Chapter 11

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Ich zögerte. Sollte ich das wirklich tun? Ich würde am liebsten jede Sekunde bei ihr sein, doch hatte ich Angst, dass ich mich wieder nicht im Griff haben und erneut eine Grenze überschreiten würde. Andererseits konnte ich ihr diesen Wunsch jetzt auch nicht abschlagen.
Lena hielt immer noch meine Hand mit ihrer fest und blickte nach wie vor bittend zu mir auf. Ich würde es nicht übers Herz bringen, einfach zu gehen und sie alleine zu lassen.

Also nickte ich und ließ mich wieder zurück aufs Bett gleiten, wo ich eine liegende Position einnahm. Lena kuschelte sich direkt zurück in meine Arme und ließ ihren Kopf erleichtert auf meiner Brust nieder. Sie atmete zufrieden aus, als ich meinen Arm hob und ihr sanft über den Rücken strich. Sofort breitete sich in mir wieder ein unfassbar schönes Gefühl aus und ich spürte die Schmetterlinge in meinen Bauch umherflattern. Ich hoffte, dass Lena nicht bemerkte, wie stark mein Herz gegen meine Brust klopfte, auf der sie gerade lag. Wahrscheinlich war dies aber schwer, nicht wahrzunehmen. Ich konnte mir gedanklich nur gegen die Stirn schlagen, da ich meine Gefühle mal wieder nicht kontrollieren konnte.

„Danke", flüsterte Lena und legte ihre Hand auf meinen Oberkörper, wodurch sie sich noch näher an mich drückte. Wie von selbst verstärkte sich mein Griff um sie. Obwohl das alles unbewusst geschah, genoss ich Lenas Nähe und das Gefühl, sie in meinen Armen zuhalten. Es war nicht richtig, vor allem nicht, weil sie nicht wegen irgendwelchen Gefühlen für mich hier lag, sondern wegen ihrer Trauer um Max und weil sie nicht alleine sein wollte. Aber es fühlte sich gut an und ich genoss es irgendwie.

„Leni, ich versteh, dass du jetzt nicht alleine sein willst und ich mach das gerne. Jetzt hör auf, dich zu bedanken und versuch zu schlafen. Ich bleib bei dir", erwiderte ich leise und konnte förmlich fühlen, wie sie lächelte.
Ich spürte, wie sich ihr Kopf von meinem Oberkörper hob und sich kurz darauf ihre Lippen zart auf meine Wange drückten, ehe sie ihren Kopf wieder auf meine Brust sinken ließ und sehr wahrscheinlich ihre Augen schloss.

Die Stelle an meiner Wange, auf der ihre Lippen nur Sekunden vorher noch gelegen hatten, brannte angenehm und ein verhaltenes Lächeln zierte meine Lippen.
Wann war es eigentlich so weit gekommen, dass ich mich in meine beste Freundin verliebt hatte und warum hatte ich es überhaupt so weit kommen lassen?
Lena hatte mir schon oft einen Kuss auf die Wange gedrückt und es war auch nicht neu, dass wir uns so nah waren, aber erst vor ein paar Monaten, hatte sich dabei tief in meinem Inneren etwas verändert.

Ich fühlte nicht mehr nur einfache Freude, wenn sie bei mir war. Ich fühlte unfassbares Glück, tiefes Vertrauen, Dankbarkeit, eine starke Anziehung und noch viel mehr. Zuerst war ich verwirrt, da ich diese neuen Gefühle nicht einordnen konnte und dann, als ich es langsam ahnte, versuchte ich es zu verdrängen.

Jedes Mal, wenn ihr Name auf dem Bildschirm meines Handys zusehen war, weil sie mir eine Nachricht geschrieben hatte, setzte meine Atmung für einen Moment aus. Jedes Mal, wenn wir uns trafen, war ich aufgeregter als vor einem Stadionkonzert. Jedes Mal, wenn sie mich zum Beispiel durch eine Umarmung berührte, klopfte mein Herz schneller. Und immer, wenn ich bei ihr war, war ich einfach glücklich.

Ich war Hals über Kopf in Lena verliebt, das war mir nun bewusst.
Und in diesem Moment, in dem sie so friedlich in meinem Arm lag, wurde mir klar, dass es sich nicht bloß um eine Phase handelt, wie früher in der Jugend, in der man jede Woche eine neue Schwärmerei hatte.
Ich empfand wahrhafte Liebe. Ich wollte an ihrer Seite sein, wenn sie glücklich war und wenn es ihr schlecht ging. Wollte ihr nah sein und mit ihr zusammen Abenteuer erleben. Ich wollte sie.

