10. Die weibliche Form von 'Dan'

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Wir standen vor dem dunkelbraunen Holzhaus und starrten es an.

Eine Kuh auf der anliegenden Weide muhte.

"Ich dachte, wir fahren in ein Sportzentrum", kam es auch schon hinten von Drew, der somit all unsere Gedanken aussprach.

Mr. Lloyd, der mit Mrs. Turner am Anfang unserer Gruppe stand, legte seinen Kopf schief.

"Da hab ich wohl das falsche Hotel gebucht."

Alle stöhnten und seine Kollegin drehte sich zu uns um.

"Jammert nicht rum. Hier kann man auch gut trainieren und außerdem schadet euch Landluft auch nicht. Ich geh mal kurz rein und ihr wartet hier bitte mit Richard, bis ich wieder komme."

Damit wandte sie sich wieder dem Hotel zu und stiefelte entschlossen rein.

Noch etwas müde von der langen Busfahrt sah ich mich um. Brooke neben mir telefonierte mit ihren Eltern, während Sara sich an Dan schmiegte. Ob die beiden wohl zusammen waren? 

Ich trat von einem Fuß auf den anderen. Am liebsten hätte ich einen Spaziergang gemacht, da mir die Beine vom langen Sitzen schmerzten. 

Nach der kleinen Unterhaltung zwischen Dyan und mir, hat er Musik gehört und ein bisschen geschlafen, während ich das Buch las, das Jeffrey mir am Mittwoch geliehen hatte. Nach der Schule trafen wir uns in einem Cafe in der Innenstadt und alberten bei einem Stück Schokoladenkuchen rum. Ich seufzte. Ach ja, ich vermisste seine witzige und verschrobene Art jetzt schon. Bestimmt wäre das Wochenende mit ihm noch entspannter gewesen.

Aber ich hatte ja zum Glück meine Freundin. Mit diesem Gedanken fasste ich den Entschluss die beiden mal gegenseitig vorzustellen.

Ich ließ meinen Blick etwas wandern und begegnete Dyan's Augen. Sofort sah ich wieder auf meine Füße und hoffte, er würde mich nicht mehr beachten. Die Situation im Bus war mir immer noch peinlich und unangenehm.

Selbst Ash hatte mich nie so anzüglich angesehen wie er, als wir noch zusammen waren. Er hatte mir nie solche Worte ins Ohr geraunt, sondern unsere Romantik blieb bei einem 'Ich liebe dich' und einem Kuss.

Natürlich liebte ich ihn und ich war glücklich mit ihm, doch er hatte nicht diese verspielte Art wie Dyan, sondern blieb immer anständig und ist mir nie näher gekommen, als eine Berührung am Arm oder einem Schmatzer auf meine Lippen.

Das lag wahrscheinlich daran, dass mein Vater in Sachen Beziehung noch ziemlich altmodisch war und mein damaliger Freund einen riesen Respekt vor ihm hatte.

Deshalb wunderte es mich im Nachhinein nicht sonderlich, dass er mit einer anderen schlief. Dass es ausgerechnet meine beste Freundin war, war eine andere Sache.

"Okay, alle mal bitte aufpassen! Es gibt drei Doppelzimmer und sonst jeweils Zimmer zu dritt. Nehmt bitte euer Gepäck und kommt in den jeweiligen Gruppen zu mir!"

Mrs. Turner, die wieder vor uns stand, hielt ihre Hand mit den Schlüsseln hoch.

Es setzten sich alle in Bewegung und nach und nach verschwanden immer mehr in dem Gebäude. Brooke und ich waren einer der Letzten und wurden letztenlich mit Sara in ein Zimmer gesteckt.

Diese wirkte nicht sonderlich begeistert, schnappte sich den Schlüssel und ging zügig, mit dem Koffer in der Hand, die Treppe hoch. Mit hochgezogen Augenbrauen sahen meine Freundin und ich uns an und folgten ihr schließlich.

Noch vor ein paar Tagen hatte ich gedacht und gehofft, Sara und ich könnten vielleicht Freunde werden, uns wenigstens gut verstehen. Doch schon allein die Tatsache, dass sie anscheinend ein gutes Verhältnis zu Dan hatte, zerstörte mir alle meine Hoffnungen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie genauso wie er über mich dachte.

"Ich schau mal nach Dan. Es gibt ja eh gleich Essen."

Nachdem wir die Betten bezogen hatten, verschwand die Schwarzhaarige ohne weiteren Kommentar und ließ uns beide irritiert zurück.

"Ich dachte, sie steht auf Drew?"

Brooke zuckte mit den Schultern und knöpfte ihre Bettdecke auf.

"Sie steht vielleicht auf Drew, aber für Dan ist sie sowas wie eine Schwester. Die beiden gibt's nur im Doppelpack."

Verstehend nickte ich und öffnete meinen Koffer.

"Was ich nicht verstehe ist, dass sie uns gegenüber fast schon abweisend ist. Sie war ja schon immer ein stiller und etwas in sich gekehrter Mensch, aber so wortkrank war sie noch nie."

Meine Freundin legte ihren Kopf schräg und schien zu überlegen. Leise seufzte ich und öffnete den kleinen Holzschrank.

"Ich glaub, sie hat was gegen mich. Ich mein, wenn mich Dan schon nicht ausstehen kann..."

"Mach dich nicht fertig deswegen. Ich bin doch da."

In der Bettdecke verheddert ließ sie sich auf die Matratze fallen, die daraufhin ein lautes Quietschen von sich gab. Brooke grinste.

"Siehst du, Miss Matress ist derselben Meinung."

Lächelnd half ich ihr auf und befreite sie aus dem Wirrwarr.

"Komm, ich helf dir mal."

****

Nachdem sich alle in ihren Zimmern eingerichtet hatten, versammelten wir uns zum Abendessen im Speisesaal.

Als meine Freundin und ich den Raum betraten, waren schon einige da. Da schon die kleineren Tische besetzt waren, setzten wir uns an einen der Größeren in einer Ecke, nachdem wir uns Essen auf unsere Teller geschaufelt hatten.

"Hey, ist hier noch frei?"

Ohne aufzusehen, wusste ich, wer es war. Er hatte heute Mittag schonmal die selbe Frage gestellt, bevor ich mich erschrak und in die peinliche Situation geriet.

"Klar doch."

Mit einem schelmischen Grinsen nickte Brooke, die gegenüber von mir Platz genommen hatte und wurde zugleich von einem bösen Blick meinerseits bestraft.

Der Stuhl zu meiner Rechten wurde nach hinten geschoben, ein Teller wurde auf der Tischfläche abgestellt und niemand anderes als Dyan ließ sich neben mir nieder.

Sofort verkrampfte ich mich und versuchte ruhig zu atmen. Seine Gegenwart war einfach zu viel für mich.

Ich bemerkte erst, dass ich angesprochen wurde, als mein Bein hart unter dem Tisch getreten wurde.

"Ähhh... Was?"

Von nebenan kam leises Gekicher.

"Ich habe gefragt, ob du dein Essen immer mit deinen Blicken aufisst, oder ob du auch mal mit deinem Mund kaust?"

Mit einem Grinsen betrachtete mich Dyan belustigt. Ich schluckte, obwohl mein Mund leer war und nahm mit roten Gesicht meine Gabel in die Hand.

"Nein, ich esse mein Essen ganz normal."

Verlegen lächelte ich, als ich aus dem Augenwinkel bemerkte, wie sich seine Freunde uns näherten. Die wirkten etwas mehr und die anderen etwas weniger fröhlicher.

"Naa, meine Süßen. Habt ihr mich vermisst?"

Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten, ließ sich Ryan auf den freien Platz neben meiner Freundin plumpsen und sah freudig in die Runde. Diese quittierte dies nur mit einem lautem Stöhnen und rollte genervt mit den Augen.

"Du weißt ja gar nicht wie sehr."

Das Leuchten der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt