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City life (2)

Meine Finger krallten sich im Stoff des Umhangs fest. Ein betörender Duft ging davon aus. Eine Mischung aus Schweiß, Frühling und Freiheit. Es war schwer zu definieren was es mit mir machte, doch ich genoss es. Das Zucken meiner Nase, das Prickeln meiner Hände und mein erhöhter Puls wiesen darauf hin, dass ich glücklich war. Es schenkte mir Hoffnung und momentan hatte ich sehr viel davon nötig. Ich kuschelte mich weiter in den samtigen Stoff ein und wartete darauf, dass Thor sich wieder zu mir gesellte. Er befand ich gerade in der Küche, wo er sich nach Getränken umsah und etwas mit dem ich meinen Knöchel kühlen konnte. Währenddessen hatte ich es mir auf meinem Sofa im Wohnzimmer bequem gemacht. Zum ersten mal war ich nicht alleine in der Wohnung. Die erdrückende Spannung in der Luft war verflogen und ich musste die Stille nicht mit dem schrecklichen Programm aus dem Fernsehen überspielen. „Du hast ja überhaupt kein Bier da.“, hörte ich ihn empört rufen. Ich konnte mir mein Lachen nicht verkneifen und setzte mich aufrecht hin, als er wiederkam. Kopf schüttelnd betrat er das Wohnzimmer und nahm neben mir Platz. „Aber dafür jede Menge davon.“, er rüttelte mit der gefrorenen Eisschachtel vor meinem Gesicht und bat mich dann darum ihm meinen Knöchel zu reichen.„Das ist Himbeere!“, versuchte ich mich zu verteidigen, doch er lachte nur und klopfte auf seinen Schoß. Daraufhin legte ich ihm mein verwundetes Bein auf die Schenkel und beobachtete ihn dabei, wie er sich mit Vorsicht über meine Verletzung erkundigte. Er krempelte meine schwarze Leinenhose hoch und schaute auf die leicht angeschwollene Stelle, wo mein Knöchel begann und meine Ferse aufhörte. Ich hatte nicht erwartet das es so schmerzhaft aussah. Allein beim Anblick hatte ich das Gefühl der Schmerz würde sich verdoppeln. Vermutlich hätte ich nicht weiter rennen sollen, doch das war es mir absolut wert gewesen. Thors Blick steckte voller Schuld, auch wenn das albern war und das gab ich ihm auch mit einem Seufzen zu erkennen. „Es tut nicht mal weh.“, log ich und er erkannte sofort das es eine Lüge war. Es war nicht anderes zu erwarten, dass er mich durchschaute. So viele Jahre hatte ich ihn belogen. Mich wunderte es immer mehr, warum er hier war. Seine Hanf griff nach der Eispackung, die er mir vorsichtig und so behutsam wie möglich an die rötlichste Stelle drückte. Ich gab mir Mühe, um nicht vor Schmerz aufzuschreien und mit der Zeit gelang es mir auch über den Schmerz hinwegzusehen. Thor hatte sich zu mir gedreht, um zu erkennen ob er mir damit wehtat. Sein Anblick bescherte mich mit Freude und Trauer. Es gab kein dazwischen. Ich empfand beides zur selben Zeit. Ich war bei den Göttern dankbar das er hier war, doch ich verstand nicht warum.

„Wie hast du mich gefunden?“, wollte ich wissen. Meine Frage unterbrach die Stille die zwischen uns entstanden war und Thor ließ seinen Blick wieder auf meinen Knöchel fallen. Er platzierte die kalte Box an einer anderen Stelle und starrte dann auf meinen Fuß. Es war ein wenig unangenehm wenn ich darüber nachdachte, doch ich wusste das er in Gedanken war und deshalb vermutlich eher nicht genau meinen Fuß betrachtete. Trotzdem wäre es mir lieber gewesen, er würde sich einen anderen Anhaltspunkt dafür suchen.
„Heimdall hat es mir gesagt.“, antwortete er schließlich und sein Blick traf meinen. „Ich musste ihm versprechen mich von dir fernzuhalten und das hatte ich auch vor. Doch dann sah ich dich und konnte es einfach nicht.“, seine Worte waren voller Leid. Er fühlte sich hin und her gerissen, zwischen mir, seinen Gefühlen und all seinen Verpflichtungen. Ich schämte mich dafür, was ich ihm alles angetan hatte und plötzlich war es mir überhaupt nicht mehr recht das er hier war. Die ganze Zeit über war ich so egoistisch gewesen, dass ich ganz vergessen hatte, das er noch mehr unter meinen Taten zu leiden hatte, als ich selbst. Zwar war ich es, der ohne Magie auf diesem Horrorplaneten verbannt wurde, doch er war derjenige der zum wiederholten Male verraten und verletzt wurde. Schamlos hatte ich seine Güte und Liebe ausgenutzt, nur um etwas zu erreichen das Zerstörung über unsere Familie gebracht hatte. Nichts davon war mir jemals zu verzeihen. Jetzt hatte er auch noch meinetwegen seinen besten Freund belogen, nur um mich wiedersehen. Er blickte überrascht auf, als ich meinen Fuß von seinem Schoß zog und etwas von ihm wegrückte. Es brauchte nicht lange bis er verstand was mir gerade durch den Kopf ging. Ein leises Seufzen entkam ihm. Die Eispackung stellte er auf den runden Tisch vor uns, bevor er sich dann wieder mit dem Blick in meine Richtung wandte. Ich starrte auf den schwarzen Bildschirm des Fernsehers und überlegte was ich sagen sollte, bevor er das Wort ergreifen konnte. Mein Kopf war jedoch wie leer gefegt. Es gab nichts was ich sagen konnte, um die Scherben wegzukehren.

𝐴𝑙𝑤𝑎𝑦𝑠 𝑦𝑜𝑢Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt