Teil 10

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Geschlagene 30 Minuten sehen wir ihm dabei zu, wie er Wasserski fährt wie ein Profi.
Mit jeder Sekunde sinkt meine Laune merklich.
Das wird nun auch den anderen bewusst: Yoongi sitzt 10 Zentimeter weiter von mir weg, Namjoon hat seinen Arm von meinen Schultern genommen. Auch die lobenden Kommentare sind verstummt – alle schweigen. Selbst Seokjin, der gerade eben erst wieder zu uns gestoßen ist, beäugt mich misstrauisch von der Seite.

Dann, endlich, passiert es: Das Boot wird langsamer, dreht und fährt davon, während Tae das Seil loslässt, mit dem er gezogen wurde. Er gleitet noch einige Meter weiter und sinkt dann mitsamt Skiern gemächlich Zentimeter für Zentimeter ins Wasser.

Es dauert eine Weile, bis er zu uns geschwommen ist. Alle laufen auf ihn zu und applaudieren, sogar die ganzen Angestellten umringen ihn aufgeregt.
Ich mache einfach gar nichts und bleibe, wo ich bin. Abseits der Kameras, damit die nicht auch noch meinen Groll aufzeichnen.

„Tae, das war ja der Wahnsinn!" – „Wo hast du das denn gelernt?" – „Wie zum Teufel hast du die Sprünge gemacht?!" – „Wie viele Fragen hast du beantwortet?" – „Geht es dir gut?" – „Oh man, das will ich auch können!" – „Hast du das schonmal gemacht?" – „Wieso kannst du das so gut?" – „Würdest du mir das beibringen?"

Ich verdrehe die Augen.
Alle sind so angetan von ihm, diesem Lügner. Ich könnte kotzen.
Mein Herz fühlt sich an, als wäre es in tausend Teile zerbrochen, aber ich habe nicht die Kraft, sie wieder aufzusammeln.

„Ganz ruhig, ganz ruhig, Leute", kichert Tae verlegen, „Das war doch... nichts Besonderes."
Sofort prasseln Widersprüche auf ihn ein. Ich sehe, wie seine Wangen sich rötlich färben, dann dreht er sich um, um alle ansehen zu können. Mich hat er scheinbar noch nicht entdeckt.

„Ich habe das als kleines Kind super gern gemacht und hab Erfahrung. Also... mein Vater hat es mir beigebracht. Es ist nur eine Sache der Übung und der Technik, glaubt mir."
Ich schnaube leise.
Natürlich. Von alleine geht sowas nicht. Er hat es als Kind gemacht. Das, was ich auch hätte tun sollen. Aber wer kommt denn auch darauf, dass man das im späteren Leben jemals brauchen würde!?

„Und?", fragt Jimin neugierig, „Wie viele Fragen hast du beantwortet?"
Tae zieht verlegen die Schultern hoch.
„Also ich", sagt Jin selbstzufrieden, „habe 23 Fragen beantwortet."
Tae wird rot. „Ähm", stammelt er, „super, Jin-hyung, klasse!"
Hobi klopft ihm auf die Schulter. „Hey, komm schon. Mach es nicht so spannend. Gib uns ne Zahl! Wie viele Fragen hast du gewusst?"
Tae sieht sich unsicher um.
„Also... äh... Alle, vermutlich", murmelt er.
Wir sehen ihn fragend an.
„Wie meinst du das denn...? ‚Alle'?", hakt RM nach.
„Na ja", sagt V und reibt sich unangenehm berührt den Nacken, „Ich bin immer weitergefahren und... hab so viele Fragen wie möglich beantwortet und... dann irgendwann hieß es, es wäre vorbei, weil keine Fragen mehr zur Verfügung standen."
Alle schweigen perplex.
Ich zwinkere. Das ist doch unmöglich.
„Und dann musste ich aufhören", sagt Tae. Es hört sich fast so an, als wäre er darüber traurig.

Unfassbar.

„Der Wahnsinn!", ruft Hoseok enthusiastisch, „Du bist der Wahnsinn! Heute Abend trinken wir auf dich!"
Alle stimmen ihm jubelnd zu.

Schon bald zerstreut sich die Menge wieder.
Und trotzdem weiß ich, dass er den ganzen verdammten Tag lang noch das Gesprächsthema Nummer eins sein wird. Der Gedanke daran reizt mich bis aufs Blut.
Ich versuche, Tae nicht anzustarren, um kein Aufsehen zu erregen, aber ich bin so wütend und traurig, dass es wie eine dunkle Gewitterwolke über mir zu hängen scheint.

Irgendwann sehe ich aus dem Augenwinkel, wie er mich entdeckt.
Seine Miene wird sofort düster. Gerade noch war er übermütig, fröhlich, voller Adrenalin. Jetzt schaut er ängstlich und bedrückt. Sein Schuldbewusstsein meldet sich zu Wort.
Pah. Soll es doch. Nur zu Recht tut es das...! So ein falscher Kumpel. Ich bin außer mir!

Plötzlich kommt er ganz langsam auf mich zu geschlichen.
Ich wende den Kopf ab und schaue mit verschränkten Armen in die entgegengesetzte Richtung. Ich will ihn nicht ansehen. Denn dann kann ich ihm nicht böse sein, wenn er mich mit seinen großen Hundeaugen ansieht.
Er setzt sich neben mich, ohne etwas zu sagen.
Ich hole tief Luft, unterdrücke den Drang, ihn einfach anzukeifen und will aufstehen, doch er packt mein Handgelenk. Ich fahre zu ihm herum und werfe ihm vernichtende Blicke zu.

„Lass es mich erklären", fleht er mit traurigen Augen.
Seine nassen Haare hängen ihm ins Gesicht und tropfen das Handtuch voll, das er über seine Schultern gelegt hat. Selbst jetzt sieht er so verdammt gut aus, oh man...

„Bitte", betont er.
Ich ziehe meine Hand aus seinem Griff und fange an zu laufen. Irgendwo hin. Einfach nur weg, weg von ihm.
„Kookie!", höre ich ihn hinter mir rufen, doch ich bleibe nicht stehen, nein, ich sehe mich nicht einmal mehr um.

Run BTS! [Taekook] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt