inspiriert vom Song:
'dead girl in the pool.' - girl in redEs war Montagvormittag, als man mich von der Schule abholte. Mitten in der vierten Stunde bat mich unser Schuldirektor aus dem Unterricht und übergab mich mit dem Beisatz, er würde meine Eltern anrufen, zwei uniformierten Beamten. Ich hatte mit Allem gerechnet, aber nicht dass man mich so überrumpelte.
„Ich nehme an Sie können sich denken warum wir hier sind." Der Ältere der beiden Polizisten sah mich mit ernster Miene an. Ich nickte nur unsicher. „Wir haben ein paar Fragen an Sie bezüglich des gestrigen Vorfalls und möchten Sie deshalb bitten, uns auf die Wache zu begleiten."
Ich atmete tief ein, um mich ein wenig zu beruhigen, brachte allerdings trotzdem nur ein leises ,Okay' über die Lippen. Die eisernen Blicke, die mir die beiden Beamten zuwarfen, schüchterten mich ein. Mir kam es so vor, als würden sie mich gerade verhaften. Das bevorstehende Verhör war allerdings auch keine verlockendere Vorstellung.Am meisten bangte mir jedoch die Tatsache, dass nun auch meine Eltern davon erfahren würden. Offiziell hatte ich am Wochenende nur bei meinem Freund übernachtet. Als sie dann durch eine Eilmeldung der örtlichen Polizei mitbekamen, dass dort eine Hausparty stattgefunden hatte, waren sie alles andere als erfreut. Vor allem unter diesen Umständen. Sie hatten sich erst ein wenig beruhigt, nachdem ich ihnen versicherte, dass ich von der ganzen Sache nichts mitbekommen hatte. Umso geschockter werden sie sein, wenn sie gleich von der Schule die Benachrichtigung bekommen, dass ich auf das Polizeirevier gebracht wurde.
Schweigend lief ich zwischen den Beamten durch die leeren Gänge der Schule. Sie begleiteten mich zu ihrem Streifenwagen. In meinem Kopf ging ich schon die verschiedensten Szenarien durch. Welche Fragen würden sie mir wohl stellen? Verdächtigten sie mich? Woher wussten sie überhaupt, dass ich am Samstag dort war? Ich stieg in den Wagen und wenige Momente später befanden wir uns auf dem Weg in Richtung der Wache. Während der Fahrt sprachen die beiden kein Wort mit mir. Die Stimmung war spürbar gedrückt. Bei den derzeitigen Umständen konnte ich mich auch nicht darüber wundern.
Je näher wir dem Revier kamen, desto nervöser wurde ich. Mein Herz schlug schneller als sonst und die Aufregung nahm mir meinen Atem. Schon durch die stickige Luft im Wagen fiel es mir schwer mich zu beruhigen. Tausende Gedanken schossen mir durch den Kopf. Was wenn sie mir nicht glaubten? Würden sie mich einfach so festnehmen können? Ich schluckte. Mir fiel auf, wie warm mir plötzlich war. Gleichzeitig durchfuhr mich ein kalter Schauer und ich zitterte, fühlte mich schwach und verletzlich. Um diesen Sinneseindrücken, die mich zu erschlagen drohten, zu entkommen, schloss ich meine Augen und legte den Kopf in den Nacken. Ich versuchte ruhig zu atmen.
...
„Sie müssen wirklich keine Angst haben, wir stellen Ihnen nur ein paar Fragen.", versicherte mir der jüngere Polizist, als er mir die Tür der Wache auf hielt.
Meine Unsicherheit war mir also deutlich anzusehen. Na klasse. Das sprach nicht gerade für mich. Ich zwang mich zu einem Lächeln ihm gegenüber und er nickte mir ermutigend zu. Er hatte gut reden. Schließlich befand er sich gerade nicht in meiner Situation. Mit einem tiefen Atemzug sog ich die warme Luft vor der Wache ein, sprach mir noch einmal Mut zu und trat dann hinter dem älteren Beamten in den Flur des Polizeireviers. Doch das kurze Gefühl von Entschlossenheit, diese Situation schnell und sicher zu meistern, währte nicht lange. Kaum war ich im Eingangsbereich der Wache, erschlug mich wieder die bedrückende Stimmung, die hier herrschte.Noch nie zuvor war ich hier gewesen, doch schon der Vorraum erinnerte mich an Reviere, wie man sie aus Filmen kannte. Kahle weiße Wände, harte Plastikstühle im Wartebereich und ein kalter, gefliester Boden. Unsicher sah ich mich um. Auf einem der unbequemen Stühle saß eine Frau mittleren Alters, die ich bisher nur ein Mal gesehen hatte. Es war Avas Mutter. Ihre Augen waren rot angeschwollen und ihre Wangen tränennass. Ihr Blick war starr gegen die Wand vor ihr gerichtet. Sie wirkte erstarrt, fast schon leblos. Ich musste schlucken. Es tat mir wirklich leid, was mit ihrer Tochter passiert war und auch wenn ich nichts mit der Sache zu tun hatte, ließ es mich schlecht fühlen. Schnell wandte ich den Blick von ihr ab. Zu meiner Linken befand sich ein Empfangstresen, hinter dem eine streng aussehende Sekretärin Formulare ausfüllte.
„Claire Burnett zum Verhör im Fall Ava Montgomery." Die Stimme des Polizisten war monoton und fest. Es klang irgendwie verurteilend und ich fühlte mich, als wäre ich schuldig gesprochen worden.
Ich wagte es nicht einmal, mich umzudrehen, doch ich spürte genau die musternden Blicke, die mir Avas Mutter nach diesen Worten zuwarf. Ich versuchte so selbstsicher wie nur irgendwie möglich zu wirken, wusste aber genau, dass mir dies nicht gelingen würde. Die Sekretärin blickte auf, schob ihre Hornbrille ein Stück nach unten und sah mich mit ernstem Blick an. Ich schaffte es nicht diesem standzuhalten und sah noch verunsicherter zu Boden.
„Das kann noch einen Moment dauern.", erklang schließlich die Stimme der Frau und ich hörte, wie sie sich wieder daran machte, Formulare und Dokumente zu sortieren. „Den Personalausweis können sie mir schon mal reichen.", fügte sie noch hinzu.
Ich kramte in meiner Jackentasche und legte dann das dünne Kärtchen auf den Tresen. In diesem Moment sah ich aus dem Augenwinkel eine der vielen Türen aufgehen. Ich sah in diese Richtung und zu meiner Verwunderung trat dort meine beste Freundin Jodie aus dem Raum. Deshalb war sie also heute nicht in der Schule aufgetaucht. Auch sie war am Wochenende auf der Party gewesen.
Dicht gefolgt von einem uniformierten Beamten kam sie uns entgegen den Gang herunter. Ich sah sie an, doch in ihren Augen lag keinerlei Emotion. Als sie meinen Blick bemerkte, zwang sie sich zu einem kurzen Lächeln, sah gleich darauf allerdings betreten auf den Boden. Schweigend schritten die beiden an mir vorbei. Ich schaute ihr nach, als sie ohne ein Wort mit mir gesprochen zu haben, die Wache verließ. Dann spürte ich eine starke Hand an meinem Oberarm, die nicht gerade sanft den Gang hinunter zog.
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Meine Kurzgeschichten
JugendliteraturDu hast keine Lust lange Romane zu lesen, sondern möchtest lieber kürzere Texte hören, die trotzdem eine Geschichte erzählen? Dann bist du hier genau richtig. In dieser Sammlung findest du Kurzgeschichten von A bis Z. Ob es um heiße Romanzen, Abente...