Chapter 13

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„Der heutige Star des Abends ist unsere bezaubernde Lena", eröffnete Sascha den Abend, woraufhin wir alle jubelnd applaudierten und Lena nur verlegen lächelte.
„Unser ESC-Wunder", pflichtete Alec ihm bei und ich beobachtete belustigt, wie Lenas Wangen einen immer stärkeren Rotton annahmen. Ihr war diese Situation sichtlich unangenehm.
Immerhin hatte sich ihre Aufregung wieder etwas gelegt. Heute Mittag war sie, ganz zu unserer Unterhaltung, unfassbar nervös und unruhig gewesen, was sich dadurch auszeichnete, dass sie keine zehn Minuten auf einem Platz sitzen bleiben konnte.

„Dann wollen wir es nicht noch länger rauszögern und direkt mit Musik anfangen", sagte Alec nun und ich spürte, wie die Aufregung nun auch in mir hochkam. Ich hatte wirklich sehr lang an der Version gefeilt und einerseits war ich froh, dass ich sie heute endlich präsentieren konnte, andererseits hatte ich aber auch Angst vor Lenas Reaktion. Es war nunmal ihr größter Hit, den ich komplett verändert hatte. Ich hätte nichts dagegen, wenn ich nicht den Anfang machen müsste und mich mental noch etwas vorbereiten konnte.

„Steff, du hast die Ehre, den ersten Song des Abends zu singen", sagte Sascha, was mich sofort erleichtert ausatmen ließ.
Steff offenbarte, welches Lied sie sich ausgesucht hatte, woraufhin Lena ein aufgeregtes Quietschen von sich gab.
Sie umarmte Steff noch einmal, ehe diese die kleine Bühne betrat und nach einem Mikrofon griff, ehe sie auch schon anfing zu singen. Mein Blick fiel auf Lena, die Steff lächelnd beobachtete und teilweise auch leise mitsang.

Während Steff da so stand, kam mir eine Idee. Ich wollte meinen Song so persönlich wie möglich für Lena gestalten und würde die Performance kurzfristig etwas ändern. Weiter konnte ich nicht darüber nachdenken, da Lena, während Steff die letzten Töne ausklingen ließ, aufsprang und in Richtung Bühne rannte. Sie fiel Steff in die Arme und ich konnte ein leises Schluchzen vernehmen. Es schien ihr sehr gefallen und sie berührt zu haben. Ich hoffte, dass ich genauso eine Reaktion bei Lena auslösen würde. Es würde bedeuten, dass ich alles richtig gemacht hatte, wie Steff es auch getan hatte. Ihre Version von Stardust war wirklich wunderschön gewesen. Nachdem Steff auch uns alle umarmt hatte und für ihre Version gefeiert wurde, nahmen wir wieder alle auf dem Sofa Platz.

„So, jetzt müssen wir trotzdem noch über deine Anfänge und deinen Durchbruch reden", fing Sascha an, „wie war das denn für dich, als du über Nacht so plötzlich berühmt wurdest?"
Ich konnte mich nicht auf Lenas Antwort konzentrieren, da ich genau wusste, worauf Sascha hinaus wollte. Meine Hände wurden schwitzig und meine Atmung wurde unregelmäßiger und schneller. Wieso war ich nur so unglaublich aufgeregt?
„Was glaubst du denn, wer sich für den Song entschieden hat, mit dem alles begann? Wer hat sich Sattelite ausgesucht?", fragte Alec nun und holte mich zurück in die Realität.

Lenas Blick ging neugierig durch die Runde. Es dauerte nicht lange, bis er letztendlich an mir hängen blieb.
„Mark?", fragte sie ungläubig. Als ich daraufhin lächelnd nickte, wurden ihre Augen groß und begannen schließlich zu strahlen. Sie schien sich zu freuen, weshalb sich zwar Erleichterung in mir ausbreitete, aber auch der Druck anstieg. Jetzt wollte ich sie auf keinen Fall enttäuschen.

Ich erhob mich und machte mich auf den Weg zur Bühne, wo ich nach einem Mikrofon griff, als mir meine Idee von vorhin wieder in den Sinn kam.
Also ging ich mit dem Mikrofon bewaffnet wieder zurück, was fragende Blicke der anderen zur Folge hatte.
„Kann ich das bei euch machen?", fragte ich und nickte auf das Sofa, auf dem Lena saß. Alec nickte, stand auf und ließ sich auf meinem Platz nieder.
Dankend setzte ich mich auf die Lehne des Sofas, auf dem jetzt nur noch Lena saß.

Diese hatte sich aufrecht gesetzt und blickte mir geduldig abwartend entgegen. An ihrem Gesichtsausdruck erkannte ich jedoch, dass sie immer noch sehr überrascht war und nicht mit meiner Songauswahl gerechnet hatte.
„Jetzt hören wir Satellite in der Version von Mark Forster", sagte Alec mich schließlich an.
Lena lächelte mich noch ein letztes Mal aufmunternd an, ehe ich die Augen schloss.

Die Band spielte die ersten Töne und meine Mundwinkel zogen sich unweigerlich ebenfalls nach oben. Als ich die ersten Worte sang, verflog meine Nervosität komplett. Meine Augen waren nach wie vor geschlossen und ich fühlte jedes einzelne Wort, das ich sang.
Zugegeben klang meine Version eher wie ein trauriges und hoffnungsloses Liebeslied. Erstaunt stellte ich fest, dass meine Gefühle wohl einen erheblichen Einfluss gehabt hatten, als ich Lenas Song umschrieb, sodass ich meine Gefühle  unbewusst durch diese Version ausdrückte.

Als ich die erste Strophe beendet hatte, nahm ich meinen Mut zusammen und öffnete langsam meine Augen. Ich erkannte, dass Lena ebenfalls die Augen geschlossen hatte und vor sich hin lächelte. Sie schien es zu genießen. Als ich den Refrain sang, flatterten ihre Lider und ihre Augen öffneten sich. Als ich bemerkte, dass Lena Tränen in den Augen hatte und die Hände vor dem Mund zusammen schlug, um ein Schluchzen zurück zuhalten, setzte mein Herz für eine Sekunde aus. Es schmerzte, da es mir jedes Mal einen Stich versetzte, wenn sie weinte, und verunsicherte mich zugleich.

Als sie aber dann doch die Hände sinken ließ und ein warmes Lächeln auf ihrem Gesicht sichtbar wurde, erfüllte sich mein Inneres wieder mit Wärme und verdrängte die Unsicherheit. Meine Augen wurden von ihren gefangen genommen und ich blendete die Umgebung vollkommen aus. Es gab nur noch Lena und mich.
Ich legte all meine Gefühle in den letzten Refrain und die letzte Strophe und sang mit voller Inbrunst. Ich sang nicht mehr nur vor Lena, sondern viel mehr für sie.
Erst als ich das letzte Wort gesungen hatte, konnte ich den Blickkontakt lösen und kam wieder in das Hier und Jetzt zurück.

Und erst in diesem Moment wurde mir bewusst, was ich getan hatte. Ich hatte Lena und der gesamten Gruppe an meinen Gefühlen Teil haben lassen. Jetzt konnte ich nur hoffen, dass es niemand biografisch interpretieren, sondern einfach als künstlerische Freiheit abstempeln würde.
Etwas peinlich berührt rutschte ich von der Lehne des Sofas in dessen hinterste Ecke und versuchte mich zu verstecken, indem ich meine Beine anzog und den Kopf in meinen Händen verbarg.

Ich hörte den Applaus und die Stimmen der anderen, war aber nicht in der Verfassung, mich aus meiner Haltung zu lösen. Erst, als ich spürte, wie sich zwei zarte Arme vorsichtig um meinen Körper legten, konnte ich mich wieder bewegen. Ich drehte mich leicht und sofort schmiegte sich Lena an mich. Meine Arme umschlossen sie und zogen sie wie von selbst fester an mich. Ihre Umarmungen taten mir so unglaublich gut. Ich hatte meinen Kopf in ihren Haaren vergraben und atmete ihren mir so vertrauten Duft ein.

„Das war richtig schön, Forsti", schniefte sie an meine Schulter. Ihre Worte ließen mich lächeln und machten mich glücklich.
„Danke, Leni", erwiderte ich erleichtert. Keiner von uns beiden lösten sich aus der Umarmung. Ganz im Gegenteil, drückte sich Lena immer näher an mich ran.
„Ich danke dir", flüsterte sie weiter und strich mich leicht über den Nacken bis zum Rücken, was eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper jagte.

Als wir uns schließlich langsam voneinander lösten, blickten wir in die grinsenden und ergriffenen Gesichter der anderen. Dem Anschein nach, hatte auch ihnen meine Version gefallen.
Lena setzte sich wieder aufrecht neben mir auf die Couch und wischte sich die letzten Tränen aus den Augen, während ich die anderen umarmte. Jeder sagte mir, wie toll er meine Version fand. Die Reaktionen, die ich geerntet hatte, übersteigen meine Erwartungen und ich war unglaublich froh, dass es allen gefiel.

Der einzige der wohl bemerkt hatte, worum es mir wirklich ging, war Paddy. Er trat mir mit einem verständnisvollen Blick entgegen und nahm mich lächelnd in den Arm. Ich fühlte mich von ihm verstanden und war ihm dankbar, dass er nichts sagte, was mich verraten würde, nachdem ich, so wie es wirkte, noch nicht aufgeflogen war.

Anschließend tauschte ich mit Alec meinen Platz zurück, der nun wieder die Rolle des Moderators übernahm und den nächsten Song ankündigte.
Mein Blick lag nach wie vor auf Lena. Sie lächelte immer noch leicht vor sich hin und als sie meinen Blick bemerkte und erwiderte, vergrößerte sich ihr Lächeln. Sie wirkte glücklich und die Tatsache, dass ich, beziehungsweise meine Musik, der Grund für ihr ehrliches und unbeschwertes Lächeln war, machte mich ebenfalls glücklich.

What a plot twist you were Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt