[113]🙏°1 Monat später°

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POV. Hannah

Ich rieb die Seife viel länger als nötig zwischen meinen Fingern hin und her und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel.

Das Pflaster auf meiner Backe trug ich schon seit über zwei Wochen nicht mehr mit mir rum, doch dafür konnte man nun die Narben auf meiner linken Gesichtshälfte sehen. Um genau zu sein waren es zwei Narben.

Die erste Narbe fuhr knapp unter meinem Auge, direkt auf dem Wangenknochen entlang. Zum Glück konnte man sie nur bei näherer Betrachtung erkennen, denn der Schnitt war sehr schmal und außerdem weniger als zwei Zentimeter lang.

Die zweite Narbe hingegen war schon etwas problematischer, denn sie ging über meinen gesamten Kieferknochen und hörte erst kurz vor dem Kinn auf.

Meine Laune senkte sich bei dem Anblick drastisch und ich beschloss, aber dem morgigen Tag die Narbe so gut es ging mit Schminke abzudecken.
Vorsichtig fuhr ich mit den Fingerspitzen über die unebenen Stellen in meinem Gesicht und trauerte meinem makellosen Gesicht hinterher.

Ach was solls, ich wandte mich ab und entriegelte die Badezimmertüre. Es wurde wieder mal Zeit mich den beiden gesprächigen Frauen im Wohnzimmer zu setzen. Übrigens nicht mein eigenes Wohnzimmer, denn heute hatte ich ausnahmsweise meine Wohnung verlassen, um Jihos Großmutter und Yumi zu besuchen.

"Aber was wäre dir denn nun lieber? Ein Junge oder ein Mädchen?", wollte Yumis Großtante wissen und griff nach Yumis Händen.

Sie hatten gerade erst beschlossen, dass Yumi bei ihr einziehen würde und ihr mit dem Baby hilft, weshalb ihre Großtante ganz aus dem Häuschen war.

"Ich weiß nicht.", antwortete Yumi überfordert und schaute dann lächelnd zu mir, als sie meine Anwesenheit bemerkte.

"Wie ist es mit dir Hannah? Was hättest du lieber?" War ich die Schwangere hier oder sie?

Ich warf einen kurzen Blick auf ihren Bauch, der bereits leicht erahnen ließ, dass ein Baby darin heranwuchs und zuckte schließlich die Schultern.

"Ach kommt, wie kann euch das denn so egal sein." Jihos Oma war ganz fassungslos. "Also ich wollte ja immer einen Sohn haben.", schwelgte sie in Erinnerungen und Yumi lachte in sich hinein und stichelte: "Ja, aber am Ende hast du trotzdem ein Mädchen bekommen."

Ihre Großtante warf ihr gespielt böse Blicke zu und nun lachte auch ich ein klein wenig.

Ich war sehr schweigsam, lauschte ihrem Gespräch zwar, aber nur mit einem Ohr. Meine Gedanken fanden nämlich einfach keine Ruhe und die letzten Wochen über war ich sehr in mich gekehrt.

Ich griff nach der Teetasse auf dem Couchtisch und wärmte meine Hände daran.

In weniger als drei Wochen war bereits Neujahr und Chanyeol lag noch immer im Koma. Wenn er nicht bald aufwachte, konnte ich Neujahr entweder ohne ihn verbringen, oder im Krankenhaus herumlungern. Konnte er nicht einfach endlich aufwachen?

Die Ärzte wurden langsam auch unruhiger, denn eigentlich hätte er längst aufwachen sollen.

"Hannah?" Ich hörte meinen Namen zum ersten Mal, aber Yumis Stimme klang nicht so, als hätte sie bloß einmal nach mir gerufen.

"Äh, ja?"

"Hast du irgendwas von Jiho gehört? Er hat mir nur gesagt, dass er das Land verlässt.", berichtete Jihos Oma und ich schluckte nervös.

Es war ja klar, dass dieses Thema aufkommen würde.

"Habt ihr euch gestritten?", bohrte sie weiter nach und ich fühlte mich noch unwohler.

"Nein, ich weiß nicht wo er ist und ich hab auch keinen Kontakt mehr zu ihm.", stellte ich wahrheitsgemäß dar und bemerkte in dem Augenblick, wie surreal es sich doch anfühlte. Nie wieder Jiho sehen? Unmöglich.

Aber wow, ich war echt gut im Verdrängen. Mir war garnicht klar gewesen, dass er schon so lange weg ist.

"Der Junge könnte sich ruhig mal melden.", schimpfte die Großmutter und am liebsten hätte ich gesagt, dass das doch garnicht ging.

Aber natürlich wussten die beiden nichts von Jihos Verbrechen und dass er nun auf der Liste der gesuchten Staatsfeinde stand. Ich hatte aber auch nicht vor, es jemals zu erwähnen.

Wie um das Thema zu beenden, klingelte genau im richtigen Moment mein Handy. Kai.

"Ja?", meldete ich mich und rechnete damit, wieder zum Essen eingeladen zu werden und Kai verhaspelte sich regelrecht bei jedem zweiten Wort, so aufgeregt wie er war.

"Hannah, er ist wach! Chanyeol ist aufgewacht, das Krankenhaus hat gerade angerufen! Wir gehen jetzt zu ihm, soll ich dich abholen?"

Ich hatte mir in meinem Kopf bereits ausgemalt, wie glücklich ich sein würde, wenn Chanyeol aus dem Koma aufwachte, aber es war unvergleichbar mit all den Gefühlen, die jetzt auf mich einströmten. Und man sah es mir ganz genau an, denn zwei Augenpaare waren verwundert auf mich gerichtet.

"Nein, ich bin gerade nicht zuhause, ich geh alleine hin. Wir treffen uns dann dort.", machte ich mit ihm aus und wandte mich danach an die beiden Frauen. "Ich muss sofort los, mein Cousin ist aufgewacht!"

Von dem ganzen Adrenalin, Endorphin und wie die ganzen Sachen noch alle hießen, wurde mir ganz schwindelig vor Glück und ich rannte auf den Parkplatz und fuhr zum Krankenhaus.

Ich sprintete durch die Flure zu Chanyeols Zimmer und als ich ihn sah, konnte ich mich nicht mehr zusammenreißen und weinte. Ich brach einfach vor seinem Bett zusammen und weinte vor Glück, weil mir eine rießige Last von den Schultern fiel. Es war mir völlig egal, dass ganz Exo mich dabei sah.

"Hannah.", hörte ich ihn meinen Namen sagen, auch wenn es sehr ausgelaugt und geschwächt klang. "Weine nicht."

Ich lächelte und umgriff sein Gesicht mit beiden Händen. Das war kein Traum.

"Tu ich doch garnicht.", äußerte ich unnötigerweiße und wischte mir die Tränen weg.

"Was ist passiert? Was ist mit Yejun?", wollte er sofort wissen, obwohl er noch nicht ganz bei Kräften war.

Ich fing trotzdem an zu erzählen und manchmal verhaspelte ich mich und wurde von einem der Member korrigiert.

Nur bei einem Thema waren wir uns anscheinend alle einig, es ihm noch eine Weile zu verschweigen. Er musste sich zuerst erholen, da brauchte er nun wirklich nicht erfahren, dass sein bester Freund gestorben ist.

"Hannah? Hast du deinen Vater besucht?", fragte Chanyeol und ich schüttelte sofort den Kopf, so als wäre die Vorstellung völlig absurd.

Er lächelte verstehend, aber gleich darauf schockierte er mich mit seinen Worten.

"Lass ihn uns gemeinsam besuchen gehen."

Idol °beendet°Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt