Zwei Götter zum Preis von einem

4.9K 393 20
                                    


Als ich durch einen Stupser gegen den Rücken aufgeweckt wurde, hatte ich das Gefühl, höchstens drei Stunden geschlafen zu haben.
Wenn überhaupt.
Dabei war ich doch pünktlich um neun ins Bett gegangen, nachdem sich die anderen Teammitglieder und Fury verabschiedet hatten.
Diese waren nämlich trotz Clints wütenden Abgang noch geblieben und hatten sich das bestellte Essen schmecken lassen.
Ja, selbst Fury.
Ich hatte ihn bis jetzt nie essen sehen.
Es war verstörend.
Jedenfalls hatte ich mich frühzeitig hingelegt und konnte somit gar nicht so müde sein.
„Wach auf.“
Grummelnd riss ich meine Decke über den Kopf, die mir eine Sekunde vorher von einem gewissen Gott weggezogen wurde.
„Loki… Noch fünf Minuten…“
Natürlich ließ er sich nicht so einfach abwimmeln und ich spürte, wie er sich rotzfrech neben mir auf die Matratze platzierte.
„Steh auf.“
Mit Schwung verpasste ich ihm einen Schlag mit dem Arm, der in der Ausführung wesentlich schwächer war, als noch in der Planung.
„Verschwinde aus meinem Bett.“
Das tat er nicht, weshalb ich kurzerhand mein Bein in Bewegung setzte und gegen seines trat.
„Geeeeeh weeeeg!“
Seine Antwort war ein Piekser in meine Seite, der mich zusammenzuckten ließ.
Immer noch unter der Decke drehte ich mich zu ihm herum, hob diese etwas an und sah zu ihm.
„Es ist früh… Lass mich schlafen!“
Ich sah Lokis amüsierte Miene und dann das Display meines Glasscheibenhandys.
Dieses zeigte genau Mitternacht an.
Einen Moment brauchte mein Gehirn um die Uhrzeit zu verarbeiten, doch dann begriff es und ich riss mir die Decke vom Kopf.
„Willst du mich auf den Arm nehmen?!“
Damit war das Rätsel meiner verwirrten, inneren Uhr geklärt.
Es fühlte sich deshalb so an, als hätte ich nur drei Stunden geschlafen, weil es wirklich so war.
Auf meine Reaktion hin, grinste er breit und erhob sich nun.
„Du hast die letzten zwei Tage Glück gehabt. Durch Thor war ich zu sehr abgelenkt, um an das Training zu denken. Jetzt aber kommst du nicht mehr drum herum.“
Wusch!
Schon war ich wieder in meinem schützenden, wärmenden Kokon.
„Ich bin betrunken und habe einen Kater… Geh weg.“ versuchte ich es noch einmal.
Loki seufzte hörbar und ich vernahm, wie er die Whiskeyflasche von meinem Nachttisch nahm.
„Du hast nur ein Glas getrunken, bevor Stark dir die Flasche weggenommen hat. Du hast also weder einen Kater, noch bist du betrunken. Und selbst wenn, denkst du, das würde mich aufhalten?“
Mist… Leider hatte er Recht.
Mein Plan war es gewesen, die Flasche wenigstens bis zur Hälfte zu leeren, um die Sache mit Clint ein wenig in Vergessenheit geraten zu lassen.
Aber mein Vater – jetzt wo es das Team wusste, nannte ich ihn nun endlich auch so – hatte mir da einen Strich durch die hochprozentige Rechnung gemacht.
Ganz nach dem Motto „Alkohol ist auch keine Lösung“.
Normalerweise war ich ganz seiner Meinung… Aber heute hätte ich das echt gebrauchen können.
Nach Tonys Eingriff hatte ich also, anstatt sie zu leeren, mit der Flasche gekuschelt, in der Hoffnung, durch das Glas, alkoholische Ausdünstungen aufzunehmen.
Absolut bescheuert, ich weiß.
Seufzend entschlüpfte ich meiner Hülle.
„Du wirst keine Ruhe geben, oder?“
„Du kennst mich eben zu gut.“
Meine Antwort war ein „Hm-pf“.
Als er sich immer noch nicht vom Fleck bewegt hatte, obwohl ich schon an meinem Schrank war, verengte ich die Augen,
„Raus! Du wirst dir sicherlich nicht meine Unterwäsche ansehen.“
Sein Grinsen sagte daraufhin, dass er es darauf angelegt hatte.
„Es hätte klappen können.“
Beim Hinausgehen, bekam er ein Paar Socken an den Hinterkopf.

Kaum im Trainingsraum angekommen, blieben wir auch schon verdutzt stehen, als wir sahen, dass nicht nur wir die Idee hatten, zu trainieren.
„Was für eine Überraschung.“ ließ Thor grinsend verlauten und wandte sich von dem Boxsack ab, der bereits ziemlich ramponiert aussah.
„Was macht ihr hier?“
„Tja… Was macht man wohl in einem solchen Raum? Wir wollten ein wenig Tee trinken und uns über die Weltwirtschaftskrise unterhalten. Willst du dich uns anschließen?“ fragte Loki trocken und ging auf die Matten am Boden zu.
Lachend folgte ich ihm, während Thor seinem Adoptivbruder verdutzt nachsah, amüsierte sich dann aber genauso darüber wie ich und folgte ihm.
„Man merkt das du und Sarah viel Zeit miteinander verbringt. Du nimmst ihren Sinn für Humor an.“
Daraufhin runzelte ich die Stirn.
„Also ich bin viel lustiger als er. Außerdem war es mehr Sarkasmus als Humor.“
Thor nickte verstehend und schlug mir dann grinsend auf den Rücken.
„Es ist jedenfalls wunderbar.“
Ich war etwas nach vorn getaumelt, da der Gott seine Kraft nicht unter Kontrolle hatte.
Mit verengten Augen und einer Hand auf den Rücken, stellte ich mich neben Loki um eventuelle weitere „Angriffe“ gleich im Keim zu ersticken.
„Können wir anfangen? Ansonsten hab ich schon blaue Flecken, bevor wir überhaupt angefangen haben.“
Er nickte und deutete sogleich auf den Boden.
Die Erwärmung begann mit einigen Dehnübungen und Liegestützen, gespickt mit ein paar Sit-Ups.
Thor sah die ganze Zeit über interessiert zu.
„Du trainierst sie?“
Loki und ich seufzten synchron.
Wir beide sparten uns aber einen sarkastischen Kommentar.
Als keiner von uns antwortete, nickte der Donnergott.
„Das fasse ich als ein „Ja“ auf. Aber warum? Du bist schließlich nicht der geduldigste.“
Der letzte Satz war für mich ein Grund, meine Übung abzubrechen und ihn empört anzusehen.
„Soll das heißen bei mir brauch man Geduld? Ich bin sehr Lernfähig.“
Loki sah zwischen mir und Thor hin und her, ehe er bei dem Hünen hielt.
„Es ist wahrlich nicht leicht… Aber ich bin eben vom Herzen ein guter Mensch und helfe den Schwächeren… Und Leuten wie ihr.“
„Hey!“
Meinem Tritt wich er leider aus.
Schmunzelnd bedeutete er mir aufzustehen, was ich dann auch tat.
Aber nicht weil er es gesagt, beziehungsweise gezeigt hatte.
Ich wollte sowieso aufstehen.
Ganz genau.
Nun war das richtige Training an der Reihe.
Thor schaute sich dieses vom Rand aus an und hatte hochkonzentriert die Arme verschränkt, während ich versuchte, mich gegen Loki zu behaupten.
Natürlich hatte ich keine Chance, dennoch schaffte ich es aber, einige seiner Angriffe abzuwehren.
Je länger das so ging, desto mehr merkte ich, dass ich das Training nach diesem Tag gebrauchen konnte.
Allmählich kam nämlich der Ärger über Clints Verhalten einige Stunden zuvor zurück, den ich so prima in meine Schläge und Tritte einbinden konnte.
Das merkte auch mein Gegenüber.
Loki täuschte einen Schlag mit der Rechten an, ich fiel darauf herein und wich nach links aus, nur um ebenfalls mit Rechts zu kontern.
Ich hatte jedoch zu viel Schwung, was Loki ausnutzte und mir problemlos ein Bein wegkickte.
Die Schwerkraft tat ihren Rest und sorgte dafür, dass ich unschön mit der Schulter auf der Matte aufkam.
„So… hast du deinen Fehler erkannt?“ fragte mich der schwarzhaarige und zog abwartend eine Augenbraue hoch.
„Ich hätte dir zwischen die Beine treten sollen?“ war meine gemurmelte Antwort, als ich mich auch schon wieder aufsetzte und mir den Arm rieb.
Thor mischte sich ein und bot mir die Hand an, um mir aufzuhelfen.
„Du bist immer noch aufgebracht, nicht wahr? In einem Kampf darfst du deine Emotionen niemals zeigen oder dich von ihnen ablenken lassen. Du hast gemerkt warum. Du warst zu sehr darauf konzentriert, soviel Kraft wie möglich in den Schlag zu legen. Loki hat das ausgenutzt. Du musst immer auf den Kampf fixiert sein. Okay?“
Meinem Schmollmund nach zu urteilen, war es nicht okay.
„Einfach draufhauen wäre viel… einfacher.“
„Es wäre geistlos. Und jetzt lass uns weiter machen.“ warf Loki ein.
Seufzend stellte ich mich ihm wieder gegenüber, jedoch mischte Thor sich ein.
„Vielleicht wäre es mal etwas anderes, wenn sie gegen mich antritt.“
Ohne auf Lokis Antwort zu warten, schob er diesen beiseite und stand nun grinsend vor mir.
„Schließlich trittst du in deinem Leben nicht nur gegen eine Art von Gegner an.“
Stirnrunzelnd sah ich zu Loki, der Thor wegen dessen „tätlichen Angriffes“ einen bösen Blick zuwarf, dann aber in meine Richtung mit den Schultern zuckte.
„Leider hat er Recht.“
Na toll.
Irgendwie hatte ich gerade überhaupt keine Lust auf Experimente.
Zudem war meine Motivation, ausgerechnet gegen den Donnergott zu kämpfen, auch wenn es kein richtiger Kampf war, nicht wirklich vorhanden.
Aber den Blonden Hammerschwinger umzustimmen, wäre viel zu anstrengend und nutzlos gewesen, weshalb ich mich meinem Schicksal stellte.
„Alles klar...“
Ich stellte mich in Position und achtete auf meine Fußstellung, um einen guten Stand zu haben.
Wie hatte Clint mal gesagt?
Ein guter Stand war das A und O eines erfolgreichen Angriffs.
Moment… Clint…
Argh! Dieser Idiot!
Um zurück zum eigentlichen Thema zu kommen…
Ich stand also prima in der Gegend herum, während auch Thor sich bereit machte.
Die nächste Stunde über war geprägt von ausweichen, angreifen, Tritten und Schlägen.
Im Gegensatz zu Loki aber, war das Training mit Thor richtig spaßig.
Zwar machte ich selbst bei ihm ständig Fehler, doch taten seine Konter wenigstens nicht so weh und es war wesentlich entspannter.
Mein Ärger flaute wieder ab.

Wir hatten uns alle drei auf dem Boden niedergelassen, wobei ich im Gegensatz zu den beiden Göttern auf dem Rücken lag und an die Decke starrte.
Es war spät und ich einfach müde.
„Das war doch lustig. Schade dass ich morgen früh bereits schon wieder zurück nach Asgard muss. Ansonsten wäre ich gern noch einmal gegen dich angetreten.“ sagte Thor plötzlich und klopfte mir auf das Bein.
Ich sah zu ihm.
„Du musst schon wieder weg? Ich dachte du bleibst länger?“
Er nickte.
„Ja, aber da hier nun alles geklärt ist und ihr mich erst einmal nicht braucht, habe ich mich entschieden wieder zurück zu gehen. Solltet ihr mich jedoch brauchen, dann ruft mich einfach. Heimdall wird es dann weiterleiten.“
„Yeah, dann kann ich mich wieder mit ihm unterhalten.“ lachte ich, weshalb Thor grinste.
Loki hatte für das ganze nur ein Schulterzucken übrig und stand auf.
„Dann kehrt also endlich wieder Ruhe ein.“
Er ging zum Fahrstuhl und verschwand in diesem.
Wir beiden übriggebliebenen sahen ihm nach, bis die Türen sich geschlossen hatten.
Dann wandte ich mich wieder dem anderen Gott zu.
„Er wird sich jetzt in seinem Zimmer verbarrikadieren und Rotz und Wasser heulen, weil er dich so vermissen wird.“
Thor lächelte leicht.
„Wir wissen beide dass das nie passieren wird. Mittlerweile hab ich es akzeptiert, dass diese brüderliche Verbindung die uns damals so zusammengeschweißt hat, unwiderruflich zerstört ist. Woran ich aber glaube ist, dass er sich ändert. Jeden Tag ein wenig mehr. Und das nur dank dir.“
Ich setzte mich auf.
„Du übertreibst. Ich habe nicht viel gemacht.“
„Doch. Im Gegensatz zu den anderen hast du ihn nicht die ganze Zeit als Feind betrachtet und sogar dafür gesorgt das er mit uns kämpft und wir anderen das akzeptieren. Um ehrlich zu sein… Als er in Asgard in eine Zelle gesperrt wurde, hab ich ihn… abgeschrieben. So sagt ihr Menschen doch immer.“
„Ich kann dir ja ein Wörterbuch mitgeben. Dann kannst du ein paar Sprichwörter lernen.“
„Das wäre äußerst zuvorkommend von dir.“
„Ich weiß. So bin ich eben.“
Er schmunzelte und räusperte sich dann.
„Um aber wieder auf Loki zurück zukommen… Egal wie du es machst, mach damit weiter. Wie bereits gesagt, du besserst ihn.“
Nun erhob auch er sich.
„Es ist spät. Du solltest ins Bett gehen.“
Ich lachte und ließ mich von ihm hochziehen.
„Du klingst wie meine Mutter.“
Thor zog seine Augenbrauen hoch.
„Wie bitte?“
Wieder lachte ich nur.

Am nächsten Morgen saß Loki nicht wie üblich mit einer Zeitung in der Küche, oder auf dem Sofa.
Er stand mit den Händen in den Taschen am Fenster im Wohnzimmer und drehte sich um, als ich eintrat.
„Nicht wundern, Thor ist bereits weg.“
„Was? Warum das denn?“ erwiderte ich überrascht.
Er zuckte mit den Achseln und ging in die Küche, wohin ich ihm folgte.
„Na dann kann er sich beim nächsten Mal auf etwas gefasst machen. Einfach so abzuhauen…“
Ich schüttelte missbilligend den Kopf und blickte dann zu Loki, der sich an den Tisch setzte.
„Was ist eigentlich mit dir?“
Der Gott verschränkte die Arme auf der Tischplatte und grinste mich dann an.
„Jetzt kannst du ja mal für mich so ein tolles Frühstück machen.“
„Du bekommst nicht einmal einen Schokoriegel von mir.“ entgegnete ich trocken und machte mich daran, etwas zu Essen für MICH zustande zu bringen.
Ich hörte Loki seufzen.
„Einen Versuch war es wert.“

Am Abend machte ich mich wie immer für das übliche Neunzehn-Uhr-Training fertig.
Zwar war ich immer noch sauer auf Clint, doch der klügere gab schließlich immer nach und zudem war das Training wichtig.
Nur hatte ich eine mulmige Vorahnung, welche sich dann auch bewahrheitete.
Der Agent tauchte nicht auf.

Der Spaß geht in die neue Runde!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt