Soukoku

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Das milchige Licht des Mondes fällt sanft durch den Spalt zwischen den rabenschwarzen Vorhängen ins Zimmer. Dazais Lider öffnen sich langsam. Noch leicht benommen, starren seine Augen auf den großen gelben Mond, der sich wie extra für ihn zum Gruß, direkt vor seinem Fenster zeigt. Dazai blinzelt ein paar Mal und stützt sich dann mit dem rechten Ellenbogen auf. Sein Kopf tut etwas weh. Er lässt den Blick nach links und rechts schweifen.

Ah, ich bin in meiner Wohnung ...

Neben seinem Futon liegt ordentlich aufgefaltet sein Mantel.

Odasaku ...

Die Erinnerung an den Abend kehrt zu ihm zurück. Das Lupin und Oda und Ango. Die zahllosen Whiskeys. Die albernen, sinnlosen Gespräche. Angos empörtes Gesicht. Odas weiches Lächeln.

Er selbst, wie er vom Stuhl fällt. Gott, wie peinlich ...

Oda hatte ihn dann nach Hause gebracht. Wie so oft. Der Weg entlang der beleuchteten Straßen, den hell erleuchteten Schaufenstern der Geschäfte, vorbei an ein paar ebenfalls betrunkenen Firmenangestellten in schwarzen Anzügen. Dazais Augen waren geschlossen gewesen, aber sein Unterbewusstsein hatte all das aufgenommen. Odas breiter Rücken und starke Schultern. Seine Wärme. Der feste, angenehme Griff unter seinen Knien. Oda, der leicht nach Zigarette und mildem Aftershave riecht.

Dafür lohnt es sich doch einfach jedes Mal zu viel zu trinken.

Sie hatten sich noch ein wenig unterhalten, bevor er eingeschlafen war. Wann war Oda wohl gegangen? Und wie spät war es jetzt? Dazai schlägt die Decke zurück und zieht eine Grimasse über die plötzliche Kälte an seinen Beinen. Er tastet den Mantel nach seinem Handy ab. Als er das schwarze Gerät findet und öffnet, strahlt ihm wie alarmierend die Uhrzeit entgegen. Es ist nach zwölf Uhr Mitternacht. Ups ... Schon so spät ...

Er seufzt und steht langsam auf. Sein Kopf und seine Augenlider fühlen sich schwer an. Mit schlurfenden Schritten begibt er sich durch das Halbdunkel zur Küchenspüle, in der neben ein paar leeren Krebsdosen auch zwei Gläser stehen. Eins ist ein Sake-, das andere ein Whiskeyglas. Er nimmt das Whiskeyglas, dreht den Hahn auf und spült es kurz aus. Dann lässt er es mit kaltem Wasser volllaufen und trinkt es mit einem Zug aus.

Ah, das gut tut.

Er gießt sich noch ein Glas ein und dreht den Hahn wieder zu. Er nimmt noch ein paar Schlucke, bevor er das Glas zurück in die Spüle stellt und zum Futon geht, um den Mantel aufzuheben. Mit einer eleganten Bewegung legt er sich diesen über die Schultern. Als er seine fein nebeneinander stehenden schwarzen Lederschuhe sieht, huscht ein kleines, sanftmütiges Lächeln über sein Gesicht. Odasaku hatte ihm die Schuhe ausgezogen und dort hingestellt.

Wenn Dazai in die Wohnung kommt, lässt er sie immer so daliegen, wie sie grade in Position geraten. Seine Methode vom Schuhe ausziehen besteht darin, einfach mit dem einen Vorderfuß die Hacken des anderen zu stabilisieren und dann den Fuß herauszuziehen. Beim Anziehen der Schuhe verfährt er ähnlich - da ihm das Schuhebinden zu mühevoll ist, presst er seine Füße normalerweise einfach in die gebundenen Schuhe hinein. Für Schuhliebhaber von teuren Lederschuhen, wie Dazai sie trägt, ein Fauxpas. Dieses Mal macht er sich aber die Mühe, die Schnürbänder aufzumachen und anständig seine Schuhe anzuziehen. Dann verlässt er die Wohnung.

Das Mondlicht spiegelt sich deutlich in den sanften Meereswellen in der Hafenbucht. Es weht ein lauer Wind. Auf der einen Seite erstrahlen aus der Dunkelheit in fröhlichen Farben die bekannten Gebäude in Minato Mirai. Das Dock für kleine Schiffsrundreisen in der Bucht und direkt dahinter die rote Backsteinhausreihe, das Akarenga. Mit dem hohen Landmarktower und dem Queens Square auf der linken, und dem InterContinental Yokohama Grand und dem Yokohama Bay Palace auf der rechten Seite, scheint in lavendelfarbenem Licht stolz und wunderschön das Cosmo Clock 21 Riesenrad aus ihrer Mitte heraus.

Streunende HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt