Complicated/Lecilia

Kapitel 16

„Okay..." sagt sie etwas verwirrt und legt ihr Buch zur Seite. „Was ist los?" „Können wir vielleicht wo anders hingehen?" frage ich sie unsicher und sie nickt einfach. Sie steht auf, während ich zu meinem Schrank gehe und meine Kiste hervorhole. Ich starre sie für einen kurzen Moment ängstlich an, schütteln aber dann mit dem Kopf und packe sie in meinen Rucksack. „Kommst du?" frage Sibel und mustert mich. „Ja."
Zusammen machen wir uns auf den Weg zum See. Viktor wird erst später dazu kommen, also genug Zeit, um Sibel alles zu erklären.
Wir setzten uns einfach aufs Gras gegenüber und schauen eine Weile einfach aufs Wasser.
„Also was ist los, hat es was mit den Nachrichten zu tun?" fragt sie und schaut mich besorgt an. Ich nicke und spiele nervös mit dem Ende meines T-Shirts. „Hast du doch noch Nachrichten bekommen?" fragt sie ruhig und legt eine Hand auf mein Bein. Erneut nicke ich, denn ich merke schon wie die ersten Tränen sich anbahnen und ich habe ehrlich gesagt keine Lust heute ein zweites Mal zu weinen. „Cäcilia, du musst mir schon sagen was passiert ist. Ich kann dir nicht alles einzeln aus der Nase ziehen." erklärt sie und schaut mich aufmunternd an. „Ich weiß... Es ist nur... Es ist nur nicht so einfach." „Ich weiß, aber ich werde dir nicht den Kopf abreisen und ich bin für dich da. Es gibt keinen Grund vor irgendwas Angst zu haben."
Ich nicke erneut und hole tief Luft, um mich etwas zu beruhigen. „Ich habe die ganze Zeit über weiter Nachrichten bekommen..." geschockt schaut Sibel mich an, sagt aber nichts, sondern lässt mich einfach weitererzählen. „aber ich habe sie mir nicht durchgelesen. Ich habe sie einfach in meiner Kiste gesammelt, ohne mir auch nur eine anzusehen. Ich hatte einfach zu viel Angst, dass sie mich wieder angreifen..." erkläre ich ihr und muss nochmal tief durchatmen. Ich merke, wie ich anfange leicht zu zittern und wie meine Stimme immer mehr bricht. „Hey, es ist alles gut. Lass dir Zeit, es drängt dich keiner." versucht sie mich weiter zu beruhigen und es wirkt auch. „Ich kam eigentlich voll gut damit klar, ich musste die Nachrichten nicht sehen, also hat es mir auch nichts ausgemacht... Aber eben im Training... Also danach... In der Kabine." bringe ich gerade so hervor, breche aber dann wieder ab. Die Worte erscheinen wieder vor mir und hallen laut in meinem Kopf wider. „Jemand hat groß auf einem Zettel geschrieben, welche Mädchen ich hier schon alle beim Umziehen beobachtet habe. Jemand hat es an die Wand geklebt." erkläre ich ihr und Sibel schaut erneut geschockt, aber auch total wütend. „Wer tut sowas." sagt sie laut und zieht mich dann in ihre Arme und hält mich fest. Ich liege einfach in ihren Armen und genieße das Gefühl, nicht alleine zu sein. So sitzen wir auch eine ganze Weile da, bis sie sich dann löst und mir in die Augen schaut. „Dieses Arschloch wird bezahlen." sagt sie und ich nicke.
„Ich habe vorhin Viktor auch alles erzählt und er sagt er würde jetzt erstmal versuchen herauszufinden wer es ist." erkläre ich ihr und sie nickt. „Das ist gut, auch dass du mit ihm geredet hast."
Ich hole meinen Rucksack hervor und öffne ihn. Mit zitternden Händen hole ich die Kiste hervor. „Viktor hat gesagt, es wäre das Beste, wenn wir uns die Nachrichten anschauen, weil viele per Hand geschrieben sind. So können wir vielleicht mehr darüber erfahren, wer es ist." erkläre ich ihr starre aber weiter auf das Ding, was mich schon seit Wochen beschäftigt. „Klingt nach einer guten Idee, aber bist du dir sicher, dass du das willst? Wir können bestimmt auch einen anderen Weg finden." fragt mich Sibel und schaut mich unsicher an.
Ich bin ehrlich ich habe keine Ahnung, ob ich es will. Auf der einen Seite möchte ich nichts anderes, als endlich herauszufinden, wer das ist. Aber auf der anderen Seite will ich nicht wissen, wie er oder sie versucht mich fertig zu machen. Vor allem, weil ich weiß, dass ich es danach nicht mehr einfach ignorieren kann. Erst dann wird es wirklich real, dass jemand dort draußen versucht mich wirklich richtig fertig zu machen und mich auch als wirklich abstoßend ansieht. „Du entscheidest, wenn du sagst du möchtest es dir lieber nicht durchlesen, ist es auch okay." Ich atme tief durch und überlege wirklich, es einfach nicht zu tun. Einfach die Kiste wieder in meinen Schrank stellen und nicht mehr öffnen, außer wenn eine Neue dazu kommt. Aber dann wird es nie aufhören und ich werde mir ewig weiter Gedanken darüber machen, wer es ist und was er vielleicht geschrieben hat. Es ist ja nicht so, dass ich gar nicht wissen will, was er oder sie geschrieben hat, aber ich weiß genau es wird mich verletzen.
„Okay lass uns die Nachrichten lesen." sage ich schließlich. „Bist du dir Sicher?" fragt sie noch einmal nach, aber ich habe mich entschieden und werde jetzt keinen Rückzieher mehr machen. „Okay, wenn Viktor kommt, können wir anfangen." Ich nicke einfach und entspanne mich noch ein wenig, bis er kommt. „Aber mit Leni und dir ist alles gut, oder?" fragt sie nochmal nach. „Ja, es läuft wirklich gut und deswegen will ich sie auch nicht wegen sowas beunruhigen, du weißt doch wie sie ist." „Ja da hast du recht, aber du kannst es nicht ewig geheim vor ihr halten. Irgendwann musst du es ihr sagen." sagt sie mit ernster Stimme und schaut mich eindringlich an. „Ja ich weiß, wenn wir herausgefunden haben wer es ist, sage ich es ihr." versuche ich sie etwas zu beruhigen. „Okay, aber danach gibt es kein Wenn und Aber, dann sagst du es dir."
Erneut nicke ich und damit gibt sie sich dann auch zufrieden.
Eine ganze Weile sitzen wir einfach da und sagen nichts, aber das ist überhaupt nicht schlimm. Es ist einfach eine angenehme Stille. Nachdem wir bestimmt eine halbe Stunde einfach zusammen hier gesessen haben, kommt dann auch Viktor und ich weiß echt nicht, ob ich mich darüber freuen soll oder nicht. „Hey Mädels." begrüßt er uns und setzt sich neben mich.
„Und hast du ihr alles erzählt?" fragt er mich und ich nicke einfach. „Auch, was wir jetzt machen werden?" erneut nicke ich und hole die Kiste hervor, die ich vorhin zur Seite geschoben habe. „Also, lasst uns anfangen." sagt Sibel und öffnet den Deckel.