Kapitel 1

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"Einsteigen, oder wollt ihr hier Wurzeln schlagen?“, rufen unsere beiden Direktoren im Chor. Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen und lasse mich ganz vorne im oberen Abteil des Doppeldeckerbusses auf meinen Platz fallen. Sibel, meine beste Freundin setzt sich kurze Zeit später neben mich. Chung und Stocker, unsere beiden Direktoren halten noch eine kleine Ansprache, doch diese bekomme ich nur noch gedämpft mit, da ich schon viel zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt bin. Sechs Stunden Fahrt liegen nun vor uns. Schon das ganze Schuljahr habe ich auf diesen Tag hin gefiebert. Zwei Wochen Sonne, Schnee und Berge im Skihotspot Kitzbühel in Österreich. Tiefschnee und leckeres Essen soweit das Auge reicht. Am Mittag in die urgemütlichen Hütten einkehren und einen Kaiserschmarrn essen und am Abend aus den Skistiefeln rausschlupfen und sich auf den nächsten Tag freuen. Was gibt es Schöneres für einen Skifahrer? Schon als ganz kleines Kind sind meine Familie und ich jedes Jahr Skifahren gegangen, wie sehr ich diese Zeit vermisse. Seit meinem Umzug ins Internat kamen wir leider nicht mehr dazu und somit werde ich das erste Mal seit langer Zeit wieder auf meinen Skiern stehen. Ich bin zwar nicht die größte Sportskanone, aber im Skifahren macht mir keiner was vor, nicht einmal Till, der sich aus allem Übel hinter uns platziert hat. Wie sehr ich diesen Idiot an Oberturnbeutel hasse. Immer wenn wir uns sehen, zerfleischen wir uns förmlich. Wie sollten wir also die zwei Wochen gut über die Runden bringen, ohne dass es wieder komplett im Chaos endet? Leider ist Kasimir, mein Freund nicht mehr auf dem Einstein. Dieses Schuljahr hat er nämlich die Schule gewechselt und geht jetzt irgendwo außerhalb Erfurts zur Schule. Mit seiner ruhigen Art hätte er bestimmt Struktur in das ganze Geschehen gebracht. Eigentlich war er ja das genaue Gegenteil von mir. Ich die chaotisch wilde Martha, mit immer einem Konter auf der Zunge und er der ruhige schüchterne Kasimir, der immer versucht Ordnung in alles zu bringen. Doch man sagt schließlich nicht umsonst, dass Gegensätze sich anziehen. Plötzlich reißt mich Sibels Stimme aus meinen Gedanken: „Wow ich freue mich schon so. Das wird das erste Mal sein, dass ich auf Skiern stehe. Wie sieht es bei dir aus Martha?“ Innerlich lächle ich in mich hinein. Dass ich in Sport einmal besser bin als Sibel, dass kam bis jetzt nur in meinen besten Träumen vor. „Ob ich mich freue, da fragst du noch? Ich platze vor Aufregung. Zu meinem Glück bin ich schon ein paar Male auf Skiern gestanden, was bedeutet, dass mir hier niemand etwas vormachen kann. Nicht einmal unser Tillinathor.“ Mit einem Lächeln, dass nicht gekünstelter hätte sein können schaue ich ihn an. Doch statt einen erhofften Konter von ihm zu bekommen, bekomme ich nur leere genervte Blicke zugeworfen. Da ich meine Gedanken jedoch nicht weiter an Till verschwenden möchte, wende ich mich kurzer Hand wieder Sibel zu. Sie quatscht mich eh schon die ganze Zeit zu, also sollte ich wieder anfangen, ihr einigermaßen zuzuhören, damit ich nicht ganz den Kontext verliere. Manchmal war sie eine echte Labertasche, da konnte man fasst glauben, sie wäre mit Rike verwand. Zum Glück spricht sie im Gegensatz zu Rike meistens noch über interessante Themen und nicht nur über belangloses Zeug wie „Lieblingssocken“. Apropo Lieblingssocken. „Was hast du eigentlich alles eingepackt?“ unterbreche ich Sibel kurzerhand. Da sie auf meine Frage jedoch nicht einging, ließ ich es und hörte gelangweilt ihrem Monolog zu. Hoffentlich habe ich auch alles, vor allem mein Faultierkostüm, mit welchem ich an Fasching auf die Piste gehen werde. Das wird ein Spaß, vielleicht kann ich ja noch jemanden überreden mitzumachen? Vielleicht sogar unsere Lehrer? Mit meiner Überzeugungskunst kann man eigentlich doch gar nicht nein sagen.

Abenteuer im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt