Prolog

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Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit, die ich bei der Hafenmafia verbracht habe. Ich hatte eine Aufgabe zu erledigen und mir niemals vorstellen können, mit was für außergewöhnlichen und faszinierenden Persönlichkeiten ich dort zusammenarbeiten würde.

Von mir wird gesagt, ich sei verlässlich und erfülle meine Aufgaben immer gewissenhaft. Im Namen des Rechts. Zum Schutz der Menschen.

Ich habe eine lange Zeit diesen Worten geglaubt. Glauben wollen. Dass ich das Richtige tue, auch wenn ich niemandem davon erzählen kann. Auch wenn ich die Menschen, denen ich auf meinem Weg begegne und die mir vertrauen, belügen muss. Ich durfte eines niemals vergessen: Alles dient einem höherem Zweck. Dafür muss der Kopf immer klar sein. Alle Leute um mich herum seien nichts weiter als ... Ja, was genau eigentlich ...? Meine Übergangskollegen, bis meine wahre Aufgabe erfüllt ist ...?

Nein, seit jenem Vorfall weiß ich, dass dem nicht so war ... Ich hatte, ohne es zu wollen, an jenem Ort zwei Freunde gefunden. Wir drei hätten unterschiedlicher nicht sein können, aber wir verstanden uns ohne viele Worte. In ihrer Gegenwart konnte ich meine Maske dann und wann ein bisschen herunter lassen und fühlen, wie sich meine Schultern lockerten.

Nun stelle ich mir jeden Tag die Frage, ob das Schicksal nicht einen anderen Weg hätte einschlagen können ... Hätte ich damals etwas anderes gesagt oder anders gehandelt - vielleicht wäre es dann nicht so weit gekommen ... Vielleicht wäre unsere Freundschaft nicht wie ein schönes Kristallglas, aus denen wir unsere Whiskeys zu trinken pflegten, zerbrochen. Vielleicht hättet ihr beide mir verzeihen können, wenn ich euch gestanden hätte, was meine wirklichen Absichten sind.

Vielleicht würdest du heute noch leben, Oda.

Und du ohne jeden Zynismus mit mir sprechen, Dazai.

Jene Tage fühlen sich so weit entfernt an und doch erscheint mir unsere Geschichte von damals so oft vor den Augen, wie ein lebendig gewordener Geist. Seit unserem letzten Treffen, nein, vielleicht schon die ganze Zeit davor, drehen sich meine Gedanken um euch. Ich versuche alles zu vergessen, aber gleichzeitig gehe ich alles, was wir miteinander erlebt haben durch, immer und immer wieder. Ich komme nicht weiter.

Und du, Dazai?

Waren wir nicht auf der Suche nach etwas? Sind wir nicht kopflos diesem Etwas hinterhergelaufen, wie wilde, ausgehungerte Hunde nach einem Knochen?

Wir waren jung, Dazai ...

Kinder, die Kinder erziehen ...

Kinder, die mit Waffen spielen ...

Kinder, die keinen Gedanken an „Morgen" verschwenden ...

Ja, Oda war der einzige, der eine Vorstellung für sich von seiner Zukunft hatte.

Aber was haben wir anderen uns nur alle bloß gedacht ...?

Ich weiß nicht, warum ich dies jetzt alles zu Papier bringe, aber ich habe das Gefühl, dass, wenn ich die Ereignisse, die an jenem Tag, einige Tage bevor das Unglück seinen Lauf nahm, niederschreibe, ich endlich einige Dinge besser verstehen werde ...

Ich irre immer noch durch die Straßen dieser Stadt.

Was ist mir dir, Dazai? Fragst du dich nicht manchmal, was mit den anderen ist, mit denen du in jener Zeit bei der Mafia zusammengearbeitet hast? Den beiden?

Ha, ich kann mir vorstellen, was du jetzt für ein Gesicht machen würdest. Schau nicht so, du weißt ganz genau, wen ich meine!

Hmpf ... Du würdest sicher sagen, es interessiere dich nicht ...

Aber ich werde dir trotzdem ein bisschen erzählen ...

Von ihnen ...

Von damals ...

Und all unseren streunenden Herzen ...

Streunende HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt