12, Altmodisch

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Ich beeile mich, schmeiße alle Ordner übereinander, drehe mich hastig 180 Grad im Kreis und gebe sie Mrs. Barnel der direkt hinter mir steht. Wieder fangen meine Augen den Blick, auf das hell silberne Zifferblatt meiner Armbanduhr, kurz nach dreiviertel sechs. Carol will mich um sechs ab holen.
Ich schweife ab und räume den Rest der herumliegenden Stifte und Zettel auf meinem Schreibtisch weg. Mrs. Barnel steht nicht mehr hinter mir, er scheint gegangen zu sein. Ich mag ihn, er erinnert mich an mich selbst, als ich noch im Kaufhaus gearbeitet habe. Ich war so unscheinbar und ruhig, doch in mir drin, lief meine kleine Gedankenfabrik auf Hochtouren. Noch einmal drehe ich mich um, während ich mich in schnellen Schritten von meinem Schreibtisch entferne. Ich dränge mich durch den engen Flur und greife meinen Mantel, der am Haken zwischen all den anderen an der Wand hängt. „Miss Belivet..?" ich erschrecke ein wenig, denn ich war so in meinen Gedanken und meinem Tun versunken. „Ja?" antworte ich mir einem kleinen lustlosen Unterton, denn die Stimme konnte ich sofort zuordnen. Es war mein Vorgesetzter Frank Randall : „Miss Belivet, ich will sie nicht länger aufhalten, wie ich sehe haben sie es sehr eilig." Seine Ironie in der Stimme, ist mir schon immer sehr unwohl bekommen. „Ach nein. Alles in Ordnung." sage ich, während ich laut hörbar ausatme. Frank ist zwar mein Vorgesetzter, ihn kann ich jedoch nur wenig leiden. Er ist so altmodisch, korrekt und lebt mit seinem Denken immer noch in 1945. Ein paar Mal hat er schon seine Meinung zu den Feministinnen und Queergruppen kund getan. Seine Abneigung dazu passt perfekt zu seinem altmodischen Stil. Vielleicht ist er mir auch deswegen so unsympathisch. Er ist einfach in der Nachkriegszeit stehen geblieben.
„Ich möchte Sie gern loben, für ihre neue Collage, sie gefällt mir sehr!" Das habe ich nun garnicht erwartet, mein angespanntes Gesicht wird kurzzeitig durch ein kleines Lächeln ersetzt. „Danke, das freut mich!" Antworte ich und schon verschwindet mein Lächeln wieder. So gerne würde ich jetzt noch sagen, dass ich verabredet wäre und keine Zeit hätte, was auch der Wahrheit entspricht. Jedoch erwartet Frank bei Frauen ein stilles, fast schon unterwürfiges Verhalten. Er ändert seine Positionen und lehnt nun mit einem Arm an der Wand und mit der anderen Hand stütz er seine Hüfte. Er kommt mir näher und lächelt. Was soll dass den werden? Meine Gedanken spiegeln sich sofort in meiner Mimik und Gestik wieder, schade das er sie nicht deuten kann. Ich gehe einen Schritt zurück, denn er ist mir zu nahe gekommen. Daraufhin nimmt der den Arm wieder von der Wand und macht eine schweifende Bewegung mit ausgestreckten Zeigefinger, vor meinem Gesicht. Er lächelt kommt mir abermals unangenehm nahe und sagt: „Ach, Therese-". Ich unterbreche ihn, indem ich wieder einen Schritt zurück trete und sage: „Miss Belivet, für Sie" dabei richte ich meinen Oberkörper auf um etwas größer zu wirken. Mein Selbstbewusstsein kommt kurz zurück als es scheint, ich habe ihn besiegt, denn er schaut gar ein wenig erschrocken. Dann dreht er es wieder um und antwortetet fast arrogant: „Miss Belivet, ich finde, wir zwei sollten uns mal auf einen Kaffee treffen.".
Wie Bitte?
Dabei lächelt er wieder und fühlt sich scheinbar sicher. Sicherer als ich in diesem Moment, denn mein Selbstbewusstsein hat sich so eben wieder verkrochen. Ich kann noch immer nicht ganz glauben, dass er das gerade gesagt hat. Ich brauche einige Sekunden, atme einmal hörbar ein und fasse wieder Mut, um dieses Gespräch so schnell und professionell wie möglich zu beenden.
„Mrs. Randall ich bedauere es, Ihren Vorschlag ablehnen zu müssen. Jedoch bin ich in einer Beziehung" Seine Augen weiten sich für einen Moment, und ein erstauntes „Oh, das tut mir leid Miss Belivet" kommt aus seinem Mund. Mein Selbstbewusstsein klopft sich gerade selbst auf die Schulter und freut sich. Ich werfe erneut einen Blick auf meine Armbanduhr. Es ist fünf Minuten nach um sechs. „Und ich bin verabredet, wenn Sie mich entschuldigen würden." Sage ich von meiner Uhr aufblickend mit einem höflichen Grinsen auf den Lippen. „Ich Wünsche Ihnen einen guten Abend. Auf Wiedersehen!" Sagt er, als hätte er selbst so eben einen wichtigen Termin und beendet das Gespräch. Er dreht sich um, ohne auf eine Antwort zu warten und verschwindet.

Ich mochte ihn eben noch nie.

(714 Wörter)

CAROL : SALZ UND SEIN PREIS Fortsetzung (FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt