9. 221b Bakerstreet

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Die Fahrt verging ohne viel Gerede. Ich schloss entspannt die Augen und ließ mich überraschen an welchem Ort ich das nächste Mal den Boden betreten würde. Vielleicht hätte ich etwas beunruhigter sein sollen, ich meine, ich kenne diesen Mann nicht einmal wirklich und was man so gehört hat, soll er ein ganz schöner Soziopath sein. Aber irgend etwas an ihm lässt mich sicher fühlen, vertrauensvoll. Ich kann es nicht wirklich erklären. Der Wagen bog in einer scharfen Linkskurve von der Hauptstraße in eine kleinere Seitenstraße ein. Ich schlug die Augen wieder auf und betrachtete schweigend die vorbeiziehenden Häuserblocks und vereinzelt ein paar Bäume. Wie aus dem Nichts hielt der Taxifahrer an und Sherlock sprang aus dem Wagen. Ich musste mich beeilen, dass ich hinterher kam. Nicht, dass der Taxifahrer einfach weiterfährt. Ich schnappte mir meine Tasche und sprang auf der anderen Seite raus. Gerade rechtzeitig konnte ich noch zur Seite hechten, denn eine Sekunde später quietschen, da wo ich gerade noch stand, zwei schwarze Reifen. Man diese Großstädte. "Hey passt doch mal auf!", schrie ich dem schwarzen Mercedes hinterher. Ich wollte schon hinterher rennen, als mich eine Hand von Hinten am Arm packte und mich zurück auf den Bürgersteig zog. "Lestrade, alles in Ordnung?", fragte die Stimme hinter mir. Ich drehte mich abrupt um und befreite mich von Sherlocks Hand. "Ja, alles gut, danke.", antwortete ich und schaute ihm dabei direkt in seine türkisblauen Augen. Ich könnte schwören für eine Sekunde etwas Besorgnis in diesen Augen erkannt zu haben. Doch so schnell es möglicherweise gekommen war, so schnell war es auch schon wieder weg. Sein Gesicht hatte nun wieder einen unbeeindruckten, kalten Ausdruck angenommen. Er drehte sich auf dem Absatz um und ging mit großen Schritten auf eine schwarze Holztür zu, auf der in goldenen Lettern zu lessen war; 221b. Ich hatte bei der Aufregung glatt vergessen nach einem Straßennamen zu schauen. Ein paar Meter die Straße hinunter stand ein großes Schild mit der Aufschrift 'Bakerstreet'. Aha 221b Bakerstreet also. Zu spät bemerkte ich, dass sich die Tür hinter Sherlock bereits wieder geschlossen hatte. Anscheinend war er es gewohnt allein oder mit John, der meistens direkt hinter ihm war, unterwegs zu sein. Also musste ich wohl klingeln, doch soetwas wie eine Klingel konnte ich beim besten Willen nicht finden. Einzig und allein ein altmodischer Türklopfer befand sich kurz unterhalb der Hausnummer. Mir blieb somit nichts anderes übrig, als diesen zu betätigen. Ich hämmerte also wie verrückt mit dem goldenen Klopfer gegen die Tür, doch nichts regte sich. Hatte er wirklich schon vergessen, dass ich eigentlich jetzt in seiner Wohnung sitzen sollte? Verwirrt ließ ich mich auf die Stufen vor der Tür sinken, als ich plötzlich hinter mir leise Schritte zu hören glaubte. Wenige Sekunden später bestätigte sich meine Vermutung. Hinter mir wurde leise die Tür geöffnet. Ich zuckte zusammen und fuhr abrupt hoch. Vor mir stand eine kleinere, ältere Dame, die mich etwas irritiert anschaute. "Meine Liebe, haben Sie sich verirrt? Oder was suchen Sie hier vor meiner Haustür?", fragte sie mich freundlich. "Oh, ich bin eigentlich auf der Suche nach.." "Sherlock?", beendete sie meinen Satz. Ich nickte. "Nun kommen Sie doch herein. Sind Sie eine Klientin?" "So würde ich es vielleicht nicht bezeichnen. Er hat mich eingeladen. Und Sie müssen demnach die Haushälterin sein, nicht wahr?", antwortete ich auf ihre Frage. "Mrs Hudson, eigentlich nur ihre Vermieterin, aber ab und zu habe ich auch das Gefühl ihre Haushälterin zu sein." Sie lächelte mir zu und wies mir den Weg, eine Treppe hinauf, in den zweiten Stock. Ich bedankte mich bei ihr und schritt die Treppe hinauf. Oben angekommen stand ich vor der nächsten geschlossenen Tür. Sie war mintgrün. Diesmal beschloss ich nicht anzuklopf, also riss ich die Tür weit auf und betrat den Raum. Er war etwas alt eingerichtet, aber sehr stilvoll. Die Wand zierte ein gelber Smiley in dem man deutlich mehrere Einschusslöcher erkennen konnte. Ich musste unwillkürlich lächeln. Meine Vorliebe für Waffen konnte ich wohl nie ablegen. Gegenüber standen zwei Sessel vor einem Kamin. Im Rechten, einem alten Ledersessel, hockte mein Gastgeber. Die Knie bis an sein Kinn angezogen und ziemlich abwesend wirkend. Ich glaube er hat nicht mal meinen dramatischen Auftritt mitbekommen. Ich verdrehte stöhnend die Augen. 'Ich weiß ja nicht was ich von ihm halten soll. Auf der einen Seite ist er mir sehr sympathisch, aber auf der Anderen macht er mich jetzt schon völlig fertig. Und wir kennen uns ja noch nicht mal lange', überlegte ich. Grinsend lief ich auf Sherlock zu und trat ihm leicht mit meinem Fuß gegen sein Bein. Doch nichts regte sich. Wahrscheinlich befand er sich gerade in seinem Gedankenpalast. Eigentlich keine schlechte Idee, ich habe jetzt ein paar neue Informationen, die ich mal sortieren muss. Also beschloss ich, mich ihm gegenüber in den Sessel sinken zu lassen und mich in meinen eigenen Gedankenpalast zu begeben. Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist. Ich verliere hier immer völlig mein Zeitgefühl.

Zufrieden und entspannt öffnete ich wieder meine Augen, doch zogen sich diese gleich wieder zusammen. Ich musste blinzeln. 'Man diese Sonne'. Sie stand tief über den Häusern und würde in wenigen Minuten hinter diesen verschwunden sein. Ich streckte meine Beine nach vorn und meine Arme gen Decke. In meinem Rücken hörte ich es nur tierisch knacken und schon konnte ich mich besser bewegen. Hinter mir, wohl aus der Küche, hörte ich ein leises Klirren. Ich drehte mich um und erblickte meinen sehr zuvorkommenden Gastgeber, welcher gerade ein Auge zwischen zwei Metallstäbe festklemmte. 'Ein wirklich interessanter Mensch', dachte ich mir erneut. Auf einmal fing etwas in meiner Nase furchtbar an zu kitzeln und gleich darauf bekam ich einen Niesanfall der ganz besonderen Art. Darauf folgte ein leises 'Plopp' und ich konnte mir fast denken, was gerade in den Tee gefallen war. Meine Vermutung wurde gleich darauf bestätigt, als ich einen Bilck in Sherlocks Tasse erhaschte, in der ein Auge schwamm, als wäre es das normalste der Welt. Ich machte mir ebenfalls noch schnell einen Tee und setzte mich damit wieder in der Sessel. Währenddessen war es draußen zunehmend dunkler geworden und es bahnte sich langsam ein Gewitter an. Eigentlich eine echt schöne Stimmung, ich mag Gewitter irgendwie. Ich schloss kurz die Augen und als ich sie wieder öffnete saß Sherlock mir direkt gegenüber. Wir schwiegen und eine Zeit lang an, bis ich die Stille unterbrach. "Also nochmal von Vorn, ich glaube das ist alles etwas untergegangen. Mein Name ist Leta Lestrade, 21 Jahre alt und komme aus einem Vorort Londons." Ich streckte ihm die Hand hin. Nach einem kurzen Zögern ergriff er sie. "Sherlock Holmes. Hochfunktionaler Soziopath."

Leta Lestrade (Sherlock BBC) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt