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Geschockt sehe ich Selene dabei zu, wie sie die Kontrolle verliert. Seit wir uns kennen, ist ihr das nicht mehr passiert. Sie sieht in meine Richtung und ihr Blick schleudert mich zurück in die Realität. Ich bin viel zu nah an Hydra und wenn mich jemand sieht, bin ich geliefert. Also drehe ich mich um und laufe. Ich laufe so schnell ich kann und lasse den Platz des Kampfes innerhalb weniger Minuten mehrere Kilometer hinter mir. Wieder einmal fällt mir auf, dass meine ganze Familie kämpft, nur ich laufe weg. Das habe ich schon immer gemacht. Anstatt für meine Schwester, meine Frau und meine Kinder zu kämpfen, drehe ich mich um, laufe weg und verstecke mich. Doch damit ist ab Heute Schluss. Ich weiß, wo das Hauptquartier von Hydra ist und ich weiß, dass ich dort die Bombe entschärfen kann, bevor sie komplett in die Luft geht. Ein letztes Mal atme ich durch, bevor ich wieder loslaufe.

Stunde um Stunde laufe ich umher. Ich weiß wo mein Ziel liegt, doch ich wusste nicht, dass ich so lange brauchen werde. Letztendlich komme ich dort an. Zwar war mir klar, dass ich von bewaffneten Männern empfangen werden würde, doch das so viele mich umzingeln würden, habe ich nicht erwartet. Ich hebe meine Hände abwehrend an. Einer der Männer legt mir Handschellen an und führt mich ab. So habe ich mir das Kämpfen bestimmt nicht vorgestellt. Doch gerade stelle ich mir bloß die Frage, wie ich mir das alles überhaupt vorgestellt habe. Ich bin alleine. Ich wollte mir keine Hilfe holen und jetzt habe ich auch keine Hilfe. Also schlage ich mich dort irgendwie selbst raus, oder ich lasse zu, dass meine Familie mit dort hineingezogen wird.

Der Mann bringt mich in einen Raum, in dem zwei Männer stehen. Einer trägt einen Anzug, der andere wird von einem weißen Kittel umhüllt. »Ich hätte nicht erwartet, dass einer unserer größten Schätze freiwillig zu uns kommt. Vor allem nicht, nachdem du vor uns geflüchtet bist«, begrüßt der Anzugträger mich und deutet dem Mann, der mich hierher geführt hat, uns alleine zu lassen. »Wenn Sie meine Familie aus dem Spiel lassen, überlege ich mir vielleicht sogar, ob ich nicht doch noch fliehe«, versuche ich einen Deal aufzustellen. Doch der Anzugträger lacht bloß. »Du befindest dich in einer wirklich misslichen Lage und willst dennoch verhandeln? Ich werde mir die Leute holen, an denen ich Interesse habe. Und deine Frau hole ich mir als Sahnetörtchen oben drauf«, lacht der alte Mann gehässig. Ich versuche mich von den Handschellen zu befreien, doch obwohl die Wut meinem Körper eine Menge Adrenalin schenkt, bin ich nicht in der Lage, die Handschellen zu lösen. »Lassen Sie meine Frau in Ruhe, oder ich schwöre, ich bringe Sie um.« Der Mann lacht. Dann sieht er mich todernst an. »Jetzt erst recht.« Er deutet dem Arzt mit einer Handbewegung, mich abzuführen.

In einem kleinen Labor werden mir die Handschellen abgenommen, nachdem sichergestellt wurde, dass ich nicht fliehen kann. Allerdings auch nur, um mir das T-Shirt auszuziehen. Der Doktor befestigt stumm einige Schläuche an mir, nachdem ich an der Wand festgekettet wurde. »Ich werde Ihnen einige Blutproben entnehmen, damit wir noch mehr von Leuten wie dir und deiner Schwester anfertigen können«, erklärt er und lässt mich dabei zusehen, wie mein Blut durch die transparenten Schläuche gepumpt wird. Ich halte die Luft an. Schlimmer kann es nicht kommen, oder?

Flucht aus LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt