Kapitel 6

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,, Wir waren eine kleine glückliche Familie bis..." Er stockte. ,,... bis ich an Krebs gestorben bin. Unsere Eltern taten ihr bestes damit ich wieder gesund werde, alles was möglich war. Das ich gestorben bin war ganz plötzlich.  Ich hatte Lungenkrebs, die Ärzte gaben mir noch mindestens ein halbes Jahr doch ich habe in einer dieser Nächte im Krankenhaus, in der man nicht weiß ob man durch kommt und überlebt oder nicht, keine Luft mehr bekommen und bin erstickt. Die Ärzte haben ihren Fehler vertuscht. Für unsere Eltern war es eine schwere Zeit, du hast nichts mit bekommen. Sie wollten dich unbedingt schützen. Aber gegen das Schicksal kann man nicht ankämpfen." Ihm fällt es sichtlich schwer die Geschichte zu erzählen.  Verständlich.

Ich bin mir nicht sicher ob ich das überhaupt hören will. Mein ganzes Leben ist eine einzige verdammte Lüge.  Alles was ich gedacht habe das wahr ist, ist nur erlogen. Ich spüre wie meine Welt langsam zerbricht. Zuerst nur ein Riss doch er wird immer größer. Bis nur ein Scherben Haufen da liegt.

,, Du warst ihr ein und alles nachdem ich gestorben bin. Bis das Schicksal noch einmal zugeschlagen hat."

Nochmal?

Mein Herz stockt kurz bei dem Wort. Es fühlt sich an als würde ich in ein tiefes Loch fallen. Nichts kann mich retten. Nichts kann mich auffangen. Als würde ich nicht wirklich hier stehe sondern von oben zu sehe.

,, Als unsere Eltern umziehen wollten um die schlechten Erinnerungen zu vergessen, hatten sie einen tödlichen Unfall.  Die einzige die überaschend überlebte warst du."

,, Man kann von seiner Vergangenheit nicht weglaufen, man kann nur lernen damit zu leben." Sage ich leise und traurig. Mein Kopf ist wie leer gefegt.

,, Genau." Sagte er aufrichtig.

,, Wieso kann ich dich sehen und unsere Eltern nicht?"

Er sah traurig zum Spiegel der rechts von mir stand und versuchte zu lächeln. ,, Weil man nur tote Kinder sehen kann, zumindest wenn die Kinder gesehen werden wollen, dann können sie sich zeigen. Außer man ist selber tot. Logische Erklärung gibt es keine..." Er lächelt wieder. "...unsere Eltern stehen neben dir, du kannst sie nur nicht sehen. Gleich rechts beim Spiegel."

Ich drehe mich zum Spiegel in der Hoffnung vielleicht doch etwas zu sehen  aber da ist nichts. Ich sehe nur mich. Mein Herz fühlt sich an wie Stein,  genauso kalt und schwer. Seit ich weiß das meine Eltern, die ich noch nie gesehen habe, immer bei mir waren vermisse ich sie unglaublich.

Ein Hauch von kälte durchzieht mich. Ich zittere ein bisschen.

,,Ist dir kalt?" Fragt Jack mich besorgt. Seine Augen sind voller trauer.

,,Ja. Woher weißt du das?"

Kann er jetzt auch noch die Gefühle anderer Leute spüren und nicht nur Gedanken lesen?

,,Unsere Mutter hat dich gerade umarmt. Sie sagt du bist so wunderschön geworden und sie ist froh das du jetzt weißt das du niemals alleine warst. Du hast schreckliches erlebt. Immer wenn du dich verletzt hast, hat sie dich in den Arm genommen, bei jeder Entäuschung. Nur du hast es nie bemerkt. Damals als du als kleines Kind in diesen Heim warst, konntest du die sehen. Du hast immer vor freude gelacht." Jack lächelt nun. Es war ein erliches lächeln. Er freut sich.

,, Wieso konnte ich sie damals sehen aber heute nicht mehr?"

Die Frage scheint nicht überraschend für ihn zu sein. Er erwartete es schon fast darauf.

,, Kleine Babys können Geister und Tote Menschen sehen weil sie noch nicht unterscheiden können oder wissen was real und unreal ist. Bis ins Kleinkind alter kann man das, danach nie wieder."

Das hingegen klingt logisch für mich. Sehr sogar. Komischerweise.  Ich versuchte mich an sie zu erinnern aber da war nichts als leere. Als würde ein Teil meines Lebens gelöscht worden sein. Nur Dunkelheit. Tränen laufen erneut über meine Wangen. Der Wunsch jetzt zu sterben um in die Arme meiner Eltern zu fallen wird stärker.

,, Wieso kann ich dich sehen?" Meine Augen sehen ihn nicht an, ich starre auf den Boden.

,,Du hast jemanden gebraucht, so dringend. Ich konnte nicht anders und mich