2 _ Die Entscheidung, die mich am Leben hielt
Von meiner Starre befreit erhebe ich mich und taste mich vorsichtig an der Wand entlang. Mühsam versuche ich nicht wieder zusammen zu sacken. Mit meinen Ohren lausche ich genau, nach jedem Geräusch. Langsam bewege ich mich mit schlotternden Beinen vorwärts. Ich versuche möglichst leise zu atmen bis gar nicht. Ständig wische ich mir meine Tränen aus dem Gesicht, doch es hört einfach nicht auf, ich kann nicht mehr. In jedem Moment muss ich mir ausmalen, was als nächstes kommt, ob ich wirklich weitergehen soll oder hier drinnen bleibe. Eine falsche Entscheidung könnte in dieser Situation mich mein Leben kosten. Mein Leben. Nein! Nein!
Verdammte Scheisse! An sowas darf ich nicht denken! Es wird alles gut. Es muss!
Mit kleinen Schritten führe ich mich weiterhin an der Wand lang. Mein Puls rast immer noch wie wild, mir wird schlecht. Meine Atmung wird ungleichmässiger. Meine zittrigen Hände tasten sich weiterhin voran. Jetzt ist der Moment, wo ich die holzige Tür gefunden habe, ich spüre keinen grössen Wiederstand. Meine Tränen rieseln weiter an meinen Wangen herunter. Ich hab die Tür gefunden. Die Tür. Den Ausgang. >>Endlich.<< flüstere ich erleichtert. Ich habe immer noch Angst, schreckliche Angst, aber ich kann hier raus, aus dem dunklen Raum.
Ich öffne die Tür, zu erst nur einen kleinen Spalt. Keine Sonne.
Ich öffne sie ganz. Niemand. Ich trete zwei Schritte vor. Um mich herum ist ein sumpfiges Gebiet. Ein paar Meter vor der Hütte ist ein Wald. Ich bin allein. >>Was für ein Glück.<< stosse ich mit einem leichten Lächeln aus. Ich blicke in den Himmel, er ist orangerot und vollkommen klar.
Ich atme tief ein und aus. Mein Herz beruhigt sich ein wenig.
Das starke pochen in meiner Brust nimmt ab.
>> Dort! Da ist die Hütte!<<
Verstört drehe ich mich um. Woher..?
>>Annabelle müsste dort sein.<<
Wer sagt das? Wer weiss dass ich hier bin? Habe ich Grund erleichtert zu sein oder sollte ich mich fürchten?
>>Bist du dir sicher?<<
Noch jemand? Wie viele sind denn hierher unterwegs?
>>Ja, ich bin mir ganz sicher.<<
Soll ich mich zeigen oder verstecken, wieder einer dieser Entscheidungen. Ich höre die Schritte, sie kommen immer näher. Verstecken, aber wo? Hastig blicke ich mich um. Mein Blick bleibt an einem alten vermoderten Baum hängen. Möglichst lautlos bewege ich mich auf ihn zu und verschwinde hinter ihm. In meinem Blickfeld ist nur noch der Wald und ich beginne zu lauschen.
>>Hast du alles beisammen?<<
>>Ja, wir können anfangen, aber irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen. Tun wir auch wirklich das Richtige?<<
Worüber reden die?
>>Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, so ein Monster verdient nur den Tod.<<
Monster? Reden die von mir? Was haben die vor?
Keiner sagt mehr etwas. Ich höre ein Knistern. Ein Knistern nach dem anderen. Ich sollte lieber gehen, oder? Behutsam drehe ich meinen Kopf in Richtung Hütte.
Flammen! Die haben die Hütte in Brand gesetzt! Sie wollten mich in dem Feuer verbrennen! Wenn ich jetzt noch in der Hütte wäre... Ich schlucke.
Mein Herz beginnt wieder schneller zu schlagen. Mein Blick verharrt. Ich achte nur noch auf die Flammen und bemerke nicht einmal, wie ich mich immer weiter vom Baum entferne und somit im Blickfeld von einer der beiden Personen stehe. Augenblicklich wurde ich bemerk.
>>Sie ist nicht in der Hütte! Guck doch, dort steht sie! <<
>>Verdammt, sie darf uns nicht entkommen! Beeil dich!<<
>>Was...<< mit offenem Mund bleib ich stehen. Ich muss mich in Bewegung setzen. Wenn ich weiterhin stehen bleibe haben sie mich. Sie kommen mir immer näher. Adrenalin durchströmt meinen Körper, wenn sie mich fangen, bin ich tot.
Ich drehe mich zum Wald um, weg von der brennenden Hütte und renne. Renne zum Wald, um in seiner Dichte Schutz zu finden, um nicht gefangen zu werden, um nicht zu sterben.
Ich tappe durch den Sumpf, ohne Pause, einfach weiter, immer weiter, bis zum Wald. Ich stoppe nicht, ich sehe nicht nach hinten. Meine Haare verfangen sich zwischen den dichten Ästen, es schmerzt, ich versuche es zu ignorieren und zerre sie einfach mit. Auf einmal greift eine Hand nach mir, sie packt mich an meinem rechten Arm, eine andere hält mir den Mund zu. Anschliessend reisst es mich nach unten und ich verschwinde im Boden.
2 _ Die Entscheidung, die mich am Leben hielt
Ende
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Gefangen. In meinen eigenen Ketten.
Mystery / ThrillerGefangen. In meinen eigenen Ketten. Annabelle (21) durchlebte schon mehrere Nächte, in denen sie an einem ihr unbekannten Ort aufwacht, ohne jegliche Erinnerung an das geschehen davor und wie sie überhaupt dorhin gelang. Diese "Zufälle" häufen sich...