Dienstag
Ich schminkte meine Augenringe weg und redete mir in den Badezimmerspiegel blickend etwas Mut zu. Normalerweise verzichtete ich eher auf Make-up, doch wenn ich nicht wie ein Zombie aussehen wollte, blieb mir heute nichts anderes übrig.
Müde setzte ich meine morgendliche Routine in der Küche fort und schaufelte mir etwas Müsli in eine Schüssel.
Heute würde ich zum letzten Mal den persönlichen Frageboden in der Schule ausfüllen, nach dessen angekreuzten Antworten uns unser Wesen zugeteilt wird.
Damit das Wesen eben, was man zugeteilt bekam, auch zu einem passte.Meine Mutter trottete in die Küche und schenkte mir ein Lächeln.
Sie hantierte an der wohlmöglich aus dem steinzeitalter stammenden Kaffemaschine herum.Es klingelte an der Tür und ich erinnerte mich daran, dass ich mit Ace und den anderen heute zur Schule fahren musste.
Im gehen löffelte ich den Rest meines Müslis und öffnete die Haustür mit dem Ellbogen.
Ace hielt einen aufgeregt zappelnden Lenny auf dem Arm, der wahrscheinlich unbedingt die Klingel hatte betätigen wollen.»Hallo, du Sonnenschein«lachte Ace, als er mich sah und ich zeigte ihm meinen Lieblingsfinger, wobei ich dem Zwerg auf die Nase stupste.
Ich drückte Lenny meine Müslischüssel in die kleinen Hände und er nippte an der übrig gebliebenen Milch.»Ich hole nur noch meinen Rucksack und dann können wir los!«rief ich den beiden über die Schulter zu, während ich die Treppe nach oben stapfte.
Ich beeilte mich damit, das Haus zu verlassen und setzte mich zwischen Namida und Elli ins Auto.
Ace hielt mir belustigt die leere Müslischüssel hin und ich schüttelte nur genervt den Kopf.
Da wir schon spät dran waren, stopfte ich die Schüssel einfach in meinen Rucksack, was Elli mit einem vernehmlichen Kichern quittierte.Ace startete den Motor des Fiats und schlug den altbekannten Weg zur Schule ein.
»Hast du schon ein Kleid für die Leserrunde?« wollte Elli neugierig von mir wissen.
Ich seufzte und wusste, worauf das hinauslaufen würde.
»Nein, hast du nicht und deshalb gehen wir nach der Schule shoppen« verkündete meine beste Freundin und ich nickte nur.
Wenn ich etwas nicht leiden konnte, dann war es stundenlang planlos durch die Läden zu bummeln und nach Klamotten zu suchen.»Ach komm Tequila, das wird lustig« probierte Namida meine Laune zu heben und ich versuchte mich an einem Lächeln.
In der Schule lief alles wie gewohnt.
Das Auswahlformular hatte ich heute zum letzten Mal ausgefüllt und die Vorfreude auf mein Wesen wuchs.
Dabei versuchte ich nicht so sehr an eine bestimmte Vorstellung meines zukünftigen Wesens festzuhalten. Denn ich wollte nicht enttäuscht sein, wenn ich nicht jenes aus meiner Fantasie entsprungene Wesen zugeteilt bekam.Nach der Schule fuhr ich mit dem Fahrrad Nachhause um meine Geldbörse zu holen.
Als ich meiner Mutter von unserem heutigen Vorhaben erzählte, klatschte sie erfreut in die Hände und gab mir augenzwinkernd mehr als genug Geld, damit ich mir ein schönes Kleid davon kaufen konnte.Ich traf Elli und Namida in der Fußgängerzone vor dem Bücherladen.
Elli hatte bereits ein Buch unterm Arm geklemmt und ich schaute sie gespielt tadelnd an.
»Ich konnte einfach nicht widerstehen« rechtfertigte sie sich und ich schmunzelte.
Namida griff nach unseren Händen und dirigierte uns, in die nur ein paar Schritte weit entfernte Boutique.
Vor dem Schaufenster zeigte die Meerjungfrau schwärmend, auf ein violettes Kleid mit freiem Rücken.
Die vielen feinen Applikationen bemerkte man sofort.
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I'm scared that Hell is just a place on Earth
FantasyMenschen und Wesen leben seit geraumer Zeit zusammen. Die Gesetze der Regierung stellen das friedliche Leben miteinander sicher, solange wie sich jeder daran hält. Menschen können, nach dem bestandenen Prozedere und dem erreichen des achtzehnten Leb...