hatte. Er nickte nur und rannte weg. Als sie etwa am Ende der Gasse angekommen waren, murmelten sie sich noch etwas zu. "Was war das denn für eine abgefuckte Scheiße?" flüsterte der eine, doch die Antwort darauf nahm ich schon gar nicht mehr wahr. Ich musste mich beherrschen, um nicht doch noch die Fassung zu verlieren. Ich atmete stockend ein und aus. Dann nahm ich eine Hand auf meiner Schulter wahr und merkte, wie mein Puls mit einem Mal in die Höhe schoss, weil ich mich ziemlich wegen der Berührung erschreckte. Doch genauso schnell sank mein Puls wieder und ich beruhigte mich. "So ist es gut. Atme tief ein und aus." sagte sie leise und ich sah sie verwirrt an. Sie hatte gesehen, wie ich die Typen mit meinem leuchtend bedrohlichen Blick verscheucht hatte und sie hatte keine Angst? Jeder andere Mensch würde einfach nur gehen wollen und froh sein, dass ihm nichts passiert ist aber sie blieb einfach nur da stehen und lächelte mich an. "Hast du keine Angst vor mir?" fragte ich einfach geradeheraus. Sie schmunzelte. "Wieso sollte ich? Du hast mir womöglich das Leben gerettet." sagte sie und nahm ihre Hand von meiner Schulter, da sie merkte, dass ich mich langsam beruhigte. "Danke." sagte sie und nahm ihre Gegenstände auf, die in der Tasche gewesen waren und steckte sie zurück. Dann nahm sie die Tasche auf und kam zu mir zurück. "Komm doch bitte mit zu mir nach Hause. Ich möchte dich meinem Freund und seiner Familie vorstellen, bei der ich wohne und mich für dein beherztes Eingreifen revanchieren." sagte sie und lächelte. Ihre Einladung kam etwas plötzlich und ich wusste nicht ob ich zusagen sollte, aber ich nickte einfach geistesabwesend.

Wir liefen zusammen aus der Gasse heraus. "Die Familie meines Freundes ist sehr groß, musst du wissen. Sie leben schon seit Jahrhunderten hier." Ich hörte ihr aufmerksam zu. Solche Geschichten interessierten mich sehr. "Meinen Freund habe ich vor etwa 5 Jahren kennen gelernt. Er hat mich einmal vor Dieben gerettet, genau wie du gerade eben. Ich konnte mich nicht wehren aber wusste, dass sie nur auf der Suche nach Geld oder Wertgegenständen waren, genau wie die beiden eben." Sie sah zu Boden, während wir einfach weiter an der Hauptstraße entlangliefen. "Irgendwie gerate ich wohl öfter in solche Situationen, weil ich klein bin und sie mich für ein leichtes Opfer halten, aber ich bin auch irgendwie selber Schuld, wenn ich solch verlassene Gassen entlanglaufe." überlegte sie und lächelte mich an. Dann blieb sie plötzlich stehen. "Oh entschuldige Mal. Ich hab mich dir ja überhaupt noch nicht vorgestellt!" sagte sie und erschrak. Sie hielt sich die Hände vor den Mund und fing dann an zu lachen. "Jetzt habe ich dir schon fast meine halbe Lebensgeschichte erzählt und du hast überhaupt keine Ahnung mit wem du eigentlich sprichst." sagte sie und fing lauthals an zu lachen. Ich schmunzelte ebenfalls, da ich das ebenfalls total vergessen hatte. Sie war schon irgendwie seltsam. "Ich bin Sona." stellte sie sich vor und ich lächelte nur. "Ich heiße Jennifer." sagte ich und wir gingen weiter. "Kommst du hier aus der Gegend?" fragte sie plötzlich. "Ich hab dich hier noch nie gesehen." stellte sie fest. Ich steckte nur die Hände in die Jackentaschen und sah sie prüfend an. Kannte sie etwa jeden einzelnen Einwohner dieser Kleinstadt? "Ich komme aus Deutschland und bin gestern hier angekommen. Ich bin mit meinen Eltern hierhergezogen. Uns gehört das Haus am Ende der Stadt." sagte ich und zuckte mit den Schultern. Sie musste nicht unbedingt wissen, dass ich in dem wohl größten Anwesen der Stadt wohnte. "Verstehe."
Nach etwa 10 Minuten Fußweg sah ich aus der Ferne die Straße, die zu unserem Haus führte. Sona bemerkte, dass ich angestrengt in die Richtung sah, um mir für später den Weg zu merken. "Ist das euer Haus?" fragte sie und schien sichtlich begeistert. Ich nickte etwas verlegen. "Meinen Eltern ist ihre Karriere sehr wichtig." rechtfertigte ich mich. "Es sieht toll aus." gab Sona nur zurück und lächelte. Dann liefen wir auf ein Holzhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseitre zu. "Hier wohne ich mit meinem Freund. Zugegeben, es ist sehr abgeschottet vom Rest der Stadt aber es ist ruhig und ich wohne gerne hier." sagte sie und lächelte, ehe sie den Schlüssel einsteckte und mir die Tür aufhielt. Ich bemerkte sofort, dass das Haus ebenso nah am Wald gebaut war, wie unseres.

" Ich bin Zuhause." rief sie einmal durch das Haus und ich sah kurze Zeit später wie ein etwas älterer aber gut aussehender Mann durch das Treppenhaus kam und auf uns zulief. Er war gut gebaut, gebräunt und hatte dunkle Haare. Sofort begrüßte er Sona mit einem Kuss auf die Lippen und drückte sie zur Begrüßung. Erst jetzt bemerkte ich, dass Sona wohl schon älter sein musste als ich, obwohl sie nicht wesentlich älter aussah. "Diego, ich möchte dir gerne Jennifer vorstellen. Jennifer, das ist mein Freund Diego." Ich reichte ihm die Hand und er schmunzelte. "Sie hat mich vor zwei Dieben beschützt." erklärte sie kurz und knapp und sah verlegen zu Boden. Das schien ihr nicht das erste Mal passiert zu sein, abgesehen von dem Mal als ihr Freund sie rettete. "Schon wieder?" fragte er nur und sah Sona etwas aufgeregt aber prüfend an. Sona sah hingegen mich an. "Wie gesagt, ich gerate öfter in Schwierigkeiten..." sagte sie und lächelte erneut. "Kommt erstmal rein." sagte Diego und deutete auf einen Tisch inmitten eines Raumes, der komplett mit Holz ausgekleidet war. "Eure Wohnung ist schön, sie erinnert mich an mein altes Zuhause." sagte ich und sah mich weiter um. "Schön, dass es dir gefällt." sagte Sona erfreut und setzte sich ebenfalls. "Magst du etwas trinken?" fragte Diego aus der Küche und sah mich fragend an. "Tee, Cola, Kaffee oder Wasser?" Ich nickte. "Cola, bitte." antwortete ich und er nickte ebenfalls, ehe er mir etwas von dem kühlen Getränk einschüttete.

Die Zeit verging schnell, wir redeten viel und lange ehe mir wurde bewusst, dass ich bald nach Hause musste, bevor sich meine Eltern Sorgen machten. "Du musst los, nicht wahr?" fragte Sona als sie meinen Blick zu Uhr sah. Ich nickte. "Es tut mir leid, es war schön bei euch." gab ich zurück und lächelte. "Das muss dir nicht leid tun. Wir sehen uns bestimmt schon bald wieder." sagte sie voller Vorfreude und ich wunderte mich woher sie diese Zuversicht nahm. Ich nickte daraufhin nur und stand auf. "Danke nochmal, dass du mir geholfen hast." sagte sie und lächelte mir dankbar zu. Dann begleitete sie mich zur Tür, die allerdings schon von alleine aufging als ich die Türklinke nur berührte. Als die Tür sich öffnete, blickte ich plötzlich in zwei smaragdfarbene Augen und  ich wusste sofort, wem sie gehörten. "Jake?"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 12, 2021 ⏰

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