Kapitel 10

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Während die erste Geige ihre Triller spielte, wurde der Hintergrund von einem Cembalo gemalt. Die Triller wurden von langen, tiefen Tönen abgelöst, webten sich in ein Netz der Musik. Musik, die Venus die Zeit vergessen ließ. Giuseppe Tartinis Violin-Sonate in g-Moll war schon immer eines ihrer Lieblingsstücke gewesen. Wie gerne sie doch dazu tanzen würde.

Doch sie musste sich konzentrieren. Sie durfte sich nicht in der Musik verlieren. Das Buch schrieb sich schließlich nicht von alleine.

Venus war schon weit gekommen, sie hatte schon über dreihundert Seiten.

Nie hätte sie es für möglich gehalten so viel in so kurzer Zeit schreiben zu können. Ihrer Meinung nach hatte sie das Unmögliche vollbracht. Der Preis dafür waren nachtblaue Augenringe und schmerzende Hände; und doch schrieb sie weiter, schrieb und schrieb und vergaß dabei die existenziellsten Sachen, Essen, zum Beispiel, oder Schlaf.

Sie hatte es geschafft ein wenig Zeit bei ihrem Verlag herauszuschlagen und den Termin auf Anfang April zu verschieben, statt wie eigentlich abgemacht Anfang März. So hatte sie einen Monat gewonnen. Nun hatte sie noch genau drei Monate; und noch immer keine Lösung.

John hatte ihr erzählt, dass es manchmal vorkam, dass Sherlock einen Fall gar nicht oder zumindest nicht ganz lösen konnte. Sherlock war schließlich auch nur ein Mensch. Wobei, manchmal zweifelte Venus daran.

Dennoch mochte sie seine Art, sie mochte die Formalitäten und die Distanz,. Gut erkannte sie sich in ihm wieder, nur dass Venus dank der Therapie in ihrer Kindheit einen besseren Umgang mit anderen Menschen pflegen konnte, so zumindest ihre Vermutung.

Seufzend stand die Schwarzhaarige auf; sie würde es nun eh nicht mehr schaffen sich auf das Kapitel zu konzentrieren, war sie doch viel zu weit mit ihren Gedanken abgedriftet.

Aufgrund der bereits vorangeschrittenen Tageszeit ging Venus in die Küche, um sich Wein in ein Glas einzuschenken. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es erst gegen vier war, doch da war der Wein schon im Glas.

Nachdenklich setzte sie sich auf einen der Stühle und dachte über die Fälle nach. Alle hatten das selbe Gift verabreicht bekommen, selbst die ersten drei Opfer.

Durch ein Klingeln wurde sie aufgeschreckt.

Sie ging zur Tür und öffnete diese. Cleo stand ihr gegenüber, sie lächelte.

„Kann ich reinkommen?", fragte Cleo. Sie hatte ihr Gewicht auf das linke Bein gelagert. Von ihrem Bein glitt Venus Blick hoch zu Cleos schmalen Hüften, auf dessen Höhe eine lederne Tasche hing. Es schien eine einfache Umhängetasche zu sein, wie alte konnte Venus nicht genau sagen. Vielleicht aus den Sechzigern.

„Klar, komm rein", Venus trat beiseite und machte eine einladende Handbewegung. In letzter Zeit kam es immer öfter vor, dass Cleo bei ihr vorbei guckte. Ab und zu hatten sie bereits Scrabble gespielt, auch Schach war begehrt gewesen.
Cleo betrachtete Venus von oben bis unten: „Warum bist du noch im Schlafanzug?" Es war Venus ein wenig unangenehm, ihre Shorts waren wirklich sehr kurz und wurden fast komplett von dem zu großen grauen Pullover überdeckt. Man hätte sie fast übersehen können.

„Ich war heute den ganzen Tag am Schreiben", Venus lächelt verlegen und ging vor, da Cleo sich nicht bewegte. Gemeinsam betraten sie die Küche, wo Venus Cleo mit einer Handbewegung zum hinsetzen aufforderte.

„Wein? Um diese Uhrzeit?", Cleo hob ihre Augenbraue und steuerte auf einen der Holzstühle zu. Ihre Tasche hängte sie an die Lehne und ließ sich dann auf den Stuhl gleiten.

„Ich dachte, es sei schon später und dann war die Flasche plötzlich auf", lachte Venus leicht und betrachtete ihre Nachbarin kurz. Cleo sah gut aus. Ihre blonden Haare waren zu einem Zopf geflochten, doch ein paar widerspenstige Strähnen hingen ihr in die Stirn. Sie schien sich nicht sonderlich dafür zu interessieren. Weshalb auch, schließlich musste sie ja zu keinem Meeting oder so. Venus Blick wanderte ein wenig verstohlen von Cleos Stirn, über ihre Augen, hin zu ihrem Mund. Venus war noch nie aufgefallen, dass Cleo so schöne Lippen hatte. Sie waren geschwungen und schienen in ihrer Küchenbeleuchtung sehr rosig. Wie errötete Wangen an einem kalten Wintertag. Die Schwarzhaarige schüttelte leicht ihren Kopf, um die Gedanken loszuwerden. Welch Glück, dass Cleo sich gerade dem Wein widmete und nicht Venus.

Moriarty - Stayin' alive (BBC Sherlock FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt