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Der Wind peitscht mir ins Gesicht, während meine Beine mich durch dichten Wald tragen. Ich ziehe eine blaue Spur hinter mir her. Hinter mir höre ich Schüsse. Kurz darauf durchzuckt meinen Körper einen durchdringenden, lähmenden Schmerz, der von meiner Schulter ausgeht. Mit letzter Kraft und Schweißperlen auf der Stirn laufe ich weiter. Vor Augen habe ich meine wunderschöne Frau, meine Kinder, Wanda und Natasha, denen ich mit meiner Flucht wahrscheinlich das Leben rette.

Ächzend bleibe ich stehen. Mehrere Meilen bin ich gerannt, ohne hinter mich zu sehen. Ich habe es geschafft. Hydra liegt weiter hinter mir. Sie haben keine Chance, mich schnell einzuholen. Meine Beine zittern, als ich die letzten Schritte zu einer verlassenen Hütte wage. Ohne diese wäre ich weitergelaufen und wahrscheinlich irgendwann zusammengebrochen.

Während ich mich auf einen Strohhaufen lege und meine schmerzenden Beine entspanne, lasse ich die letzten 24 Stunde Revue passieren.

Mitten in der Nacht schlage ich meine Augen auf. Irgendwas stimmt nicht. Selene liegt neben mir, schlummert gemütlich vor sich hin. Lächelnd streiche ich ihr eine feuerrote Strähne aus dem Gesicht, hauche ihr einen Kuss auf die Stirn und verlasse dann die schützende Wärme meines Bettes. Irgendwas verleitet mich dazu, die frische Nachtluft aufzusuchen. Der Himmel ist sternenklar und der Wald um uns herum ruft mich leise. Ich möchte seinem sanften Ruf bereits folgen, als ich ganz in der Nähe des Hauses ein aggressives Rascheln vernehme. Schnell drehe ich mich um. Ein unbehagliches Gefühl überkommt mich. Als ich schließlich einen gedämpften Schuss wahrnehme, laufe ich ins Haus. Sie haben mich gefunden! In Windeseile schreibe ich einen Zettel für meine Frau, verlasse das Haus und renne los. Ich höre, wie Hydra mir mit ihren Wagen folgt. Sie werden es lange schaffen, mich nicht zu verlieren, doch jedem Auto geht irgendwann der Sprit aus. Ich muss sie bloß weit genug von meiner Familie weglocken.

Zischend halte ich mir die Schulter, als sich einer der Strohhalme in die Streifwunde bohrt. Schnell reiße ich ein Stück meiner Schlafanzugshose ab und wickle sie geschickt um die Wunde. Erschöpft und schwer atmend falle ich in einen tiefen Schlaf.

Der nächste Morgen bringt nicht nur kitzelnde Sonnenstrahlen, sondern auch klappernde Waffen. Sobald ich die schweren Schritte der Hydraagenten höre, halte ich die Luft an. Sie ziehen vorüber, kommen nicht einmal auf die Idee, in der Hütte nachzusehen. Trotzdem entscheide ich mich dazu, noch zehn Minuten liegen zu bleiben, bevor ich leise aufstehe und den morschen Holzboden mit vier löchrigen Wänden und einem Dach verlasse.

Zu meiner Verwunderung brauche ich nur wenige Stunden, bis ich in der nächsten Stadt bin. Ich greife ich die Hosentasche meiner Schlafanzugshose. Als ich meine Kreditkarte unter meinen Fingerspitzen spüre, bin ich meiner Tochter Paola für ihre Verstecke dankbar. Sie nimmt nur zu gerne die Sachen ihrer Eltern und versteckt sie dort, wo sie sonst niemand findet. Nach zehn Minuten hat sie das Versteck meistens auch vergessen, weshalb meine Kreditkarte ganze zehn Tage lang verschwunden war. Schnell suche ich eien Boutique und wechsle meinen alten Schlafanzug gegen ein gemütliches Sportoutfit.

In einem kleinen Hotel am Rande der Stadt finde ich fürs erste Ruhe. Ich nehme eine Dusche. Das warme Wasser lässt mich erneut zurück an mein Zuhause denken. Ich will mir nicht einmal vorstellen, wie es Selene gehen muss. Und unseren Kindern. Ich fühle mich schlecht. Dabei bin ich weggelaufen, weil ich ihnen ihr Leben retten wollte. Ich sollte mich nicht schlecht fühlen. Und doch macht sich dieses schlechte Gewissen in meinem ganzen Körper breit. Hätte ich Selene vielleicht doch sagen sollen, dass Hydra mich verfolgt. Mit den undeutlichen Worten, die ich auf ihren Nachttisch hinterlassen habe, werde ich sie nur sauer gemacht haben. Sie wird mich hassen. Alles was sie immer wollte, war die Bewältigung unserer Probleme Hand in Hand. Die Chance nehme ich ihr mit meiner Flucht.

Flucht aus LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt