Teil l

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Meine Familie und ich zogen raus aus der Stadt. Wir hatten die Nase voll von unfreundlichkeit und diesem ständigen Lärm. Ich habe es einfach nicht mehr ertragen, die vielen Autos, die vielen Menschen, diese verdreckte Luft, einfach alles.

Es war ein harter Kampf aufs Dorf zu ziehen, es ist nicht gerade ein Katzensprung von unserem alten bis zu unserem jetzigen Zuhause. Ein paar Freunde hinter sich lassen, eine neue Schule besuchen, eine ungewohnte Gegend mit neuer Nachbarschaft, vor all dem hatte ich große Angst. Okay..viele Freunde hatte ich noch nie, da ich ein sehr ruhiger Mensch bin. Das mir leider auch schon oft genug zum Verhängnis wurde. Jedoch fühle ich mich bei meiner Familie sehr gut aufgehoben auch wenn mein Vater sich momentan ein wenig komisch verhält.

Doch das grüßte Problem war, meinen Vater erst einmal zu überreden überhaupt wegzuziehen. Er redet immer davon, dass er noch eine Menge zu erledigen hätte. Wir haben niemandem unseren neuen Wohnort bekannt geben dürfen. Warum mein Vater das so wollte, konnte ich mir echt nicht erklären. Das er momentan aber schon genug Stress hat, habe ich beschlossen ihn in nächster Zeit nicht darauf anzusprechen eher dann wenn sich die Lage bei uns beruhigt hat.

Mein Vater liebt seine Arbeit über alles, er ist Fleischer mit Herz und Seelte. Seit dem wir hier wohnen hat er eine eigene Fleischerei eröffnet, sie läuft nur leider noch nicht so gut, da wir noch keinen Anschluss gefunden haben. Ich habe das Gefühl, das die Menschen uns hier nicht haben wollen. Herr Durak von nebenan meinte schon, dass mein Vater diesen "Drecksladen" gar nicht erst eröffnen soll, sonst kann er was erleben, hieß es.

Unser Nachbar, Herr Durak ist wirklich nicht der netteste. Er sah uns am Tag wo wir unsere ersten Möbel herbrachten das erste Mal. Was von seiner Seite aus kam war alles andere als eine freudige Begrüßung. Als ich ihn leicht anlächelte bekam ich nichts anderes als einen Blick zurück, den ich kaum beschreiben kann. So eiskalt und hasserfüllt, einfach grausam. Vielleicht hatte er nur einen schlechten Tag? Oder schaute er immer so? Haben wir ihm etwas getan?

Herr Durak ist ein älterer, verwitweter Mann, mit einem riesigen Bierbauch. Gepfelgt sieht er nicht gerade aus mit seinen schmalzigen,angeklatschten,gatschigen Haare. Mich überkommt immer noch ein kleiner ekel wenn ich daran denke. Ich habe diesen Mann bisher ein Mal lächeln sehen, ein Mal , nicht mehr und nicht weniger. Er scheint wie ein anderer Mensch, wenn er mit seinem Hund Rudi unterwegs ist. Rudi ist ein Schäferhund aber ein ganz süßer. Der passt mal so gar nicht zu Herr Durak..ach wie gern ich auch einen Hund hätte.

Aber was mich sehr wundert ist, dass Herr Durak immer wenn er mit seinem Hund gassi geht, einen riesigen Rolli mit sich schiebt. Den bekommt er auf dem Rückweg kaum noch zu. Nur was sollte er im Wald finden? Okay sein Grundstück sieht leicht aus wie ein Messihaushalt aber meine Mutter sagt mir oft genug, dass ichmich mit diesem älteren Mann einfach nicht auseinander setzen sollte. Immer soll ich ihn mit einem breiten Grinsen anlachen, wenn ich ihn sehe. Wie mich das ankotzt !

Zurück kommt natürlich nichts, was mich sehr aufregt. Ich würde ihm am liebsten meine Meinung sagen aber zu einem guten Nachbarschaftsverhältnis trage ich dazu natürlich nicht bei. Mutti versuchte mir neulich zu erklären, dass Herr Durak hier bisher alleine wohnte, er hatte seine Ruhe, die er in seinem Alter anscheinend brauchte. Er lebte schon viele Jahre in seinem bescheidenen, kleinen Bungalow. Unser Haus, in dem wir jetzt seit 2 Wochen leben, stand laut meinem Vater ganze 2 Jahre leer. Soll ein Schnäppchen gewesen sein.

Ich werde mir keine weiteren Gedanken über unser Anwesen machen. Ich meine warum sollte so ein wunderbares Haus leer stehen? Und das 2 Jahre? Ich zerbreche mir den Kopf nur nicht darüber, weil ich glaube sonst in Panik verfalle und irgendwelche Nachforschungen anstelle. Meine Eltern würden ausrasten wäre ich wieder auf diesem Detektiven Tripp.

Unser Anwesen ist so wunderbar ! Ein schnuckliges Haus mit einem hinreißenden Garten, sogar einem kleinen Pool, der von der größe her, eher einem Planschbecken gleicht. Alle Zimmer sind so herrlich groß, mindestens doppelt mal mehr Platz als in unserer schäbigen, winzigen Wohnung in der Stadt. Wenn ich schon an unsere Wohnung denke, wie wir dort gelebt haben, auf so kleinem Raum..

Wären unser Nachbar nicht so ein Grießgram, würde das Geschäft meines Vaters gut laufen und ich neue Freunde finden wäre alles hier einfach besser. Mein Bruder, Felix ist jünger als ich und trotzdem hat er schon Anschluss in seiner neuen Klasse gefunden. Er ist dort so etwas wie der Klassenclown. Aber gut ich werde einfach nicht mehr so schüchtern sein, dann finde auch ich Anschluss an meine Klasse ! Mit ein paar Jungs verstehe ich mich schon recht gut aber mal schauen wie die nächsten Wochen verlaufen.

..meine Mutter ist immer noch auf der Suche nach einer Arbeit. Sonst hantierte sie als Schneiderin.Aber sie bemüht sich einen guten Platz zu finden um uns viel bieten zu können. Ach ich liebe Mutti so sehr, sie gibt mir Kraft. Jedoch finde ich es schon schade, dass ich Vaters besten Freund nie mehr zu Gesicht bekommen werde.

Auch wenn er um weiteres älter war als ich, ich konnte mit ihm über alles reden und so viel lachen, wie mit niemand anderem. Nicht einmal meine beste Freundin konnte ihm annähernd das Wasser reichen. Vati gefiel es nie, dass ich mich mit ihm so gut verstand, da er es ungewöhnlich fand, dass ein 15 Jähriges Mädchen einen 35 jährigen als ihren besten Freund ansieht. Ich konnte das zwar verstehen aber es war mir egal, was er sagte auch wenn es oft Streit deshalb gab.

Das zerstückeln von Fleisch und das hantieren mit Innereien war für mich schon nie schön mit anzusehen. Letztens stand ich unerwartet in Vati seiner Fleischerei. Er quälte mich doch tatsächlich seine "Köstlichkeiten" zu probieren, weil kaum jemand sie kaufte. Das er verzeifelt war ist verständlich, jedoch gibt es ihm dann das Recht es in meinem Mund fast reinzuprügeln? Ich hatte in diesem Moment angst vor ihm, angst vor meinem eigenen Vater.

Ich habe nie Probleme mit Vater gahabt aber da er so beschäftigt ist mit seiner Arbeit, verliert er mich und meine Mutter total aus den Augen. Mit meinem Bruder schraubt er ab und zu mal am Auto rum, weil der sich freut wie ein Schneekönig.

Ein paar Tage, nach dem Vorfall in der Fleischerei entschuldigte Vati sich bei mir und fragte mich ob wir ein wenig mit dem Motorrad fahren möchten. Ich sagte natürlich sofort ja, denn sowas lasse ich mir garantiert nicht entgehen. Er sagte er möchte mir die Gegend zeigen. Doch aus unserem geplanten "Vater-Tochter Ausflug" wurde nichts. Besser hätte es nicht kommen können.

Als wir an der Fleischerei vorbei fuhren, sahen wir das die Fensterscheiben eingeschlagen und leicht beschmiert waren. Auf dem Fenster konnte ich einen Kreis mit einem Kreuz darin entdecken. Ich konnte mir das Zeichen nicht erklären also dachte ich mir, die Poliziei, die regelt das schon.

Während dessen Vater die Polizei wegen der Sachbeschädigung informierte, starrte mich die ganze Zeit eine ältere Frau an. Nach einer Weile ging ich zu ihr, immerh hin war es eine gute Möglichkeit etwas über die Nachbarschaft herauszufinden. Ihr gehörte die alte Bäckerei, die sehr beliebt und gut besucht war. Ich stellte mich bei ihr vor und erzählte ihr, das meinem Vater die neue Fleischerei gehörte.

Sie nickte und starrte auf meinen Vater. Ich dachte mir nichts dabei, denn sie machte nicht den Anschein als wäre sie die jüngste, sie träumte vor sich hin. Total in Gedanken versunken, wer uns wohl die Scheiben eingeschlagen hat, fragte sie mich wo wir genau eingezogen sind. Ich bemerkte erst nicht, dass sie mit mir sprach, da es sich wie ein leieses winseln anhörte. Also fragte ich noch einmal nach und beantwortete ihre Frage.

Als ich sagte, dass wir in dem abgelegenen Teil des Dorfes wohnen, neben Herr Durak, wirkte die Frau aufeinmal wie gelehmt. Ich dachte sie würde keine Luft mehr bekommen. Doch nun starrte sie mich mit riesigen,glasigen Augen an..

Schleichender TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt