Der Albtraum phallischer Erniedrigung

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Ich bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube, ich träumte in einer dieser diffusen Nächte im Nebel der Schlaftabletten den ersten von vielen sonderbaren Träumen. Früher hielt ich nicht viel von Träumen und glaubte, sie wären einfach nur bedeutungslose und verwirrte Produkte des schlafenden Gehirns, aber die Träume nach der Trennung brannten sich mit ihrer Symbolkraft in mein Gedächtnis.

Auf Anregung meines guten Freundes Dr. Wolfsmann, der eine Obsession mit Carl Jungs analytischer Psychologie und der Deutung von übernatürlichen Symbolen und Mythen pflegte, begann ich vor einigen Jahren solche Träume niederzuschreiben. Sonderlich klug wurde ich aus ihnen nicht und der einzige psychologisch kundige Mensch, dem ich halbwegs vertraute, ist mit dem Wolf vor zwei Jahren gestorben. Aber ich habe die untrügliche Intuition, dass diese Träume ein Teil des Puzzles sind, welches ich zwar nicht verstehe, aber das eines Tages ein aufmerksamer Historiker mithilfe dieser Aufzeichnungen zusammensetzen wird, um zu entschlüsseln, was vor zehn Jahren in diesen schicksalhaften Monaten in mir und Europa wirklich vor sich ging.

Der erste Traum begann wie mein Fall und alle folgenden in Dunkelheit.

Nur in Lumpen gehüllt stand ich zitternd und durchnässt an einem Strand irgendwo in Südeuropa. Das eisige Streicheln des Windes an Waden, Wangen und Armen zog eine Gänsehaut über meinen Körper. Das Mittelmeer glänzte wie eine unendliche Scheibe flüssigen Pechs im Vollmondlicht. Einige hundert Meter von mir entfernt, sah ich eine leuchtende, wunderschöne Gestalt, gehüllt in weißer Seide wie Pallas Athene, die sorglos durch die Brandung spazierte. Es war Anka. Sie lächelte mich an und winkte mir zu. Ich winkte zurück und rannte los. Ich wollte sie umarmen und dann vor ihr auf die Knie fallen, um den Heiratsantrag zu machen.

Doch mit jedem Schritt, den ich auf sie zu rannte, schien der Abstand zwischen uns zu wachsen. Sie schrumpfte am Horizont. Mein Herz raste, der Schweiß strömte an mir hinab. Da ertönte ein Donnern.

Unwillkürlich blieb ich stehen. Ein Blitz zuckte über den Horizont und erleuchtete tausende von Schlauchbooten, die plötzlich aus der Finsternis des Meeres brachen und auf die Küste zusteuerten. Sie waren überfüllt mit jungen, schwarzen Kriegern, nackt und tätowiert, bis auf die Zähne bewaffnet mit Kalaschnikows, Speeren und Dolchen.

Eine animalische Angst ergriff mich, die zur Panik heranwuchs, je schneller die Schlauchboote mit den Invasoren näherkamen. Ich schrie, um Anka zu warnen, aber sie lächelte mich nur noch breiter an. Archaisches Gebrüll und Gesang übertönte das Rauschen der Wellen. Die ersten Schlauchboote prallten gegen den knirschenden Sand und eine Masse von hunderttausenden, glänzend dunklen Körpern flutete den Strand und riss Anka mit sich. Sie verschwand lachend in der tosenden Finsternis des schmutzigen und tätowierten Fleisches. Ich schrie gelähmt vor Angst, während immer mehr Schlauchboote landeten und die endlosen Kriegerscharen ins Landesinnere strömten.

Aus den Massen löste sich eine Gestalt und rannte in springenden Schritten auf mich zu. Ihre weißen Zähne und das Weiß in den Augen leuchtenden wie das Grinsen eines Totenschädels. Ich erkannte Jamal, den Liebhaber Ankas. Sein muskulöser Körper war wie der des jungen Gottes Mars, nur bekleidet in einem Lendenschurz aus purpurroter Seide. In den Fäusten hielt er einen massiven Speer. Ich stand da, ein erbärmliches Häufchen Elend, ein blasser, dünner Junge und bevor ich reagieren konnte, durchstieß der Speer meine Brust, durchbrach Knochen und Gewebe, mich in den Boden nagelnd.

Ich sank auf die Knie und die dunklen Massen tanzten jaulend und archaische Lieder singend und klatschend um mich, während die schwarzen Blüten des Todes sich vor meinen Augen öffneten und mich verschlangen.

Der FaschistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt