5. Wie ausgewechselt

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Erschöpft lehnte ich meinen Kopf an der Kopflehne meines Sitzes an und beobachtete durch das Busfenster die vielen Vögel am blauen Himmel.

Der restliche Schultag lief nicht mehr sonderlich spannend. Eineinhalb Stunden verbrachte ich damit, unserem Kunstlehrer Mr. Navarro zuzuhören, wie wir unser Selbstporträt malen sollten.

Anschließend wurden wir in Zweierteams eingeteilt, um uns gegenseitig abzupinseln und ich kam natürlich mit einer der Genossinnen von Amber in eine Gruppe, die mich mit nichts weiter, als ein Schweigen bedachte.

Der Bus bremste.

Da meine Mutter schon früher als ich von der Arbeit nach Hause kam, sollte ich mit dem Linienbus heimfahren. Und so saß ich hier, neben mir ein schwarzhaariger Mann, der in etwa meinem Alter entsprach und mit seinem schwarz lackierten Zeigefinger immer wieder im gleichen Rhythmus auf seinen grauen Ordner, den er auf seinem Schoß platziert hatte, tippte.

Schüchtern lächelte ich ihn an und er nickte mir freundlich zu.

"Jeffrey."

Langsam setzte sich das Fahrzeug wieder in Bewegung und die Personen, die stehen mussten, wurden etwas nach hinten gedrückt.

Fragend hob ich leicht meine Augenbrauen hoch und er ergänzte noch ein "Mein Name".

"Ah. Ich heiße Jade."

Er grinste.

"Jade, wie Jade Pettyjohn?"

"Ja. Und du bist Jeffrey, wie Jeffrey Dean Morgan?"

Besagter wackelte verschwörerisch mit den Augenbrauen.

"Findest du cool was?"

Lächelnd ließ ich meine Augen über die Menschenmenge schweifen und war froh, sitzen zu können. Alle standen eng zusammengedrängt und mussten aufpassen, nicht bei jeder Kurve den Ellenbogen von jemand anderen ins Gesicht zu bekommen.

Plötzlich beugte sich Jeffrey leicht zu mir und raunte mir gespielt ernst zu:

"Als er der Izzy in Grey's Anatomy nen Heiratsantrag gemacht hat, hab ich geheult."

Mit einer Grimasse, die wohl ein verweintes Gesicht darstellen sollte, schlug er sich dramatisch auf die Brust.

Ich lachte leise.

Noch weitere fünf Minuten unterhielten wir uns über alle möglichen Schauspieler, Filme und Serien und ich hatte in ihm einen Filmfreund gefunden, als der Bus wieder hielt und ich aussteigen musste.

"Ich halte dir morgen früh einen Platz frei!", rief mir noch der Schwarzhaarige hinterher und schon machte ich mich mit einem Lächeln im Gesicht auf den Weg nach Hause.

Seit Langem war ich endlich nicht mehr das still schweigende Mädchen, das wie in Trance versetzt durch die Gegend lief, sondern wieder langsam aus ihrem Alptraum zu erwachen schien.

****

Daheim angekommen, schloss ich unsere Haustüre auf, stellte meinen Rucksack neben die Treppe und ging in die Küche.

"Mam? Lou?"

Keine Antwort.

Also schlenderte ich zum Kühlschrank, der zum ersten Mal seit langem wieder befüllt war.

"Stop! Nicht essen! Das braucht Mama heute fürs Abendessen."

Gerade als ich mir eine Wiener aus der Packung nehmen wollte, kam meine kleine Schwester die Treppe heruntergetrampelt, nahm mir die Packung aus der Hand und fing an ein Würstchen nach dem anderen in kleine Stücke zu schneiden.

Das Leuchten der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt