Kapitel 2

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"Also Mr. Collins, wi-" "Nur Connor,", wurde ich lässig unterbrochen. Mit den Ellbogen auf dem weißen Schreibtisch gelehnt, beobachtete Connor Collins mich genau, während ich seine Akte im raumhohen Regal rechts von mir suchte. Der Raum, den ich ab sofort mein Büro nennen durfte, war recht großzügig geschnitten und mit allen notwendigen Utensilien, die ich zum Arbeiten brauchte, ausgestattet. In einer Ecke befand sich der Schreibtisch, samt brandneuem Computer, Regalen mit diverser Fachliteratur und den Akten der einzelnen Spieler. Gegenüberliegend einer riesigen Fensterfront waren einige Sprossenwände angebracht worden. Zur Sicherung und für Gymnastikübungen war der Boden mit Matten ausgelegt worden und überall standen unzählige Hilfsmittel herum. Egal ob Faszienrollen, Tera-Bänder oder Gymnastikbälle. Hier gab es alles was das Physiotherapeutenherz begehrte. Außerdem waren die Wände mit diversen medizinischen Postern vom Aufbau der Muskeln und dem menschlichen Körper geschmückt. Obwohl der Raum dadurch fast schon brechend voll war, wirkte er durch die breite Fensterfront, das hereinflutende Tageslicht und den frischen Blumen auf meinem Schreibtisch freundlich und keinen Falls vollgestopft. Draußen neben der Tür hing bereits ein Schild M.Sc Liane Hughes – Physiotherapie & Sportosteopathie. Und um ehrlich zu sein, war ich mächtig stolz darauf!

"Du gehörst doch jetzt auch zu unserem Team. Und alle aus dem Team duzen mich.", fügte er mit einem schiefen Grinsen hinzu. Unwillkürlich breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. Ich hätte mir nicht gedacht, dass ich dermaßen schnell von den Spielern akzeptiert werden würde, schließlich war ich die einzige Frau, die den Team-Offiziellen angehörte. Letztendlich ist Eishockey noch immer eine reine Männerdomäne. Naja, immerhin von einem Spieler wurde ich schnell akzeptiert.
"Also Connor, wie ist das mit deiner Adduktoren Verletzung genau passiert?", fuhr ich schließlich möglichst sachlich fort und versuchte meine Freude über seine Worte etwas zu dämpfen. Seufzend fuhr er sich durch die dunklen, sich wild lockenden Haare. „Beim Sprinttraining ist mir die Kufe vom rechten Hockeyschuh abgebrochen. Dann bin ich schon mit gegrätschten Beinen und stechendem Schmerz in der Leiste auf dem Eis gelegen." "Wie lange ist das her?", hakte ich weiter nach, während ich mir sorgfältig Notizen machte. Connor legte die Stirn in Falten als er angestrengt nachdachte. "Das war vor ungefähr 20 Tagen. Genau kann ich dir das leider nicht sagen." "Und wie bist du in der Zwischenzeit von Mr. Sanchez behandelt worden?" Sein gedämpftes Lachen ließ mich von meinen Notizen aufblicken. Verdutzt und mit schief gelegtem Kopf starrte ich ihn an. "Gar nicht. Ich hatte absolutes Trainingsverbot, da ich einen Muskeleinriss habe und nicht nur eine Adduktorenzerrung.", erklärte er schließlich. "Okay, gut zu wissen.", murmelte ich, während ich erneut Notizen in Connors Akte kritzelte.

"Dann können wir ja Anfangen!", rief ich schließlich ein wenig zu enthusiastisch, um meine aufkeimende Aufregung zu überspielen. Reiß dich zusammen, Liane! Das ist nicht anders als auf dem College! Du kannst das! "Du musst bitte die Trainingshose ausziehen.", merkte ich leicht verlegen an, als er es sich bereits auf der Massageliege bequem machen wollte. Connor schenkte mir ein neckendes Lächeln, ehe er sich von der kurzen Sporthose befreite und es sich schließlich mit T-Shirt und Boxer auf der Liege bequem machte. Innerlich zwang ich mich zur Ruhe. Ich hatte diese Behandlung unzählige Male auf dem College geübt. Dennoch spürte ich tief in meinem Magen die Nervosität, die nur darauf wartete, die Überhand zu gewinnen. Ich straffte die Schultern und atmete verstohlen tief durch. Ich lasse mich nicht aus der Fassung bringen! Ich bin professionell. Ich kann das!, rief ich mir mein Mantra in Erinnerung, als ich meine Hände ein wenig anwärmte. Gefasst und mit hoffentlich neutraler Miene stellte ich mich an seine rechte Seite und verlegte vorsichtig sein verletztes Bein in die richtige Position.
"Wo genau hast du schmerzen?", fragte ich nach, als ich damit begann, sanft die Innenseite seines Oberschenkels abzutasten. "Vom Knie aufwärts.", murmelte Connor mit einer wagen Geste in Richtung seiner Leiste. Leider half mir das überhaupt nicht weiter, weshalb ich nochmals nachhaken musste: "Wie weit hinauf? Bis zur Leiste, oder wirklich bis in den Genitalbereich?" Sobald ich das Wort Genital auch nur ausgesprochen hatte, prustete Connor lauthals los. Ja, er war mit 20 Jahren noch sehr jung und es war auch erst seine zweite Saison in der Profiliga, trotzdem konnte ich wenigstens erwarten, dass er sich nicht wie ein zwölfjähriger Junge benahm, oder?
"Sorry, bei dir klingt das nur so... extrem verklemmt.", japste er lachend. Und da ist sie dahin, meine Professionalität! Er versuchte es mit einem entschuldigenden Blick, der sicher gewirkt hätte, wenn seine Augen nicht so belustigt gefunkelt hätten.
"Ich versuche professionell zu sein.", verteidigte ich mich schließlich, wobei mir selbst klar wurde, wie verkrampft und schnippisch ich klang. Entspann dich, Liane! Er bedachte mich noch immer mit diesem unschuldigen Blick, der mich aus der Reserve locken sollte. Connor wollte, dass ich die professionelle Maske fallen ließ und mit ihm sprach, wie ich auch mit meinen Freunden sprach. Er hatte keinen Bock auf dieses distanzierte, übertrieben höfliche Verhalten. Egal ob ich arbeitete oder nicht. Mit diesem belustigten und doch auch herausfordernden Grinsen gab er mir das eindeutig zu verstehen. Innerlich rang ich mit mir. Sollte ich wirklich meine Professionalität fallen lassen, damit ich nicht so prüde wirkte? Oder sollte ich mich weiter seriös geben und mich damit weiterhin als verklemmte Spaßbremse abstempeln lassen?
"Okay, wie weit aufwärts tuts denn jetzt weh? Bis zur Leiste, oder doch bis zum Schwanz?", hakte ich schließlich mit einem spöttischen Grinsen und erhobener Augenbraue nach. "Jetzt verstehe ich dich endlich. Und ja es schmerzt bis in die Eier!" Sein lautes Lachen erfüllte klangvoll den Therapieraum. Ich konnte nicht anders, als in sein ansteckendes Lachen einzustimmen. Antonio hatte recht gehabt, als er mir riet, die Spieler nicht zu ernst zu nehmen.

"Also deine Behandlung wird so aussehen,", fuhr ich schließlich, mit der restlichen Professionalität die mir übriggeblieben war fort. Schließlich war ich trotz allem zum Arbeiten hier. "In den ersten paar Einheiten werde ich die Trigger-Points, also die Punkte, von denen die Schmerzen ausgehen, massieren. Danach können wir schrittweise mit Dehnungsübungen anfangen. Erst wenn das schmerzfrei möglich ist, können wir mit den ersten Übungen zur Stabilisation deiner Hüfte und deines Beckens beginnen. Auch das Gleichgewicht müssen wir in dieser Phase weiter trainieren. Wenn auch diese Übungen schmerzfrei möglich sind, können wir mit Kniebeugen, Ausfallschritten, oder Ähnlichem weitermachen. Erste wenn das alles ohne Schmerzen möglich ist, kannst du wieder am normalen Training teilnehmen." "Und wie lange wird es ungefähr dauern, bis ich wieder normal trainieren kann?" Entmutigt, durch meine strikten Anweisungen, ließ er den Kopf zurück auf die Liege sinken. "Naja, ein Monat wird es sicherlich dauern, aber einen genauen Termin kann ich dir nicht sagen." "Aber die Saison fängt doch schon in zwei Wochen an!", rief er entsetzt aus, und setzte sich ruckartig auf. "Ich weiß, dass das erste Spiel schon am 15. September ist. Da kannst du aber leider noch nicht mitspielen. Die Gefahr ist einfach zu groß, dass aus dem Muskeleinriss eine chronische Verletzung wird und dann bist du viel länger Außergefecht gesetzt als dir lieb ist." Mein Versuch Connor vernünftig zu zureden schien nicht wirklich zu glücken, da er weiterhin missmutig auf den Boden starrte. "Leg dein Bein wieder richtig hin, dann werde ich mein Bestes geben, dass wir dich schnellst möglich wieder fit bekommen" Ich schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, ehe ich mich wieder auf seine Verletzung konzentrierte.

"Und merk dir Connor, wenn du wieder auf dem Eis stehst, bevor ich es dir erlaube, werde ich es erfahren. Und dann wird dir mehr wehtun als nur deine Eier!", raunte ich ihm unheilvoll zu, als ich meine Bürotür hinter mir abschloss. Erschrocken riss er die dunkelbraunen Augen auf. Das sonst so verschmitzte funkelten war verschwunden und durch echte Besorgnis ersetzt worden. Täuschte ich mich, oder hatte ich ihn mit dieser Drohung wirklich eingeschüchtert. Und das obwohl ich ihm gerade so zur Schulter reichte und meiner Meinung nach, nicht unbedingt furchteinflößenden wirkte. Ein weiterer Blick in sein blasses Gesicht ließ mich lauthals los prusten. "Oh Gott, du hättest dein Gesicht sehen sollen.", japste ich atemlos. Als auch er meine Worte registrierte, stimmte er in mein Gelächter mit ein. "Du hast das so ernst gesagt, dass ich wirklich kurz Angst vor dir hatte." "Nur dass du weißt, es war auch mein Ernst. So lange ich nicht das okay gebe, wirst du nicht trainieren, verstanden?" Schlagartig war mein Tonfall wieder ernst, jedoch versuchte ich ihm diesmal keine Angst einzujagen. Connor richtete sich kerzengerade vor mir auf und salutierte spöttisch, gefolgt von einem gerufenen "Jawohl, Boss!" Grinsend verdrehte ich meine Augen, als ich mich von ihm abwand und die Treppe zu den Büros ansteuerte, da ich noch einige Sachen mit dem Personalleiter der Atlanta Alligators zu besprechen hatte.
"Ey Connor, so entspannt wie du aussiehst, hat sie dir aber gut die Eier gekrault." Die dunkle, herablassende Stimme ließ mich herumfahren. Remys eindringlicher Blick lag lauernd auf mir, während er seine Sporttasche lässig schulterte und die große Drehtür des UPC Centers ansteuerte. Das dunkle, nasse Haar hing ihm in die Augen, dennoch löste sein stechender Blick ein aufgeregtes Kribbeln in meiner Magengegend aus.
„Tja Graham, du bist doch nicht etwa neidisch?", grinste Connor in einem tadelnden Tonfall. „Glaub mir, Liane weiß einfach, wie sie ihre Hände einsetzen muss.", fügte er mit genüsslichem Grinsen und einem frechen Zwinkern in meine Richtung hinzu. Remys Mundwinkel hob sich träge, als er mich unverhohlen von oben bis unten musterte. "Ich hoffe, dass ich auch mal der Glückliche sein darf." Ich ignorierte das erwartungsvolle Prickeln auf meiner Haut, setzte eine gleichgültige Miene auf, nickte den beiden zu und verabschiedete mich mit einem betont höflichem "Auf Wiedersehen" ehe ich meinen Weg hocherhobenen Hauptes fortsetzte. Als ich fast schon vor Remys intensiven Blick flüchtete. Mein erhöhter Puls dröhnte mir lautstark in den Ohren, als ich um die nächste Ecke bog. Die Hitze breitete sich tief von meiner Mitte bis hin in meine Wangen aus. Verdammt! Wieso hatte Remy Graham diese verwirrende Wirkung auf mich?

CROSS CHECKED by love || MrsAllAustrianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt