Prolog

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Wütend warf sie ihre Sachen in den Koffer. Sie hatte es satt, dass ihre Eltern ihr vorschrieben, was sie zu tun und zu lassen hatte; sie war doch kein Kind mehr.

Mit einem lauten Ratschen schloss sie den Reißverschluss des Koffers und schnappte sich ihre Laptoptasche. Schnell lief sie mit ihren Sachen aus ihrem gemütlichen Zimmer. Das Poltern ihrer Schritte auf der dunkelbraunen Eichentreppe schien das ganze Gebäude zu erfüllen. Es war schon lange her, dass es so laut in diesem Haus gewesen war. Normalerweise herrschte eine beruhigende Stille, doch heute schien die Luft vor Spannung zu knistern.

Am Fuße der Treppe standen ihre Eltern; sie erwarteten Venus bereits. Sie waren nicht überrascht von der Entscheidung ihrer Tochter. Gut heißen taten sie es dennoch nicht.

Mister und Misses Cort standen da wie immer, rausgeputzt und von beispielhafter Haltung. Ihre Mutter, eine Frau um die 60, mit kleinen Fältchen um die Augen, blickte sie ein wenig traurig an, lenkte aber von dieser Tatsache sehr gut mit ihrem gold-glitzernden Schmuck ab, welchen sie so gerne trug. Ihr Vater dagegen stand mit strengem Gesichtsausdruck gerade. Manchmal erinnerte er sie an einen Soldaten.

"Venus, ich verbiete dir solch ein Benehmen. Du bringst Schande über die ganze Familie", donnerte ihr Vater mit grollender Stimme.

Er schien schon sehr aufgebracht, so ging sein Atem schwer und seine Hände ballten sich hinter seinem Rücken zu Fäusten. Sein Mund war grimmig verzogen und auf seiner Stirn zeichnete sich trotz der Falten sehr klar eine Ader ab.

"Na dann ist es ja gut, dass du nicht mehr so lange leben wirst", stieß Venus ihrem Vater ein verbales Brett vor den Kopf. Natürlich war es nicht so gemeint, doch in der Wut wird man oft blind.

Sie hörte ihre Mutter nach Luft schnappen, es schien, als würde sie jeder Zeit in Ohnmacht fallen.

Soll sie doch, dachte sich Venus.

"Wie kannst du es wagen", warf ihr Vater wütend ein und ging einen großen Schritt nach vorne um bedrohlich auf seine Tochter nieder zu blicken.

Sein Blick sollte sie einschüchtern, doch sie hatte ihn schon viel zu oft gesehen, um noch in irgendeiner Weise Angst zu haben. Stattdessen blickte sie ebenso wütend zu ihm auf.

Ihre Mutter legte ihre zierlichen Hände auf die Arme ihres Mannes und öffnete ihren Mund, wahrscheinlich um ihn zu beruhigen.

Doch Venus ergriff als Erstes das Wort: "Wisst ihr, ich bin erwachsen, ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen und selber wählen, was ich studieren möchte, denn ganz ehrlich, ich brauche euch und eure dämlichen Ratschläge nicht."

Sie trat einen Schritt zurück und nahm sich ihr Gepäck. Ihr Vater wurde noch immer von ihrer Mutter festgehalten und schien um seine Haltung bemüht.

Mit ihrem silbernen Koffer und der schwarzen Laptoptasche schritt Venus mit erhobenen Hauptes zu der großen Eichentür. Für ein letztes Mal genoss sie das Widerhallen ihrer Schritte auf dem weißen Marmorboden, ehe sie die Tür öffnete und in die Freiheit schritt.

Schon lange hatte sie sich nach diesem Tag gesehnt. Die Schwarzhaarige atmete durch und schritt dann zu ihrem Auto, an welchem ihr Bruder lehnte.

"Und, wie war es in der Höhle der Löwen?", fragte er neckisch und erntete dafür nur einen grimmigen Blick. Ihr Bruder stieß sich von ihrem heiß geliebten blauen VW Karmann Ghia Typ 14 ab und öffnete den Kofferraum, damit sie ihr Gepäck verstauen konnte.

"Sei einfach still, Edgar. Es kann nicht jeder so ein schnöseliges Vorzeigekind sein, wie du", äußerte sie sich.

Sie schloss ihren Kofferraum, welcher mit einem lauten Knall einrastete. Darauf hin öffnete Venus die Fahrertür und ließ sich in den hellbraunen Ledersitz fallen.

"Nun denn, großer Bruder, wir sehen uns in London", mit diesen Worten schloss sie die Tür und startete den Motor, um zu fahren.

Sie winkte noch einmal und fuhr davon. Alles, was sie hinterließ, war ein einsames Zimmer und eine Staubwolke.

"Bis dann Venus"

Moriarty - Stayin' alive (BBC Sherlock FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt