- 21. KAPITEL -

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Ich beobachte das Spielen der kleinen weißen Lichter auf unserer Haut, dort wo wir uns eben noch berührt hatten. Als sie verblassen schaue ich betreten über meine Schulter zu Kenai, der hinter der Scheibe steht und mich besorgt anblickt. Ich lächele leicht, um ihm zu versichern, dass es mir gut geht und drehe mich wieder Elva zu. Noch immer kann ich nicht glauben, dass sie nicht nur ein Ergebnis meiner blühenden Fantasie ist, sondern dass sie genauso real, wie ich, Kenai oder sonst wer, ist. Die Geräte, an denen sie angeschlossen ist, piepen im Takt zu ihrem Atem. Was ist nur passiert, als ich aus dem Erdbeben aufwachte? Als ich noch bei ihr war, ging es ihr doch noch gut. Wurde sie, wie ich,  von einem einem Baum getroffen? Ich lasse mein Blick über ihren Körper gleiten, kann jedoch nur ein Gips um ihr linkes Bein erkennen. Aber von einem gebrochenen Bein fällt man doch nicht gleich ins Koma - Ich weiß wovon ich spreche. Das Klopfen lässt mich hochschrecken und ich drehe mich wieder zu Kenai, der sich zu mir winkt. Es ist schwer von ihr Abschied zu nehmen, auch wenn es nicht für immer ist. „Tschüss Elva", flüstere ich, während ihr sanft über die Hand streiche. Noch einmal genieße ich das Kribbeln auf der Hand: „Wir sehen uns morgen." Ich drehe mich um, um zur Tür zu fahren, halte aber nochmal inne.  „Oder heute Nacht." Lächelnd schaue ich sie ein letztes Mal an, ehe ich mein Weg fortsetze und die Tür leise hinter mir schließe.

*****

„Was hat sie eigentlich?", fragt Kenai, als wir den Krankenhausflur entlang fahren. „Frag mich was Leichteres", bemerke ich nachdenklich und füge noch hinzu: „Lass uns zu deinem Arzt gehen. Der kann uns bestimmt Genaueres sagen!" Doch Kenai's Enthusiasmus hält sich in Grenzen, denn er murmelt nur etwas Unverständliches vor sich hin. „Was ist los?", frage ich ihn, woraufhin er nur seinen Kopf schüttelt. Seine plötzliche negative Energie entgeht mir nicht, besser gesagt ich fühle und sehe sie. Ein dunkelgrauer Schleier legt sich um die Konturen seines Körpers.„Willst du ihn etwa nicht fragen?", hake ich nach, woraufhin Kenai sein Schweigen bricht: „Er ist zwar Arzt, aber hast du mal was von Schweigepflicht gehört? Er darf uns eigentlich nichts sagen und ich will ihn nicht in die Bredouille bringen." „Aber er hat uns doch vorhin auch geholfen. Warum sollte er uns jetzt wegschicken? Lass uns es wenigstens versuchen. Bitte", bettele ich ihn an und hoffe inständig, dass er wenigstens den Versuch wagt. Als wären meine Bitten erhört worden schiebt mich Kenai stumm Richtung des Behandlungszimmers von Dr. Adams. "Du wartest hier", bittet Kenai mich ehe er zum wiederholten Mal im Zimmer verschwindet. Durch den Lamellenvorhang beobachte ich die Beiden - ihre Umarmung, ihr Gekicher und ihren intensiven Blickkontakt. Das Grün, welches sich um die Beiden legt bringt mich zum Lächeln. Ich freue mich so sehr für Kenai, dass er sein Glück gefunden hat. Doch als sich Pigmente des kräftigen Grüns in Schwarz wandelt, verliere ich mein Lächeln und mir wird bewusst, dass nun über Elva gesprochen wird. Das beklemmende Gefühl in meiner Brust lässt mich nervös werden, sodass ich ohne darüber nachzudenken an der Tür klopfe.  "Hab ich dir doch gesagt", murmelt Kenai, als er aus der Tür tritt und an mir vorbei geht, um sich auf einen Stuhl im Krankenhausflur zu setzen. Ich kann mich aber mit dieser Unwissenheit nicht zufrieden geben, weshalb ich nochmal mit dem Arzt sprechen möchte. Doch Dr. Adams kommt mir zuvor. Er stößt die Tür auf und bleibt vor mir stehen. "Du kennst ihren Namen?", fragt er ohne große Umschweife. "Ja, ist das was Außergewöhnliches?" Dr. Adams schaut sich im Flur schnell um, als ob er sicher gehen will, dass keiner uns zuhört. "Ja schon", gibt er zu, "bis jetzt war der Name noch nicht bekannt. Kennst du auch ihren Nachnamen" Ich schüttele den Kopf: "Nein, den kenne ich nicht. Aber wer hat denn den Krankenwagen geholt und wo wurde sie denn gefunden? Und warum liegt sie im Koma, was fehlt ihr denn?" Fragen über Fragen sprudeln aus mir heraus, sodass ich mich gar nicht stoppen kann. "Wenn ich ehrlich bin, kann ich dir nicht sagen, was ihr fehlt. Ihre beiden Beine sind gebrochen, weshalb sie auch in OP war. Als sie an einem See gefunden wurde, war sie nicht bei Bewusstsein. Die Ärzte dachten, sie würde sich nach der OP stabilisieren. Bis jetzt ist das noch nicht geschehen", flüstert er mir zu, während er sich weiter umschaut. "Hör mal Per, eigentlich darf ich dir das alles gar nicht sagen.  Da du beziehungsweise Kenai mir aber den Namen des Mädchens genannt habt, denke ich, dass ich dir vertrauen kann. Wenn dir noch irgendwas zu ihr oder dem, was ihr passiert sein könnte, einfällt, sag es mir bitte." Ich nicke nur stumm, da mir ehrlich gesagt die Worte fehlen. Wie kann das sein, dass keiner irgendwas über Elva und ihre Diagnose weiß? "Lass uns gehen", sage ich an Kenai gewandt, nachdem ich mich von Dr. Adams, oder soll ich lieber Charles sagen, verabschiedet habe. Stillschweigend fahren wir nach Hause, jeder in seiner eigenen Gedankenwelt gefangen. Gern würde ich in Kenais Kopf hineinsehen, denn ich würde gern wissen, was das Hellgelb, welches Kenai umgibt, bedeutet. Es ist schon wahnsinnig, dass ich Emotionen mithilfe von Farben sehen kann. Aber manchmal wird es mir wirklich zu viel. Dann bin ich froh, dass ich schlafen kann. Schlafen ist sowieso zur Zeit das Beste am ganzen Tag, denn dann kann ich bei Elva sein. Und genau das werde ich auch gleich tun.

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