- 26. KAPITEL -

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Der Tag beginnt mit einem großen Lächeln, welches wahrscheinlich den ganzen Tag über anhalten wird. Ich habe Elva geküsst! Aber noch viel wichtiger - Ich habe ihr meine Liebe gestanden. Noch einmal fühle ich unserem Kuss nach, verinnerliche den Moment, ehe ich mir den Weg zur Küche bahne. „Guten Morgen Liebling. Wie hast du geschlafen? Hast du geträumt?", begrüßt mich Mom, woraufhin ich stumm nicke und ihr ein Kuss auf die Wange gebe. Ich habe nicht das Bedürfnis mit ihr über Elva, Kulana oder sonst was zu sprechen, obwohl ich weiß, dass kein Weg daran vorbei führt. Außerdem weiß ich auch, dass ein weiteres Gespräch mir nur noch mehr Informationen bringen wird, die mir helfen, Elva zu befreien. Aber ich kann und will mich nicht Tag und Nacht mit dieser fremden Welt beschäftigen. Am liebsten würde ich mein altes Leben zurück haben - obwohl, die neuen Fähigkeiten sind schon toll und Elva will ich auch nicht mehr missen. Schon bei dem Gedanken an sie wird es mir wieder warm ums Herz. Jedoch versuche ich mir die Gefühlsregung nicht anmerken zu lassen und beiße schweigend von meinem Marmeladenbrot ab.

*****

"Geht es dir heute besser?", fragt Yuna, als ich an meinem Platz im Klassenzimmer ankomme. Was will sie denn jetzt von mir? "Ja", antworte ich knapp und drehe mich zu den Jungs, um Yunas Blicken zu entkommen. Doch anstatt den deutlichen Signalen zu folgen und zu gehen, setzt sie sich neben mich, sagt jedoch nichts. "Was war gestern?", fragt Koda, der ebenfalls keine Notiz von ihr nimmt. "Mir ging es nicht so gut - Kopfschmerzen, Schwindel, Bauchschmerzen." Ich möchte möglichst selbstsicher klingen, jedoch merke ich schon während des Sprechens, dass ich alles andere als sicher klinge. Stattdessen habe ich größte Mühe nicht zu stottern. Warum muss jedes Gespräch immer nur auf diese eine Sache hinauslaufen? Warum kann man nicht einfach mal über irgendwelche Handyspiele, neuste Musik oder von mir aus auch über das Wetter reden? "Wers glaubt!", lacht Yuna auf: "Du hattest sicher eine lange Nacht hinter dir gehabt!" Ihr kumpelmäßges Getue und das sarkastisches Grinsen geht mir voll auf den Keks. Als sie mir dann noch ihre Faust auf meinen Arm haut, reicht es mir. "Was willst du eigentlich? Wie kommt es, dass du bei mir antanzt?", funkele ich sie böse an. Als sie wütend aufsteht und geradewegs, ohne sich nochmal umzudrehen aus dem Zimmer stürmt, fühle ich mich schlecht. "Wisst ihr was sie wollte? Wie kommt es, dass sie denkt, ich würde mich mit einer Anderen treffe?" Ungläubig schaue ich die Beiden an. "Tust du das nicht?" Kodas Unterstellung macht mich stutzig. Wie kommt er dazu, so etwas zu denken? "Nein! Wenn es so wäre hätte ich euch doch was davon erzählt!", rufe ich etwas zu laut aus, sodass mich alle anstarren. Reflexartig schrumpfe ich in meinem Rollstuhl ein Stück zusammen. Die Jungs schauen mich irritiert an, Koda mehr als Kenai. "Du meldest dich kaum noch bei uns, wir haben ewig nichts mehr zusammen gemacht. Da dachte ich, dass..", erklärt Koda leise und braucht den Satz gar nicht zu beenden, denn ich weiß schon, was er sagen will. Er denkt wirklich, dass ich ihn für ein Mädchen sitzen lassen würde. Naja, wenn ich so recht überlege - genau das habe ich getan. Auch wenn es kein reales Mädchen ist - noch nicht real! Anstatt auf seinen Vorwurf einzugehen, kommt mir eine Idee: "Was wollen wir heute machen?", frage ich grinsend. Doch Koda schaut mich nicht so begeistert an, wie ich es mir im Kopf ausgemalt hatte. Ich hatte nicht gedacht, dass er meine Frage missverstehen könnte. "Lasst uns heute zum See fahren. Dort erkläre ich euch alles", schlage ich den Beiden vor.

*****

Die Welt zeigt sich mal wieder von der schönsten Seite. Die Sonne strahlt und am Himmel sind nur kleine Schäfchenwolken zu sehen. Die Fahrt über hatte ich mir Gedanken gemacht, wie ich alles am einfachsten erkläre. Jedoch bin ich bis jetzt zu keinem guten Ergebnis gekommen. Ich weiß, dass Kenai es mehr verstehen wird, da er von einigen Dingen, die in letzer Zeit passiert waren, bereits weiß. Koda kann ich hingegen überhaupt nicht einschätzen. Wir hatten uns in der Vergangenheit nie über übernatürliche Dinge unterhalten. Dazu hatten wir auch nie ein Anlass gesehen. Ich weiß überhaupt nicht, wie er dazu steht. Umso mehr bin ich jetzt auf die Reaktionen der Beiden gespannt.

Die Jungs haben sich es auf einer Bank gemütlich gemacht, während ich mich mit meinem Rollstuhl daneben parke. "Was willst du uns erzählen?" Interessiert sieht mich Koda mit einem Blitzen in den Augen an. Ein rötlicher Schleier legt sich um ihn, jedoch kann ich nicht einschätzen, was die Farbe bedeuten soll. Wut oder Aufregung- ich weiß es nicht. "Hallo? Erde an Per!", ruft er und wedelt seine Hände vor meinem Gesicht hin und her. "Ehh.. entschuldige", stottere ich. "Was wolltest du uns erzählen?", fragt Koda ein weiteres Mal und jetzt etwas energischer. "Ehrlich gesagt, weiß ich nicht wie ich anfangen soll. Das ist alles so unrealistisch und neu für mich. Aber bitte - Egal was ich sage, bitte glaubt mir einfach", hadere ich. "So schlimm wird es schon nicht sein", versucht mich Kenai mit einem Zwinkern aufzumuntern, was aber nur semi funktioniert. "Also gut", murmele ich und strecke meine Hand Richtung Wasser aus. Es wird das Einfachste sein ihnen zuerst meine bisherigen Fähigkeiten zu zeigen, um ihnen klar zu machen, dass ich nicht geisteskrank bin. Als das bekannte Kribbeln in den Fingern einsetzt schließe ich meine Augen. Ich stelle mir vor, wie sich kleine Wasserkugeln aus dem See lösen und wie aus Geisterhand über die Wasseroberfläche tanzen. Verblüffte "Oh" und "Ah" lassen mich wissen, dass die Beiden auch wirklich das sehen, was ich mir vorstelle. Langsam öffne ich meine Augen und lasse den Energiefluss schwächer werden. Die Kugeln verschmelzen wieder mit dem See und hinterlassen staunende Freunde. "Dass du das kannst, wusste ich noch nicht", murmelt Kenai leise vor sich hin. "Noch nicht? Heißt das, du wusstest die ganze Zeit lang, dass Per nicht normal ist?", ruft Koda entsetzt. Autsch, die Worte tun weh. Ich bin nicht normal, aber das nochmal zu hören ist wie ein Tritt in die Magengegend. Trotzdem möchte ich wenigstens noch versuchen den aufgebrachten Koda zu beruhigen. "Sorry, aber ich war beziehungsweise bin ich so unsicher und durcheinander. Ich dachte ich habe den Verstand verloren. Ich wusste nicht, wem ich mich anvertrauen kann. Ich..." "Ach, und du dachtest, dass du dich mir nicht anvertrauen kannst. Vielen Dank auch. Das nennt man also Freunde!" Wütend springt Koda auf, schleudert seinen Rucksack über seine Schulter, dreht sich um und verschwindet Richtung Parkplatz. Verdattert und traurig bleibe ich zurück. Ich hätte nicht gedacht, dass Koda so verletzt sein könnte. Aber wenn ich mir nur vorstelle, ich wäre jetzt an Kodas Stelle, würde ich vermutlich genauso reagieren. "Er kriegt sich schon wieder ein." Kenai schaut, genau wie ich, verdattert Richtung Parkplatz und weiß nicht so Recht, was er sagen soll. Soll ich ihm noch von Kulana, den verschiedenen Sektoren Kulanas und von Elva erzählen? Kurzerhand entscheide ich mich jedoch diese Themen aufzuschieben. Vielleicht kriegt sich Koda ja wirklich wieder ein und dann kann ich Beiden alles erzählen. "Lass uns auch nach Hause fahren", schlage ich Kenai vor, der daraufhin aufsteht und mir zum Wagen hilft. 

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