Nachdem ich wieder in mein Zimmer zurückgekehrt war, fand ich noch viel schlechter Schlaf, als schon zuvor.
Ich weiß nicht genau, wann ich von unserem nächtlichen Ausflug wieder gekommen bin, aber als die Sonne hinter den Baumwipfeln aufging, hatte ich höchstens zwanzig Minuten im Bett gelegen und ernsthaft versucht zu schlafen, nur um dann wieder aufzuspringen und in meinem Zimmer auf und ab zu laufen.
Mirolan hat seine zukünftige schon. Also hat eigentlich niemand mehr eine Chance.Ich lauschte dem monotonen Geräusch meiner nackten Füßeauf dem hölzernen Boden. Tapp, tapp.
Aber wen hat er sich ausgesucht? Doch hoffentlich nicht Caitlin. Nein, die durchschaut selbst er. Lexa?Tapp, tapp.
Die schon eher. Wie ich sie hasse!Tapp, tapp.
Silver? Ihr würde ich es gönnen - zumindestens mehr, als den anderen. Vielleicht ist es auch Oriadne? Und dass sie weg wollte, hat Mirolan vollkommen verunsichert?Tapp, tapp.
Und ich? Komme ich überhaupt in Frage? Bei unserem ersten Treffen, nachts im Garten, war er nur freundlich. Das allgemeine Treffen mussten wir ja alle machen.Stille. Tapp, tapp.
Die nächsten beiden Treffen waren nur eine Abmachung. Nichts, was darauf hindeutet, dass er mich will.Tapp, tapp.
Soll ich mich jetzt freuen? Ich wollte doch sowieso nur wegen dem Geld teilnehemen. Und jetzt?Tapp, tapp.
Keine Gefühle, Yora. Du darfst nichts fühlen!Stille.
Aber warum fragt Mirolan seine Auserwählte nicht einfach? Dann wüsste er doch, ob sie ihn auch will.Tapp, tapp.
Aber warum, wollte er mir nicht sagen, wer es ist? Glaubt er, ich würde es ihr verraten?Tapp, ta-
Plötzlich schwang die Tür auf und meine Zofen kamen herein.
"Lady Yora, Ihr seid schon wach", stellte Loren überrascht fest.
Ich schaute spielerisch an mir herunter und betrachtete meine Hand, als würde ich sie zum ersten Mal sehen. "Tatsächlich", spielte ich überrascht, "Das mir selbst das nicht aufgefallen ist!"
"Dafür haben Sie ja uns", grinste Elizabeth und trat mit den anderen zusammen ein, "Tut mir Leid, aber Ihr seht schreklich aus"
"Habt Ihr denn nicht geschlafen?", fragte Tailea besorgt.
"Wenig", murmelte ich und begann mich fertig zu machen.
Der Tag verlief eigentlich nicht anders als gestern, Frühstück, Tanzstunden, Ballplanung.
Wir waren relativ schnell mit unserem Teil der Organisation fertig, weshalb die Königin persönlich unsere Speisen und Getränke beurteilte, was alles in allem recht gut ablief.
Schließlich stellten wir unsere Ergebnisse vor. Zugegeben, bei der Gruppe 'Empfang' hörte ich kaum zu, so dass ich nur aus Glück erfuhr, dass wir bei dem Einlass in den Palast alle die selben Kleider tragen und hinter den Wachen ebenfalls Spalier stehen würden.
Oriadne stellte unser Ergebnis vor. Und dann kam Caitlins Gruppe dran. "Unser Motto ist Märchenball", verkündete Caitlin lächelnt, "Wir sind der Meinung, dass wir damit, da auch viele ausländische Gäste dort sein werden auf jeden Fall ein Gesprächsthema haben werden"
Aha. Märchen. Will sie etwa, dass ich als Aschenputtel gehe? Bestimmt nicht!
ich brauchte etwas richtig gutes, wenn auch nur um Caitlin eine reinzuwürgen.
Nach dem der Vorstellung folgenden Mittagessen kehrte ich wieder in mein Zimmer zurück, um meinen Zofen das Motto zu verkünden.
"Märchen?!", rief Elizabeth freudig aus, "Oh, das ist ja so romantisch altmodisch"
"Vielleicht solltet ihr als Cinderella gehen", überlegte Loren, "Das würde doch passen!"
"Nichts für ungut, aber ich halte das irgendwie für vorhersehbar", erklärte ich entschuldigend.
"Stimmt, wir brauchen irgendetwas, das nicht so bekannt aber trotzdem schön ist, etwas, das zu dir passt", lenkte Loren ein, "Wartet kurz"
Sie ging aus der Zimmertür und eilte den Gang herunter.
Ich tauschte verwunderte Blicke mit den überig gebliebenen Zofen und wartete auf Lorens Rückkehr, die auch wenige Minuten später erfolgte.
"Hier", sagte sie beim hereinkommen
und knallte ein dickes in Ledergebundenes Buch auf meinen Schreibtisch, "Die größte Märchensammlung, die wir hier haben"
Ich trat neben Loren und die anderen beiden folgten mir.
"Was haben wir hier", Loren fuhr mit dem Finger über das Inhaltsverzeichnis, "Hmm... Rotkäppchen?"
"Och ne, das ist so klischeehaft", meinte Elizabeth, "Vielleicht Schneewittchen?"
"Blasse Haut? Schwarze Haare?", Tailea schüttelte den Kopf, "Was haltet ihr von 'Der Adler'*?"
"Das ist die Idee!", jubelte Loren, "Wir können ein Kleid mit Federn und Flügeln gestalten und - Oh ich weiß!"
"Stopp!", unterbrach ich meine volkommen euphorischen Zofen, "Worum geht es in dem Märchen überhaupt?"
"Es ist relativ neu - zumindest im Vergleich zu den anderen hier im Buch", began Tailea zu erklären, "Im Groben geht es um ein Mädchen, welches von ihrer Mutter wegen Geldnot an eine Hexe verkauft wurde. Diese verwandelt das junge Kind in einen Adler und erzieht sie zu ihrer Späerin. Irgendwann flieht die Adlerin von der Hexe und trifft irgendwie auf den Königssohn, der in einer Schlacht gegen das Böse kämpft. Die beiden schließen sowas wie Freundschaft und bekämpfen ihre Feinde gemeinsam. Es stellt sich heraus, dass die Hexe hinter all dem Bösen steckt und als der Königssohn sie mit Hilfe seines Adlers vernichtet und damit das Königreich rettet, verwandelt sich der Adler wieder zurück in ein Mädchen und daraufhin heiraten das Adlermädchem und der Prinz"
Ich schwieg eine Weile. "Loren hat Recht", sagte ich dann Ernst, "Das ist die Idee. Ihr wisst gar nicht, wie zutreffend das ist", fügte ich hinzu und zwang mich zu einem Lächeln. Es war ein trauriges Lächeln, ein Lächeln, dass mich an meine Mutter erinnerte.
"Also findest du es gut?", holte mich Elizabeths Stimme in die Gegenwart zurück, "Auch die Idee mit dem Federkleid?"
"Ja, ich bin mir sicher, ihr werdet das wundervoll hinbekommen", sagte ich ungewohnt zuversichtlich.
----------
*Anm.: Das Märchen entspringt ausschließlich meiner Fantasie, also wer jetzt sofort auf Google gegangen ist und nach 'Der Rabe' gesucht hat, hat wahrscheinlich nichts gefunden. Sorry.
Möglicherweise schreibe ich noch irgendwann noch ein Kapitel mit dem ausfürlichen Märchen.
DU LIEST GERADE
The Selection ~ Yora's Geschichte
Fanfiction1 Prinz - 35 ausgeloste Mädchen, die die Chance haben, ihn zu ihrem Ehemann zu machen und dazu noch in dem Palast des Königs von Illeá leben dürfen. Eigentlich der Traum aller Mädchen - nur nicht der Yora's. Nicht nur, dass sie nichts von der Monach...