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Seufzend lehnte sich Smilla mit dem Po gegen die Arbeitsplatte, auf der noch immer das mit Tomatensaft befleckte Brettchen lag, wo ihr besagte Frucht für die Spaghetti-Bolognese geschnitten hattet, und vergrub das engelgleiche Gesicht in den Händen. Auf eine Art schien die junge Frau geschafft. Fertig. Überarbeitet. Und irgendwie gestresst.

So tratest du vor sie und nahmst ihren zierlichen Körper in den Arm. »Hey, was ist denn los? Will das Monsterchen nicht schlafen?«

Ein kleines Lachen entwich ihr. »Doch, Lisette schläft. Und sie ist kein Monsterchen.«

»Oh doch.«

Dass Smilla so ein Ding besaß, hatte dich regelrecht geschockt. In deinen Augen waren Kinder das Nervigste, was die Menschen je hervorgebracht hatten. Du konntest nach wie vor nicht einmal in Ansätzen nachvollziehen, was sie an diesen Miniversionen von sich selbst so erfreute. Schließlich machten sie nur Ärger und im Teenageralter neigten Kinder dann auch noch stark zu dreister Undankbarkeit und Rebellion. Fu selbst würdest dir so ein Monster niemals anschaffen, allein die Unfruchtbarkeit deiner Gattung hatte dafür gesorgt. Der Gedanke, sich daher um ein fremdes Kind zu kümmern, hatte der Fantasie den Rest gegen und dich derart in deiner Meinung gefestigt, dass selbst Satan höchstpersönlich Himmel und Hölle in Bewegung setzten müsste, um dich auch nur dazu zu bewegen, deine Entscheidung zu überdenken.

Zumal die junge Frau sich alleine um dieses Wesen kümmerte. Den Vater dazu hatte sie nach dem Sex kein zweites Mal zu Gesicht bekommen. Glücklicherweise glich das Kind ihr allein bis aufs Haar: das Monsterchen hatte ihre göttlichen Augen und ihre Haarfarbe, wenngleich die Strähnen sich bei Lisette in wilden Korkenzieherlöckchen um ihren Kopf kringelten. Es wäre ja fatal gewesen, wenn sie ihren Mutter kaum ähnlich sähe.

Smilla legte ihren dünnen Arme um deine Rippen und schmiegte sich an deine Brust. Tatsächlich reichte diese winzige Geste aus, um dein Gemüt zu entspannen und gleichzeitig dein dummes Herz schneller schlagen zu lassen. Eine sanfte Ruhe nahm von dir Besitz wie ein Fluch und wog dich in einer vertrauten Sicherheit, wie du sie seit aber Dutzenden Jahren nicht mehr verspürt hattest.

Als ihr vor gut einer Woche auf der Straße zusammengestoßen wart und uns anschließend bei einem Kaffee unterhalten hatten, hatte sich dein Verlangen nach ihrer Nähe nur verstärkt. Du vermochtest es noch nicht einmal, dies expliziter zu definieren. Jedoch konntest du mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass diese Gefühle keinesfalls nur einseitig waren. Denn Smilla war es gewesen, die an dem Abend um ein weiteres Treffen gebeten hatte, als sie nach dreieinhalb Stunden gehen musste, um Lisette aus dem Kindergarten abzuholen. Seit diesem Tag wart ihr einmal im Kino gewesen und hatten auf ihren Wunsch hin einen dämlichen Schnulzenfilm geschaut, bei dem du Smilla deutlich mehr Beachtung geschenkt hattest, als den hoffnungslos verliebten Protagonisten des Streifens, dessen Namen du noch nicht einmal mehr wusstest. Vorgestern hatte sie mittags eine Freistunde gehabt und so hattest du sie zum Essen eingeladen. Dass Smilla freiwillig und sogar mit Herzblut diese Bälger unterrichtete, war in feinen schwarzen Augen mehr als nur verstörend, doch zumindest war die junge Frau aus diesem Grund in Geschichte sehr gebildet. So konntet ihr euch bei diesem Thema tief in der Materie verstricken, denn während sie die Ereignisse der Vergangenheit studiert hatte, hattest du sie an eigenen Leib zu spüren bekommen.

Ewigkeiten hattest du mit keiner Seele solch tiefgründige Gespräche führen können, was deine Zuneigung gegenüber Smilla nicht gerade minderte.

Du verdrängtest das mulmige Gefühl, welche die Vernunft in dir streute wie ein Bauer die Saat, indem sie dir wieder und wieder vor Augen hielt, dass du keine Gefühle für dieses Mädchen haben durftest, zumal das Spiel schon begonnen hatte. »Was stimmt dann nicht?«, erkundigtest du dich bei ihr und schobst die dunklen Gedanken beiseite.

BlutsspurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt