Kapitel 3

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Arnold stieg von seinem Rad, während Johannes es schnaufend von der Schulter nahm. Vor ihnen baute sich erneut das Haus der Bahlsens auf.

„Willst du noch reinkommen? Einen trinken auf den Schreck". Arnold grinste Johannes an. „Alter, das glaubt uns ja niemand. Wir sind schon richtige Glückspilze."
Johannes musste laut auflachen. „Wirklich. Du hast Recht. Müssen die zwei auch gerade poppen, wenn wir zum Badeteich fahren." Sie klatschten High-Five ab.

„Ja klar, ich komme noch mit rein." Johannes trug sein beschädigtes Rad in den Innenhof. Seine Schulter schmerzte etwas. Normalerweise waren sie in zehn Minuten beim Badeteich, mit dem beschädigten Rad hatten sie aber vierzig Minuten für den Heimweg benötigt.

Der Innenhof war leer – nur die Scheibtruhe lag noch immer umgedreht herum. „Vielleicht hole ich gleich den Lötkolben, deine Mama wartet sicher schon darauf, dass ..."

„Vergiss den Mal für einen Moment. Martina wird schon noch eine Weile ohne sie auskommen." Johannes fiel wieder auf, dass Arnold seine Mutter immer mit Vornamen ansprach. Eine Eigenart, die er schon viele Jahre hatte.

Sie ließen die Fahrräder im Hof stehen und gingen die Treppe hoch. Johannes drehte sich oben auf der Terrasse noch einmal um und besah sich den Garten. Arnolds Mutter hielt den Garten wirklich gut in Schuss.

„Mach die Tür zu, sobald du herein gekommen bist. Die Affenhitze soll ja draußen bleiben." Johannes tat wie geheißen und trat ins Hausinnere. Der Klassenunterschied zu seinem eigenen Haus war deutlich sichtbar: Das Mahagoniholz der Möbel war an einigen Stellen schon abgeschlagen und der Laminatboden schien praktisch nur aus Kratzern zu bestehen. Dennoch war er gerne zu Besuch bei seinem Freund, denn obwohl es einfache Leute waren, hatten sie ihr Herz am rechten Fleck.

Er folgte seinem Freund die Treppe in das Obergeschoss. Das Zimmer von Arnold lag in der hinteren Ecke, neben dem Abstellraum. Auf der anderen Seite war die Wäschekammer. „Die Wäsche muss ich auch noch machen", seufzte Arnold, als er in die Wäschekammer sah.

Die beiden setzten sich in seinem Zimmer nieder. Johannes auf den Schreibtischsessel und Arnold in sein Bett – für viel mehr außer einem Schreibtisch und einem Schrank war in dem Zimmer kein Platz mehr.

„Das nächste Mal nehme ich eine Kamera mit". Wehmütig dachte Johannes an das voyeristische Ereignis zurück.

„Denkst du wirklich, dass ich nicht daran gedacht habe?". Arnold sah seinen Freund triumphierend an. „Ich bin doch noch mal zu unserem Platz zurückgelaufen. Und was denkst du, habe ich geholt?".

Johannes musste nun grinsen. „Du hast doch nicht ..."

„Doch habe ich." Triumphierend zog Arnold sein Handy aus der Hosentasche. „Ich habe ihr Fest der Liebe auf dem Handy festgehalten. Sozusagen für die Nachwelt archiviert."

Johannes Augen wurden groß. „Geil, das stellen wir auf Youporn. Was denkst du, wieviel können wir damit verdienen?"

Arnold ging zu seinem Schreibtisch und holte aus einer Lade zwei Gläser. „Ich hole mal schnell den Whiskey. Darauf gehört richtig angestoßen." Er lief die Treppe hinunter.

Johannes musste wieder grinsen: So einen durchgeknallten Freund hatte wohl nicht jeder. Aber das war ja das Besondere an ihrer Freundschaft: So erlebten sie die abgefahrensten Abenteuer.

„So, gleich rollen die Viewer-Zahlen." Arnold war zurück und stellte die Gläser mit einem Knall auf den Schreibtisch.
„Hey, richtig stilecht", musste Johannes mit einem anerkennenden Nicken zugestehen.

„Die Whisekygläser habe ich von meinem Vater mitgehen lassen. Der braucht sie nicht mehr, hat eh zu viel Kohle." Sein Vater war der Inhaber einer Möbelfirma, die internationale Zweigstellen besaß. Seinen Sohn sah er nur alle paar Monate, wenn er beruflich wieder in Österreich tätig war. „Dem fällt es nicht einmal auf. Als ich vor zwei Monaten das letzte Mal in seiner Wohnung war, hatte er den Eichentisch aus dem Wohnzimmer entfernt. Wahrscheinlich bekommt er wieder einen neuen, was weiß ich ..."

„Dann schenk mal ordentlich ein", wechselte Johannes schnell das Thema.

Sein Freund kam der Aufforderung nach und sie besahen sich die goldene Flüssigkeit im Glas. „Der war mindestens 5 Jahre in einem Holzfass, stand jedenfalls auf dem Etikett der Flasche."

Johannes besah sich die Flüssigkeit ehrfürchtig. „Jedenfalls ist es etwas ganz Besonderes. Auf unsere Freundschaft." Arnold prostete ihm zu und sie tranken einen Schluck.

Johannes setzte sich auf das Bett, während Arnold seinen Laptop aus der Ecke des Raumes holte, aus der Tasche holte und einschaltete. „Das Video wird der Renner, glaube mir." Nachdem der Laptop hochgefahren war, verband er sein Handy damit und übertrug das Video auf seinen Rechner.

Nach vier Minuten leuchtete ein Menüfenster auf. „Das ging ja schnell. Und jetzt auf zu Youporn damit." Er öffnete die Pornoseite und erstellte einen Account. Als er auf „Video hochladen" ging, stieß er einen Fluch aus. „Was, das dauert 40 Minuten? Glaube ich ja nicht."

Er nahm einen weiteren Schluck und drehte seinen Drehsessel zu Johannes. Ein Knurren ertönte. „Wenn du Hunger hast, mache ich uns eine Pizza."

Johannes nickte dankbar. „Das wäre toll."

Arnold verließ das Zimmer um Pizzen in das Rohr zu legen. Johannes sah dem Ladebalken gelangweilt zu. Warum nur musste es solange dauern?

Ein Piepsen ertönte. Schließlich wieder. Ihm wurde klar, dass es von der Waschmaschine kommen musste. Aber Johannes hatte doch gesagt, dass er sie noch machen musste? Er ging ins Badezimmer und schaltete die Maschine aus. „Danke, dass du mir zur Hand gehen willst."

Ein Schauer fuhr über Johannes Haut. Er drehte sich um und sah Frau Bahlsen im Türrahmen stehen. Sie lächelte ihn an und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. In der Hüfte hielt sie einen Wäschekorb.

„Arnold ist gerade in der Küche und ich habe das Piepsen gehört ...", stammelte Joahnnes.
„Danke, das ist sehr aufmerksam von dir." Das Badezimmer war sehr eng, daher schob sie sich mit dem Korb an ihm vorbei. Dieses Mal berührte seine Hand ihre Hüfte. „Da will wohl jemand spielen", zwinkerte sie ihm zu, als sie es spürte. „Aber da bin ich wohl etwas zu alt für dich, nicht?".

Die Röte schoss Johannes ins Gesicht. Währenddessen beugte sie sich schon zur Luke, öffnete sie und entnahm ihr die Wäsche. Johannes konnte den Blick nicht von ihr wenden.

Schließlich richtete sie sich wieder auf. Sie bemerkte, dass er sie noch immer anstarrte und sah ihn verunsichert an. „Ist etwas nicht in Ordnung?" Ist dir nicht gut?".

Seine Stimme klang fest. „Danke, mir geht es gut. Ich habe nur schon lange nicht mehr so eine attraktive Frau gesehen."
Er kam auf sie zu – ihre Augen weiteten sich, als sie begriff, was er vorhatte. „Was machst du?", zischte sie ihn an und stieß ihn von sich. „Ich bin doch viel älter als du."

Der kurze Augenblick der Selbstsicherheit Johannes war wie ein Kartenhaus in sich wieder zusammengebrochen. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht ...", stammelte er und verließ fluchtartig das Badezimmer.

MüttersommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt