Überall sind bunte Lichter. Sie leuchten in die Nacht hinein, flimmern, bewegen sich im Takt zur Musik. Alte Klassiker und die neusten Songs. Fasziniert starre ich das Schauspiel an. Scharren von Besuchern die an den Ständen flanieren. Manche bleiben gespannt an so manchem Fahrgeschäft stehen, erstaunt und mit glitzernden Augen. Wie es sich wild dreht, die Leute durchschüttelt und herum wirbelt. Die langen Haare fliegen und es entsteht ein freudig erregter Gesichtsausdruck, manchmal auch Panik. Laute Songs werden passend zu den Bewegungen abgespielt.
Lachend laufe ich zu diesem einen Fahrgeschäft. Es steht in einer Art Halle. Wild bemalte Wände und oben an der Decke montiert ein leuchtendes Schild: Extasy.
Mit leuchtenden Augen setze ich mich gespannt in einen Zweiersitz auf die linke Seite und warte auf den Start.
Das Ganze besteht aus fünf beweglichen "Armen" an dessen Enden jeweils vier Zweiersitze, in einer Art Kreis befestigt sind.
Plötzlich das Startsignal. Sicherheitsbügel werden auf meine Schultern gedrückt und es beginnt sich langsam zu drehen. Alles wird immer schneller und wirbelt mich herum, zuerst nur am Boden im Kreis doch plötzlich bewege ich mich aufwärts und stehe kopfüber und drehe mich im Kreis. Musik dröhnt aus den großen Lautsprecherboxen und es kommen immer mehr Schaulustige und sehen zu wie wir herum wirbeln. Doch mich stören sie überhaupt nicht. Ich genieße einfach den Moment. Den Respekt mich sowas zu trauen. Lachend werde ich schneller und schneller und dann ist alles vorbei. Traurig, dass es nicht länger war aber auch glücklich und voller Adrenalin steige ich aus und laufe zum Ausgang.
Sowie ich draußen bin sehe ich ein Schild aufleuchten. Hotel Psycho
Schauderndes Interesse macht sich breit. Und obwohl ich eigentlich absolut kein Fan von Geisterbahnen bin, nicht weil ich solche Angst habe, sondern weil sie wenig furchterregend sind, reizt mich doch etwas daran. Das neu gebaute Gebäude hat den Eindruck als würde es mehr als nur eine gewöhnliche Geisterbahn sein.
Erwartungsvoll drehe ich mich zu meinem Freund um, der vorhin beim Extasy nicht mit wollte. Zuerst sieht er mich ratlos an, versteht aber und willigt ein. Natürlich... Er will doch vor mir nicht wie der letzte Angsthase aussehen und spielt extra den Macker.
Aber mir soll's recht sein. Freudig gehe ich mit ihm Hand in Hand zu dem kleinen Kassenhäuschen und während mein Freund die zwei Chips kauft schaue ich mir das Haus genauer an.
Es ist in einem dunklen rot mit weißen Fenstern wo man natürlich nicht hineinsehen kann. Am rechten Ende von dem Teil wo man in die Waggons steigen kann stehen zwei trollartige riesige Steinstatuen die ziemlich böse schauen. Sie halten den Teil der Schienen die nicht im Inneren des Hauses sind, ein Halbkreis in dessen Mitte ein Todesengel steht. Dort wo man heraus fährt ist ein ziemlich gruselig aussehender Clown.
Aprupt werde ich in Richtung Waggons gezogen. Sie sind in schlichtem schwarz und ohne unnötige "Verzierungen". Ich steige natürlich als erstes ein und nach kurzem Warten fährt der Waggon schon los, auch wenn auf dem Zweierplatz hinter uns niemand sitzt. Zu wenig los heute.
Langsam fahren wir durch eine typische Klappentür, hinter uns wird es wieder dunkel. Das einzige was ich sehe ist ein roter Laserpunkt, ansonsten ist es nach kurzer Zeit stockdunkel.
Okay, das ist schon mal ungewöhnlich. Sonst habe ich immer irgendwo Licht durchschimmern sehen. Beunruhigt nehme ich die Hand meines Freundes, welcher sie kurz drückt. Dann plötzlich taucht links neben mir ein Erhängter Körper auf. Blutüberströmt und von der Decke baumelnd. Dazu laute furchterregende Musik und ein schaudernder Schrei. Erschrocken beginne ich zu schreien. Das hätte ich nicht erwartet. Beruhigend werde ich in den Arm genommen. In dem Moment bin ich wirklich froh ihn zu haben, denn obwohl er oft dämlich ist, ist er für mich da.
Vor uns an der Wand hängt ein alter Spiegel. Warte, das ist kein Spiegel. Dahinter ist ein Mann, hinter dem ein blutiges Mädchen steht. Es nimmt den Kopf des Mannes und schlägt ihn gegen das Glas. Bei jedem Schlag hört man das Glas weiter splittern und ich zucke erschrocken zusammen. Plötzlich zerspringt der Spiegel, ein lauter Knall, Blut spritzt auf den Spiegel und irgendwas spritzt auch mich an. Nun beginne ich wieder zu schreien. Ein langgezogener, erschrockener Schrei. Und ich dachte es sei eine normale Geisterbahn...
Ängstlich presse ich mich mehr in die schützende Umarmung und es geht weiter. Wir sehen noch einen psychopatisch aussehenden Clown, dann kommen wir zu dem Teil der Schienen wo man hinaus fährt. Unten stehen ein paar Leute die uns zusehen, dann geht es wieder hinein. Während wir durch fahren dreht sich der Waggon um und wir sehen wie sich die Tür ganz langsam schließt.
Es wird fast vollständig schwarz und ich warte schon fast auf den nächsten Schreck. Zum Glück ist "nur" ein Mann, dessen Beine auf den Schienen liegen während wir darüber fahren.
Erleichtert steige ich aus, immer noch zitternd und versuche mich zu beruhigen.
Da wir gerade nichts schnell Fahrendes vertragen gehen wir Pommes essen. Ja Pommes, ich liebe sie. Also sitzen wir lachend auf einer Bank. Als er gerade wegschaut schnappe ich mir blitzschnell einen dieser gelb fritierten Stangen mit Ketchup und stecke es schnell in den Mund bevor er es bemerkt und empört >Hey!< schreit. Kurz darauf bricht ein "Pommes-Krieg" aus. Jeder klaut sich welche vom anderen, was eigentlich total sinnlos ist und am Ende sitzen wir nur noch da und können vor Lachen den Apfelsaftbecher nicht mehr ruhig halten. Natürlich schütte ich dann etwas aus, aber nicht auf mich, neein auf den "unschuldigen" Jungen der neben mir sitzt. Kichernd laufe ich weg bis er mich einholt, mich an der Hüfte packt und zu sich zieht. Frech grinst er mich noch an bevor er seine Lippen sanft auf meine drückt. Ich denke mal es sieht wunderschön aus. Am Abend, um uns herum lauter bunte Lichter die fröhlich zur Musik flimmern.
Ich hörte einen Knall. Einen unendlich lauten Knall. Erstarrte mitten im Kuss. Evan? Panisch sehe ich ihn an, er jedoch lächelt nur schwach zurück. Dann sehe ich nach unten. Auf seinem T-Shirt breitet sich langsam aber unerbittlich ein dunkelroter Fleck aus. Nein. Nein! Das kann nicht sein! Warum?! EVAN! Ich umarme den immer schwächer werdenden Körper. Umarme ihn um ihn leben zu lassen. Leben wie sonst immer. Wieso muss er s-sterben - ich kann, nein will es nicht aussprechen! - und nicht ich? Antworte mir verdammt! Ich will dich nicht gehen lassen! Nicht jetzt. Nicht in 1000 Jahren. Drücke mich ganz fest an ihn. Mir laufen ganz langsam salzige Tränen über die Wangen, doch ich bemerke es gar nicht. Sehe nur ihn. Höre seinen schwachen Atem, rieche seinen Duft. Es riecht so gut, ein wenig nach Rauch und Minze und Vanille. Ich würde es vermissen. Es tut so gut ihn nochmal zu umarmen, und auch er schließt die Arme sanft um mich. Sanft, aber kraftlos. Ich spüre einen Stich im Herzen. Der Stich breitet sich aus und bald brennt meine gesamte Brust. Vor Trauer.
Merke den dunkelrot glänzenden Blutfleck auf meiner darauf nicht. Halte mich einfach immer fest.
Und so stehen wir da. Beide einen Schuss durch die Brust. Um uns herum wieder die Lichter, Musik, doch diesmal keine fröhlich lachenden Leute. Wir werden nur bestürzt angesehen. Fest ineinander verschlungen, in einer tödlichen Umarmung.