So schön sich diese Gedanken auch anfühlten, so weit waren sie auch von der Realität entfernt. Ich musste nun extrem vorsichtig sein. Musste meine Gefühle im Zaun halten, sonst würde ich die Freundschaft zu Lena wohl wirklich zerstören.

Lächelnd bemerkte ich, dass sie eingeschlafen sein musste, da Lenas Hand langsam von meinem Bauch rutschte und sich ihr Oberkörper von ihrer regelmäßigen Atmung langsam hob und wieder senkte.
Ich wäre zu gerne einfach liegen geblieben und mit ihr dicht an mich gekuschelt in ihrem Bett eingeschlafen. Mein Verstand nahm jedoch überhand und ich zog es vor,  die Nacht sicherheitshalber doch lieber alleine in meinem Bett zu verbringen. Es war besser so.

Langsam und vorsichtig löste ich ihren Griff von mir und zog mich unter ihrem Körper weg. Ich legte ihren Kopf sanft auf den Kissen ab und erhob mich aus dem Bett. Sofort rollte sie sich wie ein Embryo zusammen und wirkte in diesem riesigen Bett klein und verloren.
Ich griff nach der Decke, legte sie über ihren schmalen Körper und nahm noch einmal auf der Bettkante Platz.

Lena schlief tief und fest und wirkte dabei so friedlich wie schon lange nicht mehr. Meine Hand näherte sich ihrem Gesicht und ich strich ihr zart ihre Haare aus diesem. Ich erkannte ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht, woraus ich schloss, dass sie im Schlaf wohl an etwas schönes dachte.
Ich streichelte sanft über ihre Wange und beugte mich zu ihr runter, um ihr einen Kuss auf die Haare zu hauchen.
„Schlaf gut, Leni", flüsterte ich, ehe ich schließlich endgültig aufstand und mit leisen Schritten ihr Zimmer verließ.

An der Tür angekommen, drehte ich mich noch einmal um, um einen letzten Blick auf sie zu werfen. Nach wie vor hatte sie die Augen geschlossen und wirkte sorglos. Lächelnd zog ich geräuschlos die Tür hinter mir in Schloss und machte mich auf den Weg in mein Zimmer.

Dort angekommen, zog ich mich schnell um und lag wenige Minuten später selbst in meinem Bett. Meine Gedanken drifteten ab und ließen den Tag Revue passieren.
Heute gab es unglaublich viel für meine Kopf zu verarbeiten.
Zuerst die Aufzeichnungen für meinen Abend, wobei jede einzelne Performance so gut war und die ein oder andere mich sogar zu Tränen gerührt hatte. Dann das anschließende Gespräch mit Paddy und dann noch Lena.

Obwohl kein einziger Gedanken in meinem Kopf gerade still zustehen schien, war ich glücklich und fühlte mich unfassbar erleichtert. Ich hatte mir eingestanden, dass ich mich verliebt hatte und auch wenn daraus wohl niemals etwas werden würde, hatte ich nun Klarheit über meine Gefühle und es fühlte sich gut an, diese Verwirrung und Ungewissheit los zu sein.

Meine Gedanken landeten schließlich wieder bei Lena und es kam mir so vor, als könnte ich immer noch ihren Geruch wahrnehmen, ihre Lippen auf meiner Wange spüren und ihren Körper dicht an meinem fühlen.

Hoffentlich würde sie die Nacht über gut schlafen können und hoffentlich würde Max ihr nicht weiterhin Nachrichten schreiben. Er hatte geschworen, ihr zu zeigen, wie sehr er sie liebte. Ich wusste nicht, was er vor hatte und hoffte, dass Lena ihm mit ihrem Gespräch zuvor kommen würde, wenn wir alle wieder zurück in Deutschland waren.
Aber sie würde das schon schaffen. Lena war eine starke Frau und wenn sie weiß, was sie will, würde sie sich schon durchsetzen.

Meine Gedanken wurden immer schwammiger, bis ich meine Augen nicht mehr offen halten konnte und schließlich bei dem Gedanken an Lenas Lächeln ins Land der Träume eintauchte.

What a plot twist you were Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt