Kann nicht glauben, was du sagst

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POV Mark

Es war schon spät, als mein Telefon auf dem Nachttisch neben mir zweimal leicht brummte.
Eigentlich war ich zu müde und wollte mich nicht noch einmal dem Licht entgegen drehen, denn der Tag war lang und anstrengend und ich wollte nur noch schlafen. Aber ich war neugierig, wer um diese Uhrzeit noch etwas von mir wollte. Es konnte sich nur um einen der Messenger oder um mein Mailfach handeln, denn den Rest hatte ich vor langer Zeit stumm geschalten, so dass ich nicht sekündlich auf mein Telefon starrte, wenn es surrte.

Ich griff also doch nach meinem Telefon und sah bereits wer etwas von mir wollte, oder besser gesagt, wer sich gemeldet hatte.
Ihre Nachricht war simpel, jedoch so bedeutungsschwer. Und nun war ich froh, dass ich ihr den kleinen gelben Notizzettel hinterlassen hatte. Es war keine große Sache, aber ich hoffte, dass sie zumindest für einen kurzen Moment lächeln konnte. Natürlich war es nur ein Anfang auf dem Weg ihr zu helfen, jedoch besser ein kleiner Schritt, als gar keiner.
Antworten wollte ich ihr eh, aber ich wusste nicht was dem ganzen gerecht werden würde. Schlafen würde sie wahrscheinlich eh schon, also starrte ich mein Telefon an. Länger als ich wollte, weil auch ich langsam müder wurde.

„Lena, für dich immer. Vergiss das nicht. Schlaf gut." schickte ich nun doch schneller ab als gedacht und legte es neben mir auf dem Kopfkissen ab.
Ich war dabei mich umzudrehen aber es vibrierte erneut.
„Schlaf besser. :)" war ihre Antwort auf meinen Gute Nacht Gruß und offenbar war sie doch noch nicht so schläfrig wie ich, und ich gab mir Mühe nicht sofort einzuschlafen, was jedoch schwieriger war als gedacht.
„Na gut, aber nur weil sie es so wünschen." schrieb ich und steckte das Telefon zum laden an das Kabel, welches vom Nachttisch herunter hing.
Ich bekam die Antwort nicht mehr mit, so schnell war ich eingeschlafen.


POV Lena

Mir war bewusst dass es spät war und ich konnte mir denken, dass Mark bereits eingeschlafen war, denn auch ich spürte, wie die Müdigkeit mich erneut überkam. Mehrfach drehte ich mich, als ich versuchte einzuschlafen, doch die richtige Position ließ sich nicht finden.
Erneut griff ich zu meinem Telefon und schrieb nun jemand anderem. Max.

Er hatte sich die letzten drei Tage nur einmal kurz gemeldet und auch das war eher wie eine Bandansage bei einem Callcenter. Mittlerweile fragte ich mich häufiger, welche Rolle ich momentan in seinem Leben spielte. War es die der lammfrommen Freundin, die alles tat und glaubte, was er sagte? Die, die sich tot schuftete und es ihn kaum interessierte? Oder musste man sich einfach daran gewöhnen, dass auch eine Beziehung Alltag wird, und in gewisser Weise auch „trocken"?
Es war mir durchaus bewusst, dass nach über acht Jahren Beziehung das anfängliche Kribbeln im Bauch einem nicht mehr täglich einen Besuch abstattete. Aber so gar nicht mehr...das wollte ich nicht.
Ich wollte das Kribbeln. Ich wollte eine Beziehung, die mir täglich ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Mehr von dem anfänglichen Hüpfen des Herzens, immer wenn man die andere Person sieht. Und ich wollte es mit Max. So sehr.
Doch mein Herz, das wollte es nicht mehr.

Und so tippte ich, und löschte wieder. Wieder und wieder, denn was schreibt man dem Mann, mit dem man sich alles vorstellen konnte, doch diese Träume und Vorstellungen immer blasser wurden?

„Hey mein Max, ich vermiss' dich hier, wann kommst du wieder?" schickte ich ab und atmete tief durch. Durch das geöffnete Fenster drang ein kühler Wind durch die Vorhänge und ließ meine Haare an den Armen aufstehen. Ich kuschelte mich tiefer unter die Decke und starrte jedoch weiter auf mein Telefon.
„Hey du, weiß noch nicht, vielleicht in zwei Wochen." kam nach kurzer Zeit von Max zurück und viel weniger Emotion in einer Nachricht war wahrscheinlich nicht mehr möglich.
Ich starrte weiter auf die Nachricht, las sie wieder und wieder. Kein ‚ich vermiss dich auch' oder ‚du fehlst mir'.

Ich tippte auf das Hörersymbol und hoffte, dass er abnehmen würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich ihn am anderen Ende, jedoch war es eher ein genervtes Schnaufen, als eine wahrnehmbare Begrüßung.

„Hey Max, hast du ne Minute?" flüsterte ich leise in mein Telefon.
„Hm, passt schon." kam nur als leichtes Raunen zurück und ich hatte das Gefühl, dass er nicht richtig bei der Sache war.
Ich reagierte nicht, denn seine Laune schien nicht die beste zu sein und genau jetzt war ich mir auch nicht mehr sicher, ob es die beste Idee war ihn um die Uhrzeit darauf anzusprechen, was zwischen uns war.
„Lena?" holte er mich aus meinem Gedanken-Wirr-Warr zurück.
„Ja äh, lass uns lieber morgen telefonieren, ich.. das war ne dumme Idee, sorry. Schlaf gut." wollte ich das Gespräch beenden, doch er zeigte nun doch eine Regung.
„Was wolltest du sagen? Soll ich zurück kommen? Ist es das was du willst? Dann kann ich dir gleich sagen, dass kann ich noch nicht. Das ist die Chance meines Lebens, und es läuft gut. Sehr gut sogar. Es tut mir leid dass ich nicht da bin, aber das war ich schon so oft für dich. Du musst auch mich verstehen. Ich hoffe du kannst das." schmetterte er mir die Worte ins Ohr, aber es fühlte sich an, als würde eine große Faust gleich mit in Richtung meines Gesichtes zielen und treffen. 


Das hatte ich nicht erwartet, denn ich wollte uns retten, wenn man schon davon reden konnte.
Ich versuchte zu atmen, doch auch das fiel mir plötzlich nicht mehr so leicht wie zuvor. Ich nahm mich zusammen und brachte dann doch einige Worte heraus, auch wenn diese der Situation nicht gerecht werden konnten.
„Max... ich versteh dich, doch du fehlst mir. Aber so will ich das nicht. Ich mag mich nicht streiten, ich möchte uns wieder so wie früher. Meinst du wir schaffen das?" war meine Stimme nur zaghaft, gar kaum am anderen Ende zu verstehen.
„Hey du, ich kann das jetzt nicht beantworten, schlaf lieber eine Nacht drüber und wir reden morgen, ich meld' mich." war seine Antwort, mit der er auch gleichzeitig das Telefonat beendete und mich im Dunkeln ließ.

Er hatte einfach aufgelegt und ich sollte laut seinem Rat eine Nacht drüber schlafen? Hatte er überhaupt mitbekommen, dass es mir nicht gut ging?
Meine Beziehung hing an einem seidenen Faden, der immer mehr gespannt wurde, durch jedes Wort was gesprochen, oder eben auch verschwiegen wurde.

Es rasten 8 Jahre im Schnelldurchlauf in meinem Gehirn ab, jeder gute Moment, jeder doch so schwere Stein, der uns in den Weg gelegt wurde und so viel mehr.
Ich wollte weinen und schreien, doch mir fehlte die Kraft. 

Noch einmalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt