sogar im Dunkeln seh' ich dich

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POV Lena 


Ich sah sein Lächeln und war froh, diesen Menschen in meinem Leben zu haben. Mark gab mir Kraft in dieser schwierigen Zeit, ohne dass ich das Gefühl hatte, dass es ihm schwer fällt. Er tat es aus ehrlichen Beweggründen, und es tat gut zu wissen dass er es ehrlich meinte.
Die Hälfte der Aufzeichnungen hatten wir hinter uns, und auch wenn ich die Arbeit mit den Kids liebte, so war es heute umso schwieriger. Ich war einfach nicht in der richtigen Verfassung, um wie sonst so üblich Witze zu reißen, oder um ein Talent zu buhlen. Ich ließ mich in meinen Sitz zurück fallen, als dieser sich erneut umdrehte. Im Studio wurde es dunkel und ich versuchte mich ganz und gar auf die nächste Stimme zu konzentrieren. Ich rückte mit meinem Kopf noch ein kleines Stück näher an die Lautsprecher im Stuhl, damit ich möglichst wenig von außen mitbekam.
Als die ersten Töne erklungen, hallten sie immer und immer wieder in meinem Kopf hin und her.

you're the beat to my melody

Das Lied, welches ich damals geschrieben hatte, als alles noch gut war. Als ich mein Glück nicht fassen konnte und davon ausging, dass es für immer halten würde. Für immer. Große Worte, die ich so gemeint hatte, sie verpackt hatte, es aber für jeden klar war, wer gemeint war. Zumindest für die Menschen, die sich mit meiner Musik beschäftigten.

Ich hörte Buzzer und sah wie sich die Stühle neben mir drehten, aber ich selbst reagierte nicht. Im nächsten Moment spürte ich nur eine Hand, die nach meiner Griff, sie zart umschloss und drückte. Ohne dass ich hinschauen musste, wusste ich wer neben mir hockte. Und erneut war ich froh, dass er hier war. Die einzige Konstante die an männlichen Wesen in meinem Leben stattfand.

Mir war klar dass ich mich auch umdrehen sollte, denn nicht ohne Grund singt jemand einen Song eines Künstlers der Coach ist. Ich betätigte den großen roten Knopf und sah das kleine, braunhaarige Mädchen. Sie sah aus wie eine Mini-Variante von mir und ab diesem Zeitpunkt fing ich an es zu genießen. Das was sie tat, war gut. Sie hatte eine kräftige Stimme und momentan konnte sie dieses Lied besser über die Bühne bringen, als ich zu diesem Zeitpunkt. Ich blickte an mir runter und erinnerte mich an Marks Hand über meiner. Ich wollte mich nicht aus dem Griff befreien, denn es war eine schöne Geste und gab mir Halt in diesem Moment. Kein anderer hatte eine Ahnung wieso Mark es tat, doch hinterfragten sie dies auch nicht wirklich.

Nach der Entscheidung die nicht für mein Team ausging, war es nicht schwer sich zu beruhigen. Es war wie eine Art Befreiungsschlag, was selbst mich verwunderte.
Die Aufzeichnungen verliefen den Rest über ohne größere Komplikationen, aber mit umso besseren, gesangsstarken Kindern. Es war so schön anzusehen, wie viel Spaß es ihnen machte, auf der Bühne aufzutreten, sich auszuleben, sich zu präsentieren.

Nach der Show begab ich mich in meine Garderobe, warf mich schnell in meine etwas bequemeren Sachen und wollte mich gerade auf den Weg zu Mark machen, da klopfte es bereits und er stand in der halb geöffneten Tür. Er lehnte sich an den Türrahmen an, neigte seinen Kopf und hatte ein Lächeln auf den Lippen, über das ich mich jedes Mal gleich freute.
"Und Leni, wo machen wir es uns heute Abend bequem?" fragte er mich und zwinkerte mit einem Augen, was er jedoch nicht so gut konnte und mich schmunzeln ließ. Es sah immer etwas aus wie eine Art Zuckung, die er nicht kontrollieren konnte.
"Wenn es dir nichts ausmacht, gern bei mir. Ich hab morgen früh einen Termin mit Bella im Büro und vorher müsste ich noch mit Kiwi Gassi gehen. Sonst wird es etwas eng.." führte ich zunächst bestimmt, dann etwas leiser werdend aus, weil es schon wie eine Forderung rüber kam.
"Kein Ding, dann fahr ich schnell Nach Hause, hol uns was zu Essen und du kannst einen Film aussuchen, wenn du magst." sagte er und schaute mir dabei in die Augen, als ob er die Antwort aus diesen herauszulesen versuchte.
"Guter Plan, Forsti." gab ich zurück, drehte mich dabei aber schon Richtung meiner Klamotten um, um alles zusammen zu suchen, was ich im Raum verteilt hatte.
"Das ist aber schon okay für dich, oder? Ich mag dich nicht zu irgendetwas zwingen." kam es leise aus seiner Richtung.
Ich ließ meine Sachen auf die Couch hinter mir fallen, denn ich konnte nicht fassen dass er dachte dass es für mich nicht okay wäre.
"Ey, ich brauch das jetzt. Das hast du selbst gesagt und mittlerweile seh ich es ein. Ich bekomme das ganz sicher nicht mit mir und meinem Kopf allein geklärt, also ja, es ist okay. Es ist mehr als okay." teilte ich ihm mit und konnte erneut sein Lächeln ernten.

Er nickte und kratzte sich am Hinterkopf. Ich konnte ihm anmerken, dass er es zwar verstanden hatte, jedoch noch nicht ganz überzeugt war.

"Forsti, wirklich. Du rettest mich." traute ich mich kaum zu sagen, aber so war es.
Er schaute zunächst runter, danach erneut in meine Augen.
"Ich geb mein Bestes." war der Satz, mit dem er sich mit einem Grinsen im Gesicht und einem schwachen Winken verabschiedete.
Ich rief ihm ein 'Bis später' hinterher und schnappte mir meine Sachen und lief Richtung Auto. Meine Sachen packte ich auf den Beifahrersitz und schaltete den Motor an. Irgendein Indie-Sender lief, und ich genoss das leise Dudeln im Hintergrund. Es war zum Glück nicht mehr Rush Hour, so kam ich relativ schnell durch Berlins Straßen. Ich hielt noch bei dem Späti nebenan an um uns eine Flasche meines Lieblingsweins zu kaufen, damit dieser Abend neben Mark noch etwas anderes positives hatte.

Zuhause angekommen machte ich mich ein bisschen frisch, schnappte mir Kiwi und ging mit ihr nur eine schnelle Runde um den Block. Mittlerweile wurde es frisch und nicht nur ich, sondern auch meine Hündin wollte wieder schnell ins Warme. Ich füllte ihren Futter- sowie Wassernapf auf und bereitete danach ein paar Kleinigkeiten für Mark und mich vor. Er wollte sich zwar um die Verpflegung kümmern, jedoch könnten ein paar Snacks nicht schaden.
Zurück in der Küche griff ich aus dem Küchenschrank über mir nach zwei Weingläsern und legte den Weißwein für ein paar Minuten in den Tiefkühler, damit er eine etwas angenehmere Temperatur bekam als bisher, lauwarm.
In diesem Moment klingelte es schon und auch wenn die letzte Nacht nicht besonders erholsam war, so war ich froh dass ich jetzt noch jemanden hatte, mit dem ich darüber sprechen konnte.
Ich hatte eingesehen, dass ein in sich hineinfressen mir nicht gut tut, also musste ich zunächst durch das Chaos, damit ich wieder freier werden konnte.

Ich öffnete die Tür einen Spalt und erneut war es Kiwi, die Mark zuerst begrüßen wollte und ich holte aus dem Besteckkasten für uns beide Messer, Gabel und Löffel, da ich keine Ahnung hatte was Mark mitbringen wollte.
Ich konnte jedoch das Essen eher riechen als dass ich Mark sehen konnte, aber so wusste ich dass er gleich da wäre. Er benutzte immer die Treppe, seine Ausrede war die Fitness, ich glaube immer noch, dass er tierische Angst vor Fahrstühlen hat.

Oben angekommen öffnete er die Tür einen weiteren Spalt, trat jedoch nicht ein.
"Darf ich?" fragte er, als ob die geöffnete Tür nicht Antwort genug war.
Ich schmunzelte in mich hinein, ging zur Tür und öffnete sie ein Stück mehr.
"Natürlich, werter Herr Ćwiertnia." gab ich mit einem Knicks zurück.
"Womit hab ich denn diese wunderbare Begrüßung verdient?" kommentierte er und deutete dabei mit seiner Hand auf meinen Fuß.
"Ach, das hat gerade so gepasst und außerdem freu ich mich dass du hier bist." sagte ich, während ich bereits die riesige Papiertüte sah, die er in der Hand hielt.
"Du meinst wohl eher, dass du dich hier drauf freust, richtig?" merkte er an, hob die Hand mit der Tüte an und grinste.
"Ja, das auch. Aber auch auf dich. Würde so sagen das Verhältnis liegt bei 60:40 fürs Essen. Sorry Mark." sagte ich gespielt entschuldigend und verzog meine Mimik zu einem Hundeblick.
"Lass uns jetzt essen. Die Strafe dafür bekommst du später." kam von ihm zurück und ich wusste, dass dies nur eine leere Drohung war.

Wir machten uns auf den Weg Richtung Couch und er platzierte das Essen vor uns. Ich öffnete die bereits gekühlte Weinflasche, die ich noch auf Vorrat hatte, denn ich wusste genau dass zu zweit uns eine Flasche heute Abend nicht reichen würde, und schenkte uns beiden etwas ein.

"Ich weiß nicht wie oft ich es noch sage, aber Marki. Geil. Ich lieeeebe diese Pommes mit Trüffel und Käse. Ich könnte mich reinlegen." lallte ich schon fast, denn irgendwie zeigte der Wein heute tatsächlich mehr Wirkung als sonst.
"Sieht man, du hast überall Käse." hauchte er, als er mir mit seinem Finger etwas von der Lippe strich und sich selbst in den Mund steckte.
Kurz verwirrt blickte ich zu ihm und neigte meinen Kopf leicht.
"Na, schmeckts?" entgegnete ich ihm kokett und wartete gespannt, aber auch zurückhaltend auf seine Antwort.
Mark drehte sich leicht, griff nach seinem Weinglas und räusperte sich leicht. 


"So noch viel besser."

Noch einmalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt