Spätschicht 1/2

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Je näher der Beginn meiner Schicht rückte, desto nervöser wurde ich. Vermutlich steigerte ich mich einfach sinnlos in die ganze Situation herein. Aber allein die Tatsache, dass ich die ganze Geschichte nicht vorher mit Joanna durchsprechen konnte, macht mich umso wahnsinniger. Warum hat sie heute ausgerechnet die späten Vorlesungen?

Eigentlich sollte ich ja auch langsam mal anfangen meine Texte für meinen Kurs vorzubereiten, aber nicht einmal das bekam ich hin. Herzlichen Glückwunsch an mein Gehirn, dass ich es nach nichtmal 24 Stunden und dem Kontakt zu einem Typen, eigentlich in die Tonne hauen konnte. Seufzend wanderte mein Blick in Richtung Wanduhr und ich sprang hastig auf, in 30 Minuten beginnt meine Schicht und ich bin noch nicht einmal fertig angezogen. Hastig schlüpfte ich in mein hellblaues Poloshirt von Arbeit, nicht sehr feminin aber ich will ja auch nicht auf dem Laufsteg punkten. 

Im Rausgehen griff ich noch schnell nach meiner Tasche und dem Schlüssel und schon war ich unterwegs. Unterwegs zur Spätschicht. 

Die Ladentür gab wieder ihr altbekanntes Klimpern von sich, ehe ich leise über die verstaubten Dielen schlich. In dem Moment fragte ich mich wirklich, wie man eigentlich so blind sein konnte. Uns hätte viel früher auffallen müssen, dass es hier nicht wirklich legal zugehen kann, aber vermutlich glauben wir einfach zu sehr an das Gute im Menschen. Suchend ging mein Blick durch den kleinen Vorraum mit der wuchtigen Holztheke, es gab mehr oder weniger drei Türen, die von jenem Raum abgingen. Ein klappriges Brett, welches eher schlecht einen Sichtschutz zu unserem Pausenraum/Umkleide darstellte zudem gab es einen weiteren Raum, dort lagen viele Produkte die wir so verkaufen, da konnte man sich als Kunde, wenn man denn wollte, umsehen. Die letzte Tür führt in das Lager. Bevor ich mich allerdings daran machen konnte, meine Tasche abzulegen rissen mich laute Schritte aus meinen Gedanken. 

"Gerade so noch pünktlich, Cassy." , spuckte mein ekelhafter Chef geradezu aus. Und schob ein: "Deine Begriffsstutzigkeit hätte mich gestern fast den besten Kunden seit Monaten gekostet, nochmal erlaubst du dir sowas nicht, ist das klar?" Schüchtern senkte ich meinen Blick nach unten, ich wusste gar nicht so richtig was ich sagen soll. Klar fasst er uns nicht mit Samthandschuhen an - das hat er noch nie getan, aber trotzdem wurden wir nie angeschrien. "OB DU MICH VERSTANDEN HAST, CASSANDRA?" , brüllte er mich an. Seine plötzliche Heftigkeit ließ mich zusammenzucken. Vermutlich sah ich aus wie ein verschrecktes Reh, aber zum Glück schaffte ich es ein leichtes Kopfnicken zustande zu bringen, bevor er handgreiflich werden konnte. 

Noch immer verstört von der zurückliegenden Begegnung, lief ich so schnell wie möglich, am ganzen Körper zitternd in den Pausenraum. Dort atmete ich erstmal tief ein und aus, versuchte den Moment irgendwie zu verarbeiten. Doch bevor ich irgendwie dazu kommen konnte kurz durchzuatmen, platzte erneut mein Vorgesetzter in den Raum. "Das Zeug für Harry liegt in der rechten Schublade unter der Theke, weißer Beutel. Vergiss nicht abzuschließen." 

Mit diesen Worten ließ er mich alleine und ich hatte den Laden jetzt quasi für mich. Das hieß, dass ich zunächst einmal dem Wasserkocher einen Besuch abstattete und mir einen Zitronentee aufbrühte. Während das Wasser anfing zu kochen, lief ich durch den Verkaufsraum und schaute ob alles an seinem Platz liegt oder ich noch etwas aufräumen muss. 

 Nachdem ich einige Magazine gerade gerückt habe und etwas Staub von den Regalen gefegt hatte, ertönte das altbekannte Klingeln der Tür. Mein Herz rutschte mir in die Hose und ich drehte mich gefüllt mit Gefühlen der Panik und Vorfreude um.

Vor mir stand jedoch nicht Harry, sondern eine Frau um die 50, welche mich schon sehr verwundert anschaute. Ich stotterte ein: "Sehen sie sich gerne um und lassen sie sich Zeit." , heraus, bevor ich mich auf den Hocker hinter dem Tresen setzte. In Gedanken versunken trommelte ich leise mit meinen Knöcheln auf die Holzplatte, bis mich ein räuspern aus dem Konzept brachte. "Ich hätte gerne die zwei Zeitungen und eine Schachtel Zigaretten.", sie deutete mit ihrem Zeigefinger auf das Regal hinter mir. Ich nickte nur, nannte den Preis von 8,20€ und schob ihr besagte Ware rüber. 

Die nächsten Stunden zogen sich wie Kaugummi, es kam nur eine weitere Person, welche ich zunächst auch wieder für Harry hielt, aber es handelte sich um einen 70-jährigen Opa, der kaum noch laufen konnte. Er brauchte dementsprechend lange um sich seine Sachen zusammenzusuchen. Jetzt würde ich alles für ein wenig Ablenkung geben. Obwohl ich zwischendurch schon mit dem Gedanken spielte, dass der ominöse Mann gar nicht erscheinen würde. Die Zeiger der Uhr schritten unaufhörlich der 22:30 Uhr - Marke entgegen, die für mich den Feierabend bedeutete.

Gerade als ich nur noch 10 Minuten zu sitzen hatte und schon nicht mehr mit einem weiteren Menschen rechnete, betrat er den Laden. Mein Atem ging plötzlich nur noch stoßweise und in meinem Hals bildete sich ein riesiger Kloß. Eine warme Welle von Zuneigung durchflutete mich, seine Augen, umrahmt von wunderschönen langen Wimpern schauten so vertrauensvoll und voller Reue in Meine.

"Hey, du bist also Cassy." , sagte er leise. Allein die Art und Weise wie er meinen Namen betonte... Ich glaube ich will nie wieder, dass mich ein anderer Mensch mit meinem Namen anspricht. "Ja die bin ich und du willst Drogen." , platzte ich direkt raus. Meine Kommunikationsfähigkeit existierte leider nur beim Schreiben und in meinem Kopf. Von meinem Gegenüber erntete ich einen ziemlich unsichern Blick. "Es war mir irgendwie klar, dass du zu den Menschen gehörst, die sich auf so eine Sache fixieren.", murmelte er leise.

Diese Worte brachten mich aus irgendeinem Grund zum Explodieren. "Wie kann man sich denn nicht auf sowas fixieren? Hast du mal eine Sekunde Gedanken an das Suchtpotential verschwendet, deine Gesundheit, deine Familie und Freunde die dich dann an die Abhängigkeit verlieren. Vermutlich machst du es ja nicht um interessant zu wirken, denn mal im Ernst, welche Frau würde dich nicht zum Sterben schön und beeindruckend finden. Du siehst fantastisch aus, sprichst wie ein Gott und hast diese fesselnde Ausstrahlung." , ohne zu merken wie sehr ich ihm eigentlich mit meinen Worten schmeichelte, beendete ich meine Ansprache.

Seinerseits bekam ich ein sehr zufriedenes Grinsen als Antwort. Harry leckte sich provozierend über seine Lippen und seufzte leise. 

"Ich rede also wie ein Gott? Habe ich das richtig verstanden Cassy?" , sagte er mit seiner atemberaubenden Stimme, die ein zweites Mal meinen Namen formte.


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Hallo ihr Lieben! Kapitel 3 ist geschafft und so langsam entwickelt sich in der Story etwas Geschwindigkeit. Ich hoffe ihr freut euch über den Auftritt von Harry. Er wird in den nächsten Teilen mehr "Zeit" bekommen. Mich würde mal interessieren was euer erster Eindruck von ihm ist! (soweit man das bis jetzt beurteilen kann)

Zur kurzen Information wie ich die Kapitel demnächst organisieren werde:

Wie ihr vielleicht gesehen habt, ist dies Teil 1 von dem Kapitel "Spätschicht". In Zukunft werden die einzelnen Kapitel öfter in mehrere Teile aufgeteilt. Zum einen habe ich dann die Möglichkeit ausführlicher über bestimmte Situationen zu schreiben, zum anderen müsst ihr nicht ewig auf ein neues Kapitel warten, da ich auch schon Updaten kann, wenn eine Szene noch nicht beendet ist.

Das war es auch schon wieder von meiner Seite. Ich wünsche einen schönen Tag.

xxx cantstopmyheart

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