Kapitel 3.14 - Isobel

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Kapitel 3.14 – Isobel 

 Als Severus mit Hermine in Cornwall apparierte, war er sich plötzlich nicht mehr sicher, ob das eine gute Entscheidung gewesen war. Seine Großmutter war ... und er war ... Er schnalzte mit der Zunge. Aber Hermine lenkte ihn ab. 

 „Merlin, ist das schön hier", sagte sie neben ihm und sah sich mit großen Augen um. 

 Severus tat es ihr gleich und versuchte, diesen Ort mit ihren Augen zu sehen. Das Wetter war nicht schön heute. Die Wolken hingen tief und grau über der Nordsee, es war kalt und windig. Aber es regnete nicht. Unten am Wasser war der kleine Hafen, einige Segel- und Fischerboote lagen vertäut am Steg. Das Klingeln der Metallrollen an den Masten lag in der Luft; dieses leise Geräusch, das er im Denkarium immer so schmerzlich vermisst hatte. Und in der Ferne erhoben sich die Klippen über das Meer. Er schloss die Augen und atmete tief die salzige Luft ein. Es roch nach Algen und Fisch. 

 Freiheit. 

 Als er blinzelte, sah Hermine ihn mit schief gelegtem Kopf an. „Was?", fragte er dunkel. 

 Sie lächelte. „Ich glaube, ich hab dich noch niemals zuvor so ... erlöst gesehen." 

 Er schnaubte, griff nach ihrer Hand und ging mit ihr auf das Haus zu, vor dem sie gelandet waren. Das Haus seiner Großeltern. Jetzt nur noch seiner Großmutter. Er war sich wirklich nicht sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, Hermine mitzubringen. Natürlich musste er sich irgendwann bei seiner Großmutter melden, sie war seine letzte lebende Verwandte und sie hatte wie lange nichts mehr von ihm gehört? Sie würde es ihm gleich sagen. Vielleicht hätte er erst mal allein herkommen und sie vorwarnen sollen. Die Wogen glätten, die Fragen klären, ihren Groll abfangen. 

 Er sah Hermine an. „Es war vielleicht keine gute Idee, dass du heute schon mitkommst." 

 „Ich kann auch wieder gehen, wenn dir das lieber ist", bot sie an. 

 War es ihm lieber? Nein. Im Gegenteil. Er war froh, dass sie da war, und egoistisch genug, um sie nicht wegzuschicken, auch wenn das vielleicht die bessere Entscheidung gewesen wäre. „Nein. Nimm ... dir das, was sie sagt, nur bitte nicht zu sehr zu Herzen."  

„Mach ich nicht", versprach sie. 

 Severus holte tief Luft, dann klopfte er an die rote Tür. An ein paar Stellen löste sich der Lack und das alte Holz darunter war zu sehen. Hermines Griff um seine Hand wurde ein bisschen fester, während sie warteten. 

 Es dauerte quälend lange Sekunden, ehe sich die Tür öffnete. Seine Großmutter spähte durch einen Spalt und sah ihn an, als hätte sie ihn noch niemals zuvor gesehen. Dann hellte sich ihre Miene auf. „Severus!" Sie stieß die Tür auf und schloss ihn in die Arme. 

 Severus knurrte leise, aber sie war seine Gran. Natürlich ließ er sich ihre Umarmung gefallen. „Gran ..." 

 „Wo bist du die ganze Zeit gewesen?", fragte sie, ohne ihn loszulassen. Ihre Stimme klang, als würde sie zwischen Wut und Tränen schwanken. 

 Er verdrehte die Augen. „Könntest du mich erst mal loslassen?" 

 „Nein! Du bist seit zwei Jahren nicht mehr hier gewesen! Ich hab das Recht, dich so lange zu umarmen, wie ich es will, hörst du?" 

 Da war es. Zwei Jahre. Hermine hüstelte leise neben ihm, es klang wie ein Versuch, ein Lachen zu verbergen. 

 Severus wusste nicht, ob seiner Großmutter da erst bewusst wurde, dass er nicht allein war, oder ob es ihr vorher nur egal gewesen war. Jedenfalls ließ sie ihn dann doch los und sah Hermine interessiert an. Der schoss sofort die Röte ins Gesicht. 

Advocatus DiaboliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt