Buraiha

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Die ersten Laternen an den belebten Einkaufsstraßen der Stadt beginnen aufzuleuchten. Langsam ziehen die pflaumenfarbigen Wolken der Nacht über das sinkende, warme Farbenspiel aus Rosa- und Orangetönen des Tages. Die Luft ist angenehm mild. In einer kleinen dunklen Gasse, etwas abgeschieden vom Trubel, flackert hell ein leicht herunterkommenes Schild. Der obere Teil ist schwarz-weiß. Es zeigt einen feinen Mann mit Zylinder, der über seine rechte Schulter zurückzuschauen scheint. In der Hand, die in einem weißen Handschuh steckt, hält er einen Gehstock. Über dem rechten Auge trägt er ein Monokel. Das Auge ist geschlossen. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Zwinkern, doch beim näheren Hinsehen scheint es eigentlich gar nicht vorhanden zu sein. Wie ausgestochen. Unter ihm steht auf tomatenrotem Grund in weißen Buchstaben „Lupin". Darunter befindet sich die schwere, schwarze Eingangstür. Umrandet von einer grauen Verschnörkelung, deren Farbe teils abgeblättert ist, sind die brüchigen Holzbuchstaben L U P I N angenagelt.

Öffnet man diese, führt eine spärlich beleuchtete Treppe in das Innere hinab. Die Wände waren wohl mal weiß, aber der Zahn der Zeit hat sie ergrauen lassen. Wenn sie sprechen könnten, hätten sie sicher viel zu erzählen ... Diese Bar ist der einzige Ort, an dem man sich um nichts und niemanden Gedanken machen muss. Wo man einfach nur man selbst sein kann. Ein bisschen frei sein darf. Bei ein oder zwei Gläschen. Wenn auch nur für ein paar Augenblicke.

Zwei Männer steigen die schmale Treppe in das Herz der Bar herunter. Es sind Oda Sakunosuke und Sakaguchi Ango. Kaum betreten sie den engen Raum, werden sie von dem jungen Mann, der als einziger am Tresen sitzt, mit einem breiten Lächeln begrüßt. Sein Name ist Dazai Osamu. „Oh, da seid ihr beiden ja schon! Oda, Ango!"

„Dazai, du bist schon fertig mit der Arbeit?", fragt Ango überrascht und rückt sich seine Brille auf der Nase zurecht.

„Das könnte ich dich zurückfragen! Dich hier um diese Uhrzeit schon anzutreffen! Du bist doch sonst immer so beschäftigt."

„Ja, das stimmt schon, aber ich hatte einen Termin hier in der Gegend und dachte, ich komme kurz vorbei. Ich muss später aber noch zu Hause was fertig machen. Allerdings bist in letzter Zeit doch eher du es, der immer erst später kommt ..." Ango seufzt und setzt sich auf den Barhocker links von Dazai. Seine braune Tasche stellt er neben sich auf den freien Platz. „Das gleiche wie immer, bitte", wendet er sich dann an den Barkeeper, der gerade dabei ist, ein Glas penibel abzutrocknen. Dieser nickt.

„Aaah, jaaaa ... Ich hab echt viel zu tun ... Um ehrlich zu sein, mache ich gerade auch nur eine kleine Pause ... " Dazai verzieht übetrieben das Gesicht und rührt in seinem Getränk.

Oda hat sich rechts von Dazai niedergelassen und gibt dem Barkeeper seine Bestellung auf. Trocken wendet er sich an Dazai: „Und da hast du beschlossen, dich erst einmal zu betrinken?"

„Das ist für mich heute echt das einzige Highlight ... Wahrscheinlich für die ganze Woche!", antwortet dieser und nimmt einen großen Schluck. „Bis gerade musste ich mich mit dem Training von meinem neuen Untergeordneten herumschlagen und heute Nacht muss ich noch mit Chuya einen Auftrag erledigen. Maaann, gib mir doch jemand mal eine Pause!"

„Dann ist das ja heute ein langer Tag für dich. Aber mit Chuya hast du doch immer recht viel Spaß auf den Missionen ..."

„Spaß mit Chuya?! Odasaku, wie kannst du so etwas sagen?! Du siehst das ganz falsch! Der Kleine ist die ganze Zeit gereizt und steht immer kurz vor einer Explosion! Meine armen Nerven!"

„Bist du nicht ein wenig zu theatralisch?" Ango zieht eine Augenbraue hoch.

„Ganz bestimmt nicht! Ihr müsstet mal mit dem zusammenarbeiten! Das ist nicht zu aushalten!" Dazai rauft sich die Haare und atmet dann tief aus. „Aaah, was auch immer ... worauf trinken wir heute?"

Streunende HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt