Alte Feinde

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Wie an jedem Schultag schellt morgens um halb 7 der Wecker – aber es ist kein normaler Tag. Denn es handelt sich um den ersten Tag nach ereignisreichen Sommerferien. Ich habe überhaupt keine Lust aufzustehen, aber ich möchte meine Freundin Kristine nicht alleine lassen. Wir gehen beide in die 13. Stufe und grenzen uns von den anderen Mädchen, das heißt eher Bitches, ab. Wir tragen nur dezent Schminke, gehen kaum auf Partys und umschwirren nicht die heißesten Jungs der Schule. Der einzige Unterschied zwischen uns ist, Kristine mag dennoch Partys und ich hasse sie. Diesen Morgen lasse ich mir sowohl beim Duschen als auch beim Frühstück so viel Zeit, sodass ich mich nicht mehr schminken kann, um noch einigermaßen rechtzeitig an der Schule anzukommen.

Es klingelt schon, als ich den Schulhof betrete. Ich will zu meinem Kursraum eilen, doch meine Aufmerksamkeit wird auf einen Streit gelenkt. Langsam nähere ich mich und als ich die Personen erkenne, schnaube ich laut auf. Ryder Grant dreht sich um.

„Na toll, du wolltest ihm und seinen Streitereien, nachdem was alles in den Ferien passiert ist, aus dem Weg gehen", appelliert mein Kopf. „Aber du kannst den Jungen am Boden doch nicht einfach liegen lassen." Ich mache einen Schritt auf Ryder zu. Er ist einer der Badboys der Schule und gleichzeitig Anführer einer Gang. Mehr weiß ich über ihn nicht. Oder doch, ich bin die Einzige, die sich traut, sich ihm entgegen zu stellen, obwohl er ein Jahr älter ist als ich und dennoch in meine Stufe geht. Kurz schaut Ryder mir in meine Augen, die bei weitem nicht mehr das ausdrücken wie vor den Ferien. Sie sind kalt und leer, mein ganzes Gesicht trägt eine Maske. Für Millisekunden sehe ich ein Fragezeichen ins Ryders Gesicht, dann wird sein Gesichtsausdruck wieder steinhart und undurchdringbar. Dennoch frage ich mich sofort, ob er etwas bemerkt haben könnte. Lange kann ich mich aber nicht damit beschäftigen, der Schüler liegt auf dem Boden und wimmert.

„Lasst den Jungen in Ruhe", fordere ich Ryder und seine vier Kumpels auf.

Statt meiner Forderung nach zu kommen, tritt er noch einen Schritt näher auf mich zu. Das ist definitiv zu dicht für mich, ich spanne jeden Muskel an und balle eine Faust.

„Er hat Schulden bei uns", knurrt Ryder lediglich.

„Wie hoch?", frage ich ihn und erinnere mich an die beiden Schokoküsse in der Tasche.

„20€. Willst du sie mir etwa geben?"

„Natürlich", antworte ich ihm lächelnd, greife in meinen Rucksack und drücke ihm einen Schokokuss ins Gesicht.

Geschockt schauen Ryder und seine Kumpels mich an, doch niemand wagt es mich anzugreifen. Stattdessen wenden sie sich wutschnaubend von dem Schüler ab. Diesem helfe ich hoch, woraufhin er sich bedankt und Richtung Klassenraum läuft.

Mit 10 Minuten Verspätung betrete ich meinen Unterrichtsraum. Frau Sommer, unsere Deutschlehrerin, begrüßt mich mit den Worten: „Guten Morgen Frau Grasecker, schön, dass sie es auch einrichten konnten."

Nach dieser Begrüßung muss ich aufpassen, meine Augen nicht zu rollen und begrüße sie ebenfalls mit einem „guten Morgen." Ich nehme das mit der Pünktlichkeit nicht ganz so wichtig, daher hat mich ihre Aussage nicht verwundert. Aber niemals würde sich der Direktor trauen, mir eine Verwarnung zu geben, da ich erstens sehr gut in der Schule bin und zweitens meine Eltern der Schule immer wieder großzügige Spenden zukommen lassen. Gemütlich setze ich mich neben meine Freundin Kristine, die sich ein Grinsen nicht verkneifen kann.

„Verschlafen oder wieder schlecht geträumt?"

Ich schüttele den Kopf. „Nein, Ryder und seine Gang haben einen Jungen bedroht, Ryder hat jetzt meinen Schokokuss im Gesicht", flüstere ich.

Paddy, ist Liebe berechenbar?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt