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Du zischtest, als ein Sonnenstrahl deine Wange küsste, und zogst die dunkle Kapuze der Lederjacke tiefer ins Gesicht, um deine schwarzen Augen zu schützen. Genau aus diesem Grund hasstest du den Tag - nachts von Schatten zu Schatten zu huschen präferiertest du deutlichst. Auch wenn die Menschen um die Zeit meist schliefen und sich die Jagd dementsprechend schwierig gestalteten.

So blieb dir nichts Anderes übrig, als den Köder am Tag auszuwerfen.

Das Brennen auf deinen Händen ignorierend, liefst du weiter. Denn auch wenn entgegen der Legenden deine Haut nicht verbrannte, war der Kontakt mit Sonnenlicht trotzdem weniger angenehm. Inzwischen hatten deine Knöchel sich schon rötlich verfärbt und du stelltest dich auf argwöhnische Blicke von Passanten ein, welche allerdings nur solange anhalten würden, bis du sie mit deinen Augen durchbohrtest. Dein dominantes Auftreten gab dem Ganzen den letzten Schliff. Kaum jemand fand dann noch den Mut, dich anzusehen, und jeder hastete schnell vorbei.

Als würden sie die tödliche Gefahr, die von dir ausging, wittern wie dumme Hunde.

Tatsächlich müsstest du dich noch nicht einmal anstrengen, um einem Menschen jetzt und hier den Gar auszumachen. Eine rasche Bewegung deiner Klaue, für einen Menschen kaum sichtbar; ihre Kehle in deiner Hand und ihr Blut zwischen den Rissen des brüchigen Asphalts. Das Wasser lief dir bei dem bloßen Gedanken im Mund zusammen. Einzig alleine die Gesetzeshüter der Menschen waren der Grund dafür, dass du es nicht tatest. Viel anhaben konnten diese lästigen Wesen in Uniform mit Waffen dir zwar nicht, dennoch würdest du umziehen müssen, da sie dich auf sehr penetrante Weise verfolgen würden. Doch da du dich in dem waldgesäumten Vorort von New York gerade halbwegs eingelebt und die Stadt lieben gelernt hatte, konntest du getrost darauf verzichten.

Zumal du dir vor allem insbesondere bei der Frauenwelt in dieser Stadt durchaus einen Namen gemacht hattest. Selbstverständlich keinen schlechten. Denn, welches an Männern interessierte Wesen konnte diesem Körper und diesem Charme schon widerstehen?

In Gedanken versunken zuckten die Bilder der letzten Nächte durch deinen Kopf. Flackernde Lichter, schwitzige Körper, welche sich an dich drängten, und unterwürfig schmachtende Blicke, die sich in deinen Rücken bohrten. Nicht zu vergessen die rauen Mengen Alkohol, die es nur vermochten, dich zu berauschen, den anderen allerdings alle Hemmungen nahmen.

Etwas stieß gegen deine Brust und riss dich aus deinen Fantasien. Kurz darauf folgten ein erschrockener Aufschrei und des Klatschen von mehreren Papierstapel, dessen Seiten sich nur Wimpernschläge später über den ganzen Bürgersteig verteilt hatten.

»Oh Gott, das tut mir fürchterlich leid, ich habe Sie gar nicht gesehen«, beteuerte eine junge Frau und bückte sich, um hektisch die Blätter einzusammeln, bevor die Passanten achtlos drauftrampelten.

Ein Schauer huschte dir bei ihrer weichen Stimme über den Rücken und streichelt etwas ganz tief in deiner Brust. Und vermutlich war dieses Flattern auch der Grund dafür, weshalb du anhieltest und dich neben die Kleine hocktest, um ihr zu helfen. Unter normalen Umständen hättest nur einen abwertenden Spruch übrig gehabt. Stumm halfst du der jungen Frau, die Dokumente zusammenzusuchen, und reichtest sie ihr anschließend.

Dann blickte sie dich zum ersten Mal an. Du stocktest. Ihre großen Augen raubten dir schier den Atem: Ozeanblau wie geschliffenes Gletschereis unter wolkenlosem Himmel funkelten sie dich an. Du trudeltest in ihre Tiefen und versank förmlich darin. Es war, als würden die blauen Weiten dein Herz umklammern und ihm jeden Schlag verweigern.

Und für einen Moment blieb die Welt stehen.

Es war ihr engelsgleiches Lächeln, das dich aus der Starre rief. »Danke.«

BlutsspurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt