Auf das was dann passierte war ich nicht vorbereitet.
Ich wusste es schon seit dem Moment, in dem Amelie und Daniel die Wohnung verließen und es sollte sich auch im Laufe des Abends bestätigen.Sobald Amelie und Daniel die Wohnung verlassen hatten, schaute ich auf meine Uhr. Von Viviennes Wohnung aus, brauchte sie maximal fünfzehn Minuten bis sie hier war. Und das waren fünfzehn Minuten in denen ich eindeutig zu wenig Zeit hatte.
Ich ging kurz in unser Badezimmer. Im Spiegel sah ich einen verzweifelten jungen Mann. Unsicher und fast schon ängstlich. Er fuhr sich kurz durch die blonden Locken, ehe er den Blick vom Spiegelbild abwendete.Hektisch räumte ich die Wohnung grob auf und wechselte meine Jogginghose durch eine Jeans. Ich wollte ihr vernünftig gegenübertreten.
Gerade in dem Moment in dem ich auf die Uhr schaute und nochmal tief durchatmete, klingelte es.
Ich ging zur Tür und öffnete sie. Vor der Tür stand Vivienne. Sie zwang sich ein kurzes Lächeln auf.
„Komm rein."
Ich lächelte ebenfalls kurz erzwungen.Vivienne war erstaunlich ruhig. Ihre positive Energie war nicht aufzufinden. Es tat weh, sie so zu sehen.
Ich fragte mich, was passiert war und hoffte inständig, dass nicht ich der Grund für ihre Gefühlslage war.Wir blieben distanziert. Zur Begrüßung gab es keinen Kuss. Nicht mal eine Umarmung. Ein einziges Mal hatten sich unsere Blicke getroffen, haben Vivienne hatte schnell wieder weggeschaut.
In meinem Zimmer angekommen setzte ich mich auf mein Bett. Sie nahm jedoch nicht neben mir Platz, sondern setzte sich auf meinen Schreibtischstuhl und drehte sich zu mir.Keiner von uns beiden wusste wie er anfangen sollte und daher herrschte ein Schweigen im Raum. Wenn eine Stecknadel gefallen wäre, hätten wir sie hören können. Aber selbst das passierte nicht. Es war einfach still.
Meine Blicke lagen auf Vivienne, aber sie würdigte mich keines Blickes.
Ihr Blick schweifte durch den Raum. Sie schaute auf den dicken Ordner auf meinem Schreibtisch mit den Unisachen, dann schaute sie eine Weile aus dem Fenster.
Irgendwann fiel ihr Blick auf mein Klavier und anschließend auf die Bilder von uns beiden, die über dem Klavier hingen.
Als sie die Bilder sah, lächelte sie kurz, aber mit einem kleinen, kaum erkennbaren Kopfschütteln verschwand das Lächeln wieder.Ich verlor einen Blick auf die Uhr. Eine halbe Stunde war vergangen und kein Wort war gesprochen.
Gleich würden sicherlich Amelie und Daniel zurückkommen und wir hätten nicht mal angefangen zu reden.Als ich wieder zu Vivienne schaute kreuzten sich unsere Blicke. Aber diesmal schaute keiner schnell wieder weg und unsere Blicke lagen mehrere Momente lang aufeinander.
In mir lösten diese Momente ein riesiges Chaos aus.
Einerseits gab Vivienne mir so viel Kraft, ihre positive Art und ihr Lächeln war das, was ich brauchte und was mir gut tat.
Aber in diesen Momenten war nichts davon da. Die Blicke waren kühl, fast schon emotionslos und zwischen uns baute sich eine riesige Distanz auf, die uns beide voneinander trennte.Und irgendwann machte Vivienne den ersten Schritt und fing an zu reden.
Danach folgten Minuten und Stunden, die aus Schreierei und Tränen bestanden.
Irgendwie schaukelten wir uns gegenseitig hoch und der Streit schien kein Ende zunehmen.
Und nach und nach musste ich feststellen, dass ich sehr wohl der Ausgangspunkt ihrer Laune und unseres Streits war.Vivienne offenbarte mir irgendwann, dass sie damit gerechnet hatte, dass ich eine andere habe oder sie mir doch nicht so wichtig sei, wie ich immer behauptete. Ich hatte zwischenzeitlich nicht auf ihre Nachrichten und Anrufe geantwortet.
Zwar konnte ich ihr versichern, dass dem nicht so sei und ich schlichtweg viel gelernt hatte, aber ich bemerkte, dass ihre Zweifel blieben.
Ich befand mich im Zwiespalt. Ich konnte sie verstehen, ich wäre genauso enttäuscht, wenn sie mir nicht antworten würde, aber sie wusste, dass ich mehr lernen musste als sie. Und ich fand die Anschuldigungen doch übertrieben.
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FREUNDSCHAFT
Short StoryVivienne und Alexander kennen sich schon seit dem Kindergarten. Sie waren Sandkastenfreunde, bis sie nach dem Abitur in zwei verschiedene Richtungen gingen. Vivienne zog in eine andere Stadt um dort zu studieren und Alexander entschied sich dafür in...