Kapitel 2

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Ich muss wohl irgendwann eingeschlafen sein, denn als ich unsanft von Sibel geweckt werde, stehen wir schon auf dem Parkplatz unserer Jugendherberge. Hier werden wir also die nächsten zwei Wochen verbringen. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, so überrumpelt bin ich von den ganzen Eindrücken die gleichzeitig auf mich einprasseln. Der ganze Hof ist bedeckt mit meterhohem Schnee. Nicht nur ich scheine völlig aus der Fassung gekommen zu sein, sondern auch alle anderen, wie man unschwer an ihren Gesichter erkennen kann. Jeder scheint sich wie ein Honigkuchenpferd über den ganzen Schnee zu freuen. Schnee war schließlich auch etwas, dass es in Erfurt nur in ganz geringen Mengen zu bewundern gibt. Nachdem wir den stickigen Bus verlassen dürfen, steigt mir ein Geruch von Land- und Bergluft in die Nase. Gibt es hier sogar Tiere? Meine Gedanken werden kurzer Hand unterbrochen, da unsere Lehrer gerade eine Ansprache halten wollen. „Das hier wird unsere Unterkunft für zwei Wochen sein. Es gibt ein Haupt- und ein Nebenhaus, in welchem sich jeweils Zimmer befinden. Das Haupthaus verfügt über eine Sauna und einen Pool, sowie einer Tischtennisplatte und einem Tischkicker. An das Nabenhaus grenzt ein kleiner Bauernhof an. Beide Häuser besitzen einen Skikeller, welchen es zu nutzen gibt. Frühstück und Abendessen findet im Haupthaus statt. Frühstück gibt es von 6:30 bis 7:30 und das Abendessen beginnt um 18:30 Uhr. Am Morgen gibt es immer ein kleines Büffet, bestehend aus Müsli, Eiern, Wurst, Käse und Brötchen. Damit ihr nicht jeden Tag teures Essen auf den Hütten kaufen müsst, stellt euch Frau Langer ein Lunchpacket zur Verfügung. Am Abend gibt es leckeres regionales Essen. Zu dem erweiterten Ablauf werden wir heute Abend noch etwas sagen. Jetzt kommen wir zur Zimmerverteilung. Die Nummern eins bis 16 sind im Nebenhaus untergebracht, die Nummern ab 17 logischerweise dann im Haupthaus. Holt euch eure Schlüssel ab und erkundet das Gelände.“ Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und schnappe mir meinen Schlüssel. Die Nummer drei sticht mir ins Auge, was wohl bedeutet, dass ich im Nebenhaus untergebracht bin. Der Zufall wollte es anscheinend gut mit mir, denn kurze Zeit später platzt Sibel in mein Zimmer. Ganz aufgeregt erzählt sie mir, dass Pawel zusammen mit Viktor und Till das Zimmer Nummer 4 beziehen wird. Einerseits freue ich mich für sie, da sie Pawel so näher kommen kann. Sie ist nämlich schon seit Anfang letztem Schuljahr in ihn verschossen. Andererseits besteht das Zimmer nicht nur aus Pawel, sondern auch aus Till, meinem größten Feind. Wie sollten wir uns so bitte aus dem Weg gehen, wenn unsere Zimmer direkt gegenüber liegen? Das alles wird ein größeres Chaos ergeben, als meine Unordnung im Schrank es je tun wird. Wie schnell der Name Till mir die Stimmung versauen kann, das war schon verrückt. Ich schaue auf die Uhr und merke, dass ich nur noch eine Stunde bis zum Abendessen habe. Also ziehe ich mir meinen Mantel über und erkunde das ganze Gelände mit eigenen Augen. Durch den Schnee wate ich auf den Bauernhof zu. Er ist nicht groß, dafür urgemütlich. Es gibt Kühe, Schweine, Ziegen und Schafe, ja sogar ein Pferd haben sie bei sich. Ist das nicht grandios? Ich fühle mich gerade wie im Urlaub, nicht wie auf Klassenfahrt. Weiter steuere ich mit großen Schritten das Haupthaus an. Unsere Direktoren hatten nicht gelogen. Es gibt wirklich einen kleinen Wellnessbereich mit Pool und Sauna. Zum Glück habe ich mein Badesach eingepackt. Ein Stockwerk tiefer liegt der Partyraum. Tischkicker und Tischtennisplatte, ja sogar eine Stereoanlage sind hier vorzufinden. Mit einem erneuten Blick auf die Uhr sehe ich, dass es schon längst Abendessen gibt. Schnellen Schrittes mache ich mich also wieder nach oben und setze mich an den Tisch, an dem sich auch Sibel niedergelassen hat. Als Vorspeise gibt es heute Fritattensuppe, die man sich aus der Küche holen muss. Wie ich es liebe. Als ich mich gerade wieder hinsetzen will, setzt sich Till auf einmal neben mich, der mir erklärt, dass man Zimmerweise sitzen muss. Immer zwei Zimmer zusammen. Zum Glück unterbrechen mich unsere zwei Direktoren, bevor ich Till wieder irgendwas an den Kopf werfen kann. „Schön, dass ihr alle hergefunden habt. Nach dem Essen dürft ihr euch nochmal genauestens umschauen, bevor es morgen auf die Piste geht. Falls es noch nicht geschehen ist, stellt eure daheim ausgeliehenen Skier noch in den Skikeller, damit sie morgen griffbereit bereitliegen. Das gleich bitte auch mit euren Skistiefeln und Stöcken. Wir werden morgen den öffentlichen Bus ins Skigebiet nehmen. Der Bus fährt um 8 Uhr ab. Dort erhaltet ihr eure Skipässe und um euch bestmöglich voranzubringen, werdet ihr in unterschiedliche Skikurse eingeteilt.“ Den Rest der Rede bekomme ich gar nicht mehr richtig mit. Ich bin viel zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt.  Warum habe ich mich in seiner Anwesenheit einfach nicht unter Kontrolle? Ein Blick zu Till genügt, um zu wissen, dass auch er nicht zuhört. An was er wohl gerade dachte? Halt warum interessiert mich das überhaupt? Nach dem Abendessen, bei dem es Gulasch als Hauptspeise und Eis als Dessert gab, stelle ich meine Skiausrüstung wie gewünscht im Skikeller ab und gehe dann auf mein Zimmer. Ich hatte keine Lust Till heute noch einmal zu begegnen.

Abenteuer im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt