Ihre Locken hüpften während sie vor ihm lief. Sie hatte sie diesmal wohl mit einem Lockenstab geformt. Ungezähmt und verwuschelt, wie letzte Woche in der Bar, hatten sie ihm besser gefallen. Warum neigten Frauen nur immer dazu ihr Äußeres optimieren zu wollen und damit das Gegenteil zu bewirken? Nicht dass sie jetzt nicht schön gewesen wäre, aber ihre wilde Ungezwungenheit hatte sie besonders attraktiv gemacht. Ein Freigeist, der nicht so viel darauf gab was andere über ihn denken könnten. Gegenteilig zu ihrer akkurat gekleideten Freundin, die mit ihr dort gewesen war, schien sie sich nur beiläufig etwas übergeworfen zu haben. Eine helle Jeans, ein lockeres T–Shirt und eine weite Strickjacke. Der enge Schnitt der Hose und der fließende Ausschnitt des Shirts hatten sein Interesse daran geweckt, sie gänzlich von allen modischen Zwängen zu befreien.
Vor dem Eingang des pompösen Baus aus dem 18.Jahrhundert drehte sie sich um und lächelte ihn mit ihren sinnlich geschwungenen Lippen an. Er war erleichtert, dass er sie hatte so beruhigen können, dass sie nun unbeschwert mit ihm losgezogen war.
Zwar hätte er ihr gerne eine zarte Röte auf die Wangen gezaubert, aber ein Tag im Museum war ein notwendiges Übel, das er nach seinem Fauxpas wohl bringen musste. Sie war etwas Herausragendes in seinen Augen. Die Quelle einer besonderen Freude, zu der nicht mehr viele Frauen in der Lage waren. Viel zu Viele suchten verbissen auf sämtlichen Portalen Mister Right und bei ihnen schrillten die Alarmglocken, wenn er die Stimmung bei einem Treffen etwas lockern wollte.
„Hier gibt es Dinoskelette!", rief sie erfreut mit Blick auf die Ankündigung der Sonderausstellung, mit der das Gebäude beflaggt war.
Ihre kindliche Begeisterung steckte ihn an. Eine Frau mit einer solchen Begeisterungsfähigkeit könnte sich auch mühelos für ihn begeistern. Er wusste um sein Charisma, aber eine hingebungsvolle Frau brachte ganz besondere Vorzüge mit.In der riesigen Säulenhalle standen sich mehrere Exponate gegenüber. Ringförmig platziert, als würden sie in einer Arena gegeneinander antreten. Die Farbe ihrer Knochen fügte sich homogen zu den verspachtelten Wänden. Er wunderte sich warum sie mit der Schule noch nie her gekommen waren. Für Dinos könnten sich wohl sogar noch seine pubertierenden Schützlinge begeistern.
Julia war vorgelaufen und wedelte ihm mit den Eintrittskarten zu.
„Wann warst du eigentlich zuletzt in einem Museum?"
Vergangene Woche waren sie im Museum für politische Bildung gewesen und hatten eine Plenarsitzung nachgestellt, erinnerte er sich. Wie oft ging wohl der Buchhalter eines börsennotierten Unternehmens ins Museum?
„Mir fällt das letzte Mal gar nicht mehr ein". Er streichelte ihren Rücken während sie die Ausstellung betraten. Sie war so niedlich klein und ging ihm kaum bis zur Brust.
Es war nicht viel los, was wohl hauptsächlich daran lag, dass es mitten in der Woche und das Wetter nicht allzu schlecht war.
„Wusstest du, dass man sich gar nicht sicher ist welche Farben Dinosaurier hatten? Manche Theorien besagen, dass sie sogar hauptsächlich Federn trugen. In einigen hat man Farbpigmente gefunden. Überwiegend eine Art rostrot."
Sie fasste ihm die Informationen auf der Tafel vor sich zusammen und drehte sich dann um, während sie ihre Hände in den Stoff seines Hemdes grub.
„Und wie siehst du in Wirklichkeit aus? Wer bist du?"
Frauen hatten die unangenehme Angewohnheit alles herausfinden zu wollen, anstatt sich dem Genuss des Momentes hinzugeben.
„Du kennst mich doch", grinste er.
Sie kannte ihn seit heute Vormittag sogar mehr als genug. Manche Menschen empfanden es als hintergehend wenn sie erfuhren, dass Leander nicht in einem Büro, oder Krankenhaus oder für irgendeine Fluglinie arbeitete, aber selber zeigten doch auch alle nur, was sie von sich zeigen wollten. Jeder kehrte immer nur seine besten Seiten heraus und empfand sich als ehrlich. Er war wenigstens kein Heuchler. Sein Vorgehen diente einem Zweck und der Zweck heiligte die Mittel.Eine Gruppe Grundschüler, die sich gegenseitig in Zweierreihen an den Händen hielten, marschierten an ihnen vorbei. Sie stolperten fast über ihre eigenen Füße, so aufgeregt drehten sie die Köpfe, um alle Eindrücke in sich aufzunehmen. Vereinzelt liefen auch Erwachsene durch den Raum und warfen flüchtige Blicke auf die Infotafeln, als könne man sie zur Rechenschaft ziehen, wenn sie sich nur die Ausstellungsstücke ansahen.
Leander sah sich um und studierte weder die Schrifttafeln, noch die Ausstellungsstücke, sondern wie immer viel lieber die Menschen. Er kam zu dem Schluss, dass nur Pärchen ins Museum gingen, bei denen es noch nicht oder nicht mehr so lief. Jetzt gehörte er zu einer dieser Kategorien und seine Unzufriedenheit darüber wuchs.
Das würde er nie verstehen. Frauen, in diesem Falle Julia, verführten ihn den einen Tag und dann gaben sie sich wenig später unnahbar.
Julia sah vor dem Oberschenkelknochen eines Tyrannosaurus wie ein Miniaturmensch aus. Immer wieder blickte sie sich zu ihm um, um sicherzugehen, dass er ihr folgte. Wären sie auf seinem Zimmer geblieben, dann wüsste sie, dass er noch da war.Er versuchte seine grimmigen Gedanken beiseite zu schieben. Er war ein Panther und das könne er jetzt beweisen. An seinen Fähigkeiten feilen.
In dem Raum, in dem sie jetzt standen, ging es um die Gelege von Fleisch– und Pflanzenfressern. Niemand sonst schien sich aktuell für die versteinerten Eier zu interessieren. Ihn interessierten sie auch nicht, er interessierte sich für die Frau, die er von hinten umarmte und in seinem Griff drehte, um sie an sich ran zu ziehen.
Sie lächelte erschrocken und machte keine Anstalten sich zu befreien. Dachte er es sich doch. Frauen wollten von Zeit zu Zeit überzeugt werden.
Er presste seinen Mund auf ihren und sie hob die Hände, um sein Gesicht zu umgreifen. Die Leidenschaft, mit der sie seinen Kuss erwiderte übertraf alle seine Hoffnungen.
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Vogelwild
AdventureJulia ist kürzlich zur Abteilungsleiterin befördert worden, ihre beste Freundin Sage leitet ein Hotel. Jung, erfolgreich - alles könnte perfekt sein. Doch Menschen mit undurchsichtigen Motiven, ausgemerzt geglaubte Schwächen und der ganz normale A...