10 ~ Blooming Blood

878 67 43
                                    

Euphorisch steuerst du Kai Parkers Zimmer an.
Die Angst, die Bedenken - All das ist unerwartet über Nacht verschwunden. Zumindest fühlt es sich für dich danach an. Es ist seltsam, doch du fühlst nur noch Neugier und Aufregung, als du die Hand auf die Türklinke legst und sie langsam herunter drückst.

"Guten Morgen", strahlst du und huscht durch die Tür.
Blickst den jungen Mann an, der auf dem unbequemen Bett liegt. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Augen starr auf die Zimmerdecke gerichtet. Du nimmst wieder den Duft von Aftershave und Pfefferminz wahr. Ein unwillkürliches Lächeln schleicht sich auf deine Lippen.

Du lauscht auf das Klicken - das Geräusch, wenn die Tür wieder ins Schloss fällt. Was du Kai Parker gleich sagen wirst, ist nicht für fremde Ohren bestimmt.
"Mhmmm", murrt der Patient zur Antwort, sieht dich jedoch nicht an. "'Gut' würde ich das hier nicht nennen. Derselbe sinnlose Morgen wie gestern und vorgestern und vorvorge-"

"Keine Zeit zum Trübsal blasen", flötest du dazwischen. "Wir haben fünfzehn Minuten. Steh' auf!"

"Fünfzehn Minuten wofür?", will Kai wissen, während er ein Bein über den Bettrand schwenkt und das andere lustlos nachzieht, um sich aufzurichten.
Der junge Mann steht auf, streicht sich die dunkle Jeans glatt und zieht sich einen grauen Hoodie über den Kopf. Die Haare des Häretikers sind verwuschelt. Als er sie mit seinen Fingern nach hinten streicht, um sie in Ordnung zu bringen, verfolgst du verträumt seine Handbewegung. Als Kai dich abwartend ansieht, findest du schließlich in die Realität zurück.

"Bis Doktor Collins seine Visite beginnt. Ich habe Bandagen, eine Schere und Pflaster in meinen Hosentaschen... Los, ich will dir mein Blut geben."

Diese Worte lassen Kai aufhorchen. "Du willst was?", fragt er ungläubig, während er auf dich zugeht.
Du greifst nach seiner Hand, die nun beinahe vollständig ergraut ist und hältst sie demonstrativ hoch. "Du hast gesagt, du stirbst ohne menschliches Blut", erklärst du geduldig. "Und ich habe keine Lust auf eine Leiche unter meiner Aufsicht. Trink mein Blut, Kai."

Mit den letzten Worten krempelst du einen Ärmel der weißen Bluse noch, die du während deiner Schicht tragen musst. Mutig hebst du das entblößte Handgelenk auf Höhe von Kais Lippen.

"Ich könnte dich umbringen, Miss Belrose. Außerdem ist es ziemlich eigenartig, dass du mir dein Blut und dein Leben anvertrauen willst, aber mir immer noch verschweigst, wie du heißt. Weißt du, eigentlich vertraut man jemandem zuerst seinen Namen an und dann-"

"Du redest ziemlich viel, Kai Parker", schmunzelst du und verdrehst deine Augen. "Sobald du dich gestärkt hast, verrate ich dir meinetwegen meinen Namen."

Kai verzieht das Gesicht. Es dauert ein paar Sekunden, bis sich seine Augen nahezu schwarz verfärben. Unter ihnen bilden sich lila schwarze Venen. Als der Häretiker die Lippen einen Spalt weit öffnet, bemerkst du seine Fangzähne.

Er führt deine Hand an seine Zähne, sie stoßen sanft durch die erste Hautschicht. Eure Blicke treffen sich.
Du nickst kaum merklich. Kai versenkt seine Zähne in deinem Handgelenk. Ein brennender Schmerz durchflutet deinen Arm. Dein Blut pulsiert.

Du kannst deine Augen nicht von Kai abwenden. Du weißt nicht, wer oder besser gesagt was er ist. Nur ein Mensch ist er sicher nicht. Dein Blut benetzt Kais Lippen.

Du keuchst auf, als Kai immer noch von dir trinkt. Plötzlich fühlst du ein Kribbeln durch deinen Körper wandern. Deine Sicht verschwimmt. Deshalb legst du deinen freien Arm um Kais Nacken als wäre es das Normalste der Welt. Du fühlst dich leicht, benebelt. Als würdest du fliegen. Ein leises Stöhnen entweicht deinen Lippen. Du lässt dich tiefer in Kais Körper sinken. Deine Lider flattern, dein Herz rast.

Schlagartig lässt er von dir ab. Du taumelst, hälst dich fester um seinen Hals. Ihr seid euch so nah, dass ihr die selbe Luft atmet.

Du sehnst dich zurück nach dem Gefühl, als Kai von dir getrunken hat. Es war merkwürdig... Merkwürdig und... Wie ein Rausch. Als hätte es dich high gemacht.
Das Gefühl ist dermaßen intim, dass du errötest. Du willst es zurück und gleichzeitig schämst du dich für die tausend Kolibriflügel, die in deinem Bauch geflattert sind und einen wahrhaften Sturm verursacht haben.

Dein Blick klärt sich mit jedem Atemzug.
Kai sieht wieder normal aus. Wie ein Mensch.
Hastig fingerst du nach den Utensilien in deinen Hosentaschen und beginnst, die Bandage zuzuschneiden.

"Danke", kommt es von Kai. Seine Stimme klingt belegt. Rauer als gewöhnlich und irgendwie... Verführerisch...

Er räuspert sich. Fährt sich mit der Hand über den Nacken. "Weißt du, was ungewöhnlich ist?" Kai wartet deine Antwort nicht ab. "Dein Blut... Es riecht nicht wie Blut. Na ja, nicht nur. Es riecht nach Eisen, ja. Aber auch nach Vanille, Himbeeren und ein wenig nach Lavendel. Vielleicht ist es der Entzug, der mich etwas wahrnehmen lässt, was nicht da ist... Aber..."

Kai stockt und während du deine Bisswunde verbindest, schenkst du ihm ein aufrichtiges Lächeln.

"Mein Name ist Y/N ... Und du kannst von mir trinken soviel du willst..."

***

Nächstes Kapitel kommt morgen ❤️

Hypnotic • Kai Parker FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt