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Der nächste Schultag kam wirklich schnell. Ich wurde von meinem etwas zu lauten Wecker aus dem Schlaf gerissen und setzte mich schlaftrunken auf. Müde erhob ich mich und machte mich fertig. Meine Stimmung änderte sich gefühlt jede Minute. Ich freute mich auf Yoongi, hatte aber gleichzeitig Angst vor meinen Mitschülern.
Seit dem Outing hatte sich einiges verändert und die nervigen Anhängsel, die mir vorher die ganze Zeit hinterherlaufen waren, wären mir doch lieber als irgendwelche homophoben Arschlöcher.
Seufzend machte ich mich samt Schultasche auf den Weg zur Bushaltestelle. Dort angekommen, setzte ich mich auf die kleine Bank und holte mein Handy, um die Zeit zu vertreiben. Ich sah, dass ich fünf neue Nachrichten bekommen hatte. Auf meinem Bildschirm stand außerdem noch: Unbekannte Nummer.
Ich biss mir nervös auf die Lippe und ahnte bereits, was mich jetzt erwarten würde.
Langsam öffnete ich den Chat und laß mir die Wörter durch.

Hey Schwuchtel

Die erste Nachricht ließ mich kurz stocken. Sie war die Bestätigung auf das, wovon ich ausgegangen war.

Bist du jetzt mit diesem Jungkook zusammen oder was?

Ich schluckte.

Du bist abartig

Freu dich schonmal auf die Pause, da wirst du richtig zusammengeschlagen ;)
Und dein Freund gleich mit

Tränen stiegen in mir auf und ich versuchte, ruhig zu atmen. War ja klar, dass das kommen musste... Mittlerweile waren meine Wangen nass und ich wischte mir übers Gesicht. Zum Glück stand noch niemand mit mir an der Bushaltestelle.

Mit zitternden Finger tippte ich eine Antwort.

Du
Wer bist Du? Jungkook ist nicht mein fester Freund, wir sind nur befreundet.
Bitte lass mich in Ruhe

Ich versuchte gar nicht erst, meine Sexualität zu verleugnen. Das würde alles nur noch schlimmer machen. Warum konnten nicht einfach alle Sexualitäten akzeptiert werden?
Ich unterdrückte ein Schluchzen.
Dann verstaute ich mein Handy wieder in meiner Tasche und blieb stumm sitzen. Inzwischen standen zwei Leute aus meiner Schule ebenfalls an der Bushaltestelle, beide waren jedoch in ihre Handys vertieft und ignorieren mich. In fünf Minuten sollte der Bus da sein.
Plötzlich tauchten zwei Gestalten auf, die direkt auf mich zukamen. Ich hatte die beiden Gesichter schon ein paar Mal auf den Gängen unserer Schule gesehen, doch noch nie etwas mit ihnen zu tun gehabt. "Na, wen haben wir denn da?", fing der Größere der beiden Jungen an zu reden. Ich starrte wieder mal ins Nichts. "Hey, du hast uns anzuschauen"
Ich drehte meinen Blick langsam und senkte meinen Kopf ängstlich. Die beiden kamen näher auf mich zu und der Kleinere riss meinen Kopf nach hinten, sodass ich ihn ansehen musste. Daraufhin verpasste mir der Größere einen Schlag ins Gesicht. Ich zuckte zusammen und kniff meine Augen zusammen.
In dem Moment kam der Bus und beide ließen von mir ab. Ich hielt mir die Wange, griff nach meiner Tasche und stolperte zur Tür des Fahrzeugs.
Völlig fertig ließ ich mich auf einen Sitz fallen und versuchte, die aufkommende Heulattacke zu unterdrücken.
Was habe ich falsch gemacht?
Das war alles, was ich mich fragte.
Was hatte ich getan, um so etwas zu verdienen?

In den Gängen des Schulgebäudes liefen einige Schüler und Schülerinnen herum, auf dem Weg zu ihrem jeweiligen Klassenraum. Ich selbst lief geradewegs zu den Toiletten, um mein Gesicht zu begutachten. Ich versicherte mich, dass ich alleine war und stellte mich vor den Spiegel. An meiner rechten Wange war ein roter Fleck zu erkennen. Deprimiert rieb ich mir mit einer Hand über die Stelle, was natürlich nichts brachte. Make Up hatte ich auch nicht dabei. Toll..
Genervt verließ ich die Toiletten und machte mich auf den Weg zu meinem Klassenzimmer. Dort war zum Glück bereits ein Lehrer. Und auch Min Yoongi befand sich schon an seinem Platz. Allein der Anblick des Referendars ließ mein Herz höher schlagen. Da erinnerte ich mich, dass ich lieber an meinen Platz gehen sollte, bevor einer meiner Mitschüler Verdacht schöpfte. Nun bemerkte auch Yoongi mich. Er lächelte- bis er meine rechte Wange sah. Seine Miene veränderte sich zu einem verwirrten, misstrauischen Gesichtsausdruck.
Ich wandte mich leicht beschämt ab und ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Ich spürte Yoongis Blick auf mir, obwohl ich mich leicht zur Seite gedreht hatte. Ich wünschte mir, Jungkook wäre jetzt neben mir gesessen, doch der war mal wieder noch nicht da. Wahrscheinlich wieder bei Tae...Extra langsam räumte ich meine Schulsachen auf den Tisch und fing an, irgendwas auf einen Block zu kitzeln, um SEINEM Blick zu entgehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, oder auch vier Minuten, stand Kookie in der Tür und ging entschuldigend lächelnd auf mich zu.
Er setzte sich und richtete auch sein Zeug her. Dann drehte er sich zu mir und sein Lächeln verschwand ebenfalls, wie bei Mr. Min.
"Was hast du gemacht, Hobi?"
Erschrocken betrachtete der Jüngere meine rote Wange.
Ich winkte nur ab. "Ist nichts schlimmes, wirklich"
Mein Gegenüber schüttelte den Kopf. "Hör auf, Hoseok. Wer war das?"
Ich schluckte. "Ist schon gut Kookie. Es ist oka-", fing ich an, doch wurde unterbrochen.
"Nein, verdammt! Hoseok, es ist nicht okay! Ich will jetzt wissen wer das war!"
Ich zuckte kurz zusammen, erschrocken von den harschen Worten meines Freundes. "I-ich weiß n-nicht, wie die Typen heißen", gab ich dann leise zu.
Jungkook seufzte. "Okay, dann zeigst du sie mir in der Pause. Tut es noch weh?" Beim letzten Satz zeigte der Dunkelhaarige auf meine Wange und ich schüttelte den Kopf. "Nicht mehr so schlimm." Kooki nickte und lächelte mich vorsichtig an, als auch schon unser Unterricht begann.
Da fiel mir auf, dass ich heute wieder Nachhilfe hatte. Ein unruhiges Gefühl machte sich in mir breit, da ich wusste, dass Yoongi mich auf die rote Stelle in meinem Gesicht ansprechen würde. Doch noch mehr Sorgen machte ich mir um die bevorstehende Pause. Ich musste auf jeden Fall auf Kookie aufpassen, ich wollte nicht, dass ihm etwas passiert. Und schon gar nicht wegen mir...

Boy With Luv || Sope Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt