New York Songs

Kapitel 3

Mit dem Kuchen in der Hand verlasse ich Frau Carlans Wohnung und laufe gegen eine Wand.

Nein, es ist keine Wand, es ist ein- er. Er kann gerade noch ausweichen, bevor sie sein Shirt ruiniert.

Die Zeit scheint sich zu verlangsamen und ich überlegte bereits, wie ich mich entschuldigen sollte, aber als ich aufblicke, um mich zu entschuldigen, landet mein Blick auf dem muskulösen Oberkörper, den sein schwarzes T-Shirt nicht gerade versteckt.

Tattoos bedecken seinen Bizeps, und ich stelle mir vor, dass die sich bis zu seiner Schulter und zu der gemeißelt aussehenden Brust ziehen, die man durch die dünne Baumwolle erkennt. Ein abgetragenes braunes Lederarmband ist um sein Handgelenk gewickelt, und als ich ihm ins Gesicht blicke, erstarre ich.

Seine Augen passen nicht zum Rest - sanft und warm, die Farbe irgendwo zwischen türkis und Himmelblau.

Sie stehen in krassen Kontrast zu den kantigen Linien seines Körpers und dem Kiefer, der unter einem drei-Tage-Bart versteckt ist, so dunkelbraun wie sein zerzaustes Haar. "Sorry."

Ich mache einen Schritt zurück, damit er vorbeigehen kann.

"Es war ein Missgeschick."

Seine Stimme war tief, dass ich direkt eine Gänsehaut bekam und auf seinen zugegebenermaßen perfekt geschwungenen Lippe bildete sich ein amüsiertes Lächeln.

"Das passiert".

Röte stieg mir ins Gesicht und mir war diese Situation so unangenehm, dass ich mich umdrehe und meine Tür mit einem "Sorry nochmal" schloss.

Ich lehnte mich mit dem Rücken an meine Tür, oh mein Gott war das peinlich. Da begegne ich einmal einen heißen Typen und mir fällt nicht besseres ein als zu flüchten.

Ich schlug meinen Kopf noch dreimal gegen die Tür bis ich mich motivieren kann aufzustehen und Clara anzurufen.

Nach dem dritten Klingen nahm Clara meinen Videoanruf an und ich wurde von Tausenden und abertausenden Pixeln begrüßt, die sich langsam zu meiner besten Freundin zusammensetzten.

Ich erkannte eine bunte Wand im Hintergrund. Vermutlich befand sie sich in ihrem Atelier.

" Du hast neue Haare", war meine erste Aussage, als das Bild nach ein paar Minuten endlich klarer wurde.

Sie fuhr sich mit der Hand durch die Haare und schüttelte den Kopf hin und her, um mir die ganze Pracht ihrer neuen Frisur zu präsentieren.

"Frisch für dich, meine Liebe."

Ich kniff die Augen zusammen. Zwar probierte sie ständig neue Dinge aus, aber in den Jahren, in denen ich sie kannte, hatte sie, wenn überhaupt, nur die Spitzen ihrer braunen Haare schneiden lassen - und selbst das gerade ein- oder zweimal im Jahr.

Jetzt saß sie mit einem akkuraten Bob vor mir. "Was ist der Grund für deine Typ-Veränderung."

Ich konnte es aufgrund der schlechten Qualität des Videos nicht gut erkennen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie das Gesicht zu einer bettelten Schnute verzog.

"Dein Gesicht gefällt mir gar nicht", sagte ich mit einer bösen Vorahnung. Statt auf die Stichelei einzugehen, fuhr sie sich ein weiteres Mal durch die kurzen Haare und seufzt.

Sie zog den Kopf ein, als würde sie sich für den weiteren Verlauf des Gesprächs wappnen.

" Einerseits weil ich nach meiner letzten Beziehung eine Typ-Veränderung brauchte und andererseits, weil es vielleicht Karten für dieses Konzert dieser Hammer Boyband habe, die Boyband von der ich dir die Musik geschickt habe. Bitte Lia du musst einfach mit mir hingehend an wärst du auch die aller beste Freundin auf der Welt", mit einem bettelnden Gesichtsausdruck schaute Clara mich an "bitte Lia".

" Du weißt schon das da nur Teenager sein werden und sie schrecklich am Kreischen sein werden", versuchte ich sie umzustimmen. "Bitte, bitte Lia".

Warum kann ich auch nie ein Wunsch ausschlagen?

"Na gut wann ist denn dieses Hammerkonzert?".

Auf Claras Gesicht bildet sich ein strahlendes lächeln "schon dieses Wochenende, ich habe Tessa auch schon gefragt sie ist auch dabei"." Das kann ja was werden" sagte ich mit einem genervten stöhnen. Tessa ist mindestens ein genauso großer Fan von dieser Band wie Clara.

" Ich muss jetzt leider auflegen du weißt ja das Bild, was ich noch fertig bekommen musst"."klar wir sehen uns dann ja am Wochenende", gebe ich mit einem genervten stöhnen von mir.

Denn restlichen Tag verbrachte ich damit, denn Kuchen von Frau Carlan zu essen und mir auf Netflix romantische Liebesfilme anzuschauen. Wen man schon selber keinen Freund hat, kann man sich ja wenigstens anderen Leuten dabei zusehen wie sie glücklich werden.

Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nicht mal einen richtigen ersten Kuss geschweige denn einen Freund. Ich weiß, dass das ziemlich unnormal für jemanden ist der zwanzig Jahre alt ist. Aber so ist es nun mal. Mir ist einfach nie jemand über den Weg gelaufen, bei dem ich das Gefühl hatte, das ich in ihn verliebt war oder so. Vielleicht liegt es auch einfach daran das ich zu schüchtern war und nie einen vernünftigen Satz rausbringe, wenn ein Junge vor mir steht, der mir gefallt.

Nachdem ich denn vierten Film beendet habe, schaue ich auf die Uhr. Wir haben mittlerweile achtzehn Uhr vielleicht sollte ich so langsam Frau Carlans Backform wieder zurückbringen. Also rappelte ich mich auf und tapste in Socken rüber zu Frau Carlans Wohnung.

Ich atme tief ein und drückte mit meinem Finger auf die Klingel. Während ich warte, ließ ich die warme Abendluft in meine Lunge strömen. Die von dem kleinen Fenster im Treppenhaus hinüber weht.

Die Tür öffnet sich ein Spalt weit und der Kopf von Frau Carlan schaut hinaus. Aus der Wohnung ertönte gedämpftes Gemurmel. Wahrscheinlich hatte sie besuch.

" Es tut mir leid zu stören, aber ich hab noch ihre Backform" mit einem entschuldigenden Blick legte ich meinem Blick auf die freundlich lächelnde Frau ", das ist doch gar kein Problem, ich hab gerade Besuch von meinem Enkel, er war schon lange nicht mehr hier. Wenn du willst, kannst du mit uns zu Abend essen, es gibt Lasagne. Die magst du doch so gerne".

Ich dachte zurück an die Situation im Flur und an meinen peinlichen Abgang. Und bei der Vorstellung das sich so eine Situation wiederholt, wurde mir ganz schlecht.

Wer weiß denn wer der Enkel von Frau Carlan ist. Vielleicht ist es ja ein gutausehender Mann und ich bekomme wieder kein vernünftiges Wort zustanden. Mit diesem Gedanken wende ich mich an Frau Carlan.

Ich räuspere mich und setzte eine entschuldigende Miene auf " Leider kann ich ihr angebot nicht anehmen, meine Kühlschrank ist leer und ich muss dringend einkaufen". Das war zumindesten keine Lüge denn ich muss wirklich einkaufen.

Ich verabschiedete mich nocht mit einem entschuldigenden Lächeln und machte mich schnell auf zurück in meine Wohnung.