Too Soon To Say Goodbye, Sis. || 13 Reasons Why Fanfiction [GERMAN]

Breathing.

„Und wie äußern sich diese Gefühle bei dir?"

„Ich weiß es nicht genau... Es fühlt sich alles so weit weg an, als würde ich die Situation nicht selbst durchleben, sondern sie von ganz weit weg betrachten."

Doktor Ellmann sah mich an. Er notierte sich etwas auf seinem Notizblock, der Kugelschreiber kratzte über das Papier.

„Manchmal habe ich das Gefühl, innerlich schon gestorben zu sein", meinte ich leise, während ich auf meine Hände starrte.

„Kannst du mir das genauer erklären?", fragte er, wobei er sanft lächelte.

„Wo soll ich anfangen?", fragte ich, „Es gibt eine Menge zu erklären."

Er notierte wieder etwas, der Kugelschreiber kratzte erneut.
„Am Anfang wäre gut, oder?"

Ich nickte leicht und atmete tief durch.

„Alles begann kurz nach dem Ende des Prozesses wegen Hannah Baker. Justin saß noch in Untersuchungshaft. Und Clay war die Ganze Zeit nicht da. Er war eher unterwegs, mit Tony", begann ich, machte aber eine Pause, um meine Gedanken zu sortieren.

„Und dann kam alles Schlag auf Schlag. Tyler kam zurück von seinem Programm und wir hatten uns für das Spring Fling verabredet. Wir hatten vereinbart, dass ich ihn um sieben anrufen würde, wir würden uns dann um halb acht im Monet's treffen. Aber bis zu dem Anruf um sieben kam es gar nicht"

Doktor Ellmann sah mich an und notierte die ganze Zeit etwas auf seinem hässlichen, gelben Notizblock.

„Am Tag, an dem Tyler zurückkam, war die ganze Baseballmannschaft in Aufruhr. Tyler und Cyrus hatten das Feld zerstört, deswegen wurde die Saison für die Liberty High abgesagt. Sie nahmen nicht an den Meisterschaften teil, was die Schuld von Tyler und Cyrus war. Keiner traut sich an Cyrus ran, deswegen haben sie sich Tyler ausgesucht", erzählte ich.

„Und was ist Tyler passiert?", fragte Doktor Ellmann nach.
„Das kann und werde ich ihnen nicht sagen. Das ist allein Tylers Entscheidung"
Doktor Ellmann nickte.

„Als sie herausfanden, dass ich mit Tyler zu dem Tanz gehen würde, wählte die Baseballmannschaft auch mich aus. Ich wurde gefragt, ob ich Ihnen bei den Mathehausaufgaben helfen könne. Ich sagte zu, ich hätte ja nicht ahnen können, was passiert. Also haben wir ausgemacht, dass wir uns nach der Schule am Footballfeld treffen. Also stand ich dann am Footballfeld und habe auf Montgomery, Scott, Bryce, Zach und Marcus gewartet. Sie kamen dann auch und schlugen vor, ins Clubhouse zu gehen. Ich hatte damit kein Problem, dort wäre es wahrscheinlich sogar ruhiger als in der Bibliothek, hatte ich gesagt. Also gingen wir in dieses Clubhouse und Montgomery schlug direkt vor, erstmal einen Joint zu rauchen, für die bessere Konzentration und so. Ich hatte vorher noch nie gekifft also war ich etwas nervös", ich pausiert kurz, um erneut tief durchzuatmen.

Doktor Ellmanns Stift kratzte immer noch auf dem Papier des Notizblocks.

„Ich hab mitgeraucht, ich hätte ja die Wirkung nicht wissen können. Und ich dachte, die Jungs würden mich nicht belügen. Und das war die schlimmste Entscheidung meines Lebens. Sie ließen mich so viel des Joints rauchen, dass ich wirklich sehr high war und dadurch ohnmächtig wurde. Und ich erinnere mich nur noch daran, aufgewacht zu sein, mit zwei Penissen in meiner Vagina und einem in meinem After. Ich erinnere mich, dass ich geschrien habe, mir aber der Mund zugehalten wurde. Ich erinnere mich an immense Schmerzen. Und ich erinnere mich daran, dass Zach das Clubhouse verließ, weil er dies nicht mehr aushielte, zumindest glaube ich, dass ich das gehört habe. Und dann erinnere ich mich noch an die unglaublichen Schmerzen, die sie mir zugefügt haben, weil ich danach sofort gehen sollte, natürlich nachdem ein Polaroid aufgenommen wurde", erzählte ich alles, woran ich mich erinnerte. Ich hatte vieles verdrängt, ausgeblendet, vergessen.

Doktor Ellmann schrieb sich noch etwas auf.
„Danke, dass du mir das erzählt hast, Amy", sagte er lächelnd, „Aber wie kam es dann zu dem Amoklauf, der glücklicherweise gestoppt werden konnte?"
Ich schluckte.

„Ich rief Tyler noch an diesem Abend an. Ich sagte, dass wir etwas tun müssen und er stimmte mir zu. Er meinte, er hätte eine Idee und ich sollte einfach am Tag des Spring Fling um sieben bei ihn sein. Er würde sich um alles kümmern. Ich hatte ihm dann gesagt, dass ich nichts gewalttätiges tun wolle, sondern eher im Hintergrund die Fäden ziehen wolle, ich hatte eine leise Idee was er vorhaben könnte. Ich kam aber trotzdem am Tag des Spring Fling um sieben zu ihm. Wir warteten bis seine Eltern zu einem Date aufbrachen, bevor wir Tylers Auto mit den Waffen beluden und zur Schule fuhren. Besser gesagt, ich fuhr. Tyler war dabei, sich einen Plan zu machen, wie er möglichst unbemerkt in die Sporthalle reinkommt. Er schrieb lediglich Mackenzie, Cyrus' Schwester, dass sie sich in Sicherheit bringen solle. Und das war unser großer Fehler in dieser Nacht. Natürlich nach dem anderen großen Fehler, die Schule zusammenschießen wollen. Clay hielt Tyler auf. Und er fuhr mit Tony weg. Clay stieg zu mir ins Auto und er sagte mir, wo ich hinfahren sollte, den Rest würden wir zu einem anderen Zeitpunkt klären. Als wir dann irgendwann endlich zuhause waren, ist Clay ausgerastet. Er ist richtig ausgeflippt, warum ich nicht mit ihm gesprochen hätte. Aber irgendwann verstand er, dass ich Zeit brauchte, um es überhaupt erstmal zu verarbeiten. Und dann hat Clay Sie angerufen. Und er hat den ersten Termin für mich ausgemacht, erinnern Sie sich?"

Doktor Ellmann notierte sich jedes einzelne Wort, was er für wichtig erachtete, sein Stift kratzte noch immer.

„Und ich bin stolz auf dich, dass du mir das erzählt hast. Ich bin dir unglaublich dankbar dafür, Amy", sagte Doktor Ellmann, bevor die kleine Stoppuhr auf seinem Beistelltisch piepte, was das Ende unserer heutigen Sitzung bedeutete.

„Glaubst du, du kannst dich deinen Freunden anvertrauen?", fragte Doktor Ellmann, kurz bevor ich den Raum verlassen wollte. Ich nickte.

„Ich versuche es"

Er lächelte mich an.

„Wir haben heute einen riesigen Schritt in die richtige Richtung gemacht", lächelte er, „wir sehen uns nächste Woche."

Ich lächelte ebenfalls.

„Bis nächste Woche"

Ich verließ das Gebäude und setzte mich in den dunkelgrünen Prius, den einer meiner Brüder fuhr, um mich abzuholen.

„Und? Lief's gut?", fragte Justin, der auf dem Fahrersitz saß und schien, als würde er schon länger auf mich warten.

„Ja, alles super."

Er nickte und startete den Motor. Ich schnallte mich an und wir fuhren nach Hause.
Auf dem Weg schrieb ich eine Nachricht in die „Hands-off"-Gruppe.

Können wir uns morgen nach der achten Stunde im Raum treffen? Ich glaube, ich muss euch was erzählen.

Ich hatte es getan. Ich hatte wirklich den Mut aufgebracht, zumindest schon mal nach einem Treffen zu fragen.
Und ich würde mutig genug sein, meine Geschichte zu teilen. Vielleicht war ich eines Tages auch mutig genug, Montgomery, Bryce und Marcus anzuzeigen.

Doch wer würde die Konsequenzen zu spüren bekommen?