Vorbereitung

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Leise schnurrend fuhr der 5er-BWM über die Auffahrt auf den Parkplatz des Autohofes. Die Bremsschwellen nahm er gelassen und ich suchte mir einen der vielen freien Parkplätze direkt an der Wand des Restaurants aus. Die Sonne begann bereits unterzugehen und legte die Berge im Hintergrund in ein schwummeriges Orange. Eigentlich ganz schön, wenn nicht alle zwei Sekunden eine Fliege versuchen würde auf meiner Nase zu landen. Ich war mir sicher es würde heute noch regnen, die schwüle Luft machte einem das Atmen schwer. Ich betrat die kleine Rezeption des Motels. Es gab einen Schreibtisch, hinter dem eine Frau saß und gelangweilt den Kopf in die Hände gelegt hatte. Neben ihr stand ein Ständer mit Broschüren von großartigen Wanderwegen, die Sie bestimmt noch nicht kennen und in der Ecke neben dem Eingang vegetierte eine Palme vor sich hin. Als die Dame die Türglocke hörte schreckte sie hoch, offenbar hatte sie nicht mehr erwartet heute noch einen Gast zu bekommen. "N'Abend" murmelte die Frau "Zimmer für eine Nacht?" Gesprächig war die nicht gerade, sollte mir aber Recht sein. Ich nickte nur und sie schob mir ein Formular für meine persönlichen Daten rüber. Das macht 30, zahlen Sie bar oder mit Karte? Bar, und könnten Sie mir Zimmer elf geben? Ist meine Glückszahl. Sagte ich und hielt ihr einen Fünfziger hin. Als sie mir das Rückgeld gab, sah sie mich an als versuchte ich ihr Monopoly-Geld anzudrehen. Ich kam mir bei der Frage selbst etwas lächerlich vor, aber das war mir egal. Sicher. Antwortete sie. Hinter der Frau hing ein kleines Schlüsselbrett, an dem noch kein einziger Schlüssel fehlte, davon überreichte sie mir einen und fügte hinzu. Zimmer elf also. Die Treppe hoch und durch den Flur. Mit der linken Hand deutete sie vage zum Durchgang auf der anderen Seite des Raumes. Danke. Brummte ich und nahm den Weg, den sie mir gewiesen hatte. Der Flur war mit einem seltsam gemusterten Teppich ausgelegt und die Wände hätten auch mal wieder gestrichen werden können, aber sich über die Inneneinrichtung eines Motels zu beschweren erschien mir zwecklos. Zimmer elf war am Ende des Flurs, zwischen den Türen zu Zimmer neun und zehn. Durch den Türspion konnte man vermutlich den ganzen Korridor überblicken. Die Einrichtung des Zimmers war so langweilig wie sie unansehnlich war und konnte allgemein mit dem Wort beige zusammengefasst werden. Noch einmal musste ich mich daran erinnern, dass mir das egal sein konnte, schlafen würde ich hier sowieso nicht. Meinen Rucksack legte ich auf das Fußende des Bettes, viel mehr Platz war in dem winzigen Zimmer auch nicht. Kurz dachte ich darüber nach, noch in das angeschlossene Restaurant zu gehen und eine Currywurst zu essen, schlug mir die Idee aber gleich wieder aus dem Kopf. Erst musste ich das Zimmer durchsuchen. Der Schrank war leer, und in dem Badezimmer konnte ich auch nichts Besonderes finden. Mehr gab es in dem Zimmer nicht, nicht einmal Raum für einen Schreibtisch gab es. Es schien aussichtslos, verzweifelt sank ich auf dem Bett zusammen. Das hier war nur ein normales Zimmer, man hatte mich reingelegt und ich würde einen Kredit aufnehmen oder Privatinsolvenz angeben müssen. An der Schranktür gegenüber von mir war ein Spiegel befestigt, in dem ich mich selbst betrachtete. Ein trauriger Haufen, den ich da sah. Und ein Paket unter dem Bett! Ich legte mich auf den Teppich und musste meinen Arm ganz ausstrecken, um das Paket zu fassen zu kriegen und es zu mir heranzuziehen. Krampfhaft versuchte ich dabei die zentimeterdicke Staubschicht und die Krümel, die sich unter dem Bett angesammelt hatten, nicht zu berühren. Was ich hervorholte war ein klassischer Aktenkoffer aus schwarzem Leder mit goldenen Schnallen. Für einen Augenblick war ich fest entschlossen den Koffer wieder unter das Bett zu schieben, diesen Autohof mit 180 Sachen zu verlassen und nie zurückzuschauen. Dennoch zwang ich mich ihn aufzuklappen und hineinzusehen. Mit einem Schnappen öffneten sich die Verschlüsse, doch als ich den Inhalt sah schloss ich den Koffer sofort wieder. Nach ein paar langen Atemzügen hob ich den Deckel erneut an. Ich hatte mich nicht getäuscht, natürlich nicht. Schließlich hatte ich geahnt, was mich erwarten würde. Auf Bündeln von Geld lag ein Revolver, daneben ein kleiner Karton mit Patronen, und an der Innenseite des Deckels war ein Umschlag festgeklebt. Wieder schloss ich den Koffer. Was sollte ich jetzt tun? Was konnte ich jetzt tun? Hatte ich meine Wahl nicht getroffen als ich dem Fremden im Internet zugesagt hatte? Das war viel Geld in dem Koffer, damit wären die Spielschulden beglichen und ich hätte wahrscheinlich sogar noch etwas übrig. Meinen

Lebensstil könnte ich weiterführen und niemand bräuchte jemals etwas davon zu erfahren. Das redete ich mir ein und löste den Umschlag vom Kofferdeckel. Auf einem einzigen Blatt Papier waren die Anweisungen wie ich die Schulden begleichen würde. Sorgfältig versuchte ich mir die Instruktionen durchzulesen, jedoch verschwammen die Buchstaben vor meinen Augen und ich musste mehrmals von vorne anfangen. Irgendwann hatte ich die Worte verstanden und wusste, was ich zu tun hatte. Bis es soweit war würde ich versuchen mich abzulenken, damit ich nicht wahnsinnig werden würde. Daher setzte ich mich an das Kopfende des Bettes und wollte ein wenig lesen. Ein wenig Zeit hatte ich laut dem Papier noch totzuschlagen. Die Buchhändlerin hatte den Spionageroman als "Das Buch des Sommers, wenn Sie das nicht lesen haben Sie echt was verpasst" angepriesen, und da ich keine Ahnung von Literatur hatte, war ich ihrer Empfehlung gefolgt.

Fremdes OpferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt