08 - Wenn der Schädel raucht

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Die Wochen vergingen und jeden Tag, jeden Moment den ich mit Vivienne verbringen konnte machte mir deutlich, dass es sich gelohnt hatte für sie zu kämpfen.
Es war die beste Entscheidung gewesen über meinen Schatten zu springen und ihr alles zu gestehen, was ich auf meinem Herzen hatte.
Der Herbst ging zu Ende und es wurde winterlich. Neben dem Unistress, den Vorlesungen und dem ganzen lernen verbrachten wir jede freie Minute zusammen.
Wir schafften es sogar einen Hauch Weihnachtsstimmung zu fühlen. Wir besuchten den Weihnachtsmarkt zusammen und gingen einmal zusammen Schlittenfahren. Eine der Sachen, die wir als kleine Kinder geliebt hatten.

Weihnachten hatten wir auch zusammen verbracht. Als wir unseren Familien von uns erzählt hatten, gab es keinen, der nicht gesagt hatte, dass ihm diese Wendung klar war. Ihre Mutter hatte mich in den Arm genommen und meinte, dass sie mich dann jetzt ja endlich offiziell zu der Familie zählen kann.
Es war das schönste Weihnachten, was ich mir hätte vorstellen können.

Es lief gut zwischen uns, sehr gut sogar. Aber irgendetwas in mir sagte, dass es vielleicht zu gut lief.
Aber wir hatten nun mal keinen Grund zu streiten, denn wir kannten einander so gut wie kein anderer. Ich kannte ihr Macken und sie meine.

Mit Ende der Vorlesungszeiten und Beginn der Klausurenphase nahm unser Kontakt ein wenig ab. Wir beide waren darauf zu konzentriert zu lernen um die Prüfungen zu bestehen. Ich wollte nicht sofort im ersten Semester wiederholen und für Vivienne war es das erste Semester im Masterstudium.

Ich schaute auf die Uhr, die über meinem Schreibtisch leise tickte. Wir hatten kurz nach fünf Uhr abends. Ich rechnete kurz die Stunden zusammen, die ich heute gelernt hatte und kam dann auf sieben Stunden.

Krank. Zwischenzeitlich zweifelte ich an dem was ich hier tat. Es war nicht gesund sich so lange an den Schreibtisch zu setzen nur für ein paar Klausuren, aber Semester für Semester waren tausende Studenten dazu gezwungen in ihren Ferien für die Prüfungen zu lernen. Nur um diese zu bestehen und dem Traumberuf einem Schritt näher zu kommen.

Dauerhafter Stress, den wir unserem Körper aussetzten und der unserem Körper schadete. Und dann wunderten sich so viele, weshalb jeder zweite irgendwann ein Burnout bekommt.
Amelie hatte mir dazu irgendwas mit Dis- und Eustress erzählt. Positiver und negativer Stress. Das gerade empfand ich definitiv als negativen Stress.

Ich schlug den Ordner zu, stand auf und streckte mich. Draußen fing bereits an die Sonne unterzugehen. Nachdem ich den Blick vom Fenster wegdrehte ging ich zur Küche und machte mir einen Kaffee.
Kaffee am späten Nachmittag, machen das nicht sonst nur Senioren?

Mit dem Kaffee in meiner Hand schlenderte ich wieder in mein Zimmer. Dort öffnete ich das Fenster einen Spalt breit und ließ die frische Winterluft in mein Zimmer.
Dann setzte ich mich zurück an meinen Schreibtisch, öffnete meinen Ordner wieder und schaute dann kurz auf mein Tablet mit den Dokumenten von der Uni.
Ich überflog die letzten Seiten, mit dem was ich die letzte Stunde gemacht hatte, aber scheinbar war kein Stück in meinem Kopf hängen geblieben.

Da waren sie wieder, die Zweifel, warum ich mir das ganze eigentlich antat.
Mein Gehirn hatte das ganze gelernte der letzten Stunde direkt wieder rausgeschmissen. Ich merkte wie ein kurzer Schmerz an meiner Stirn entlang zog, als würde mir mein Körper sagen wollen, dass es jetzt genug sei für heute. Es hätte mich nicht gewundert, wenn mein Schädel mittlerweile angefangen hätte zu rauchen und alles was ich gelernt hatte entwisch meinem Gehirn wie Wasserdampf.

Entschlossen schlug ich meinen Ordner zu und schaltete das Tablet aus. Das war genug für heute, mehr könnte ich sowieso nicht mehr lernen.
Ich war schlichtweg zu faul meinen Schreibtisch aufzuräumen, also nahm ich nur den Kaffee und setzte mich dann in mein Bett.
Mein Kopf war leer, als hätte ich in den letzten Stunden mein gesamtes Hirn verbraucht. Kein Krümel war mehr da.
Also hatte ich mindestens die letzte Stunde unnötigerweise damit verbracht irgendwas zu lernen, was sowieso nicht brachte.
Das nannte sich dann wohl Zeitverschwendung par excellence.

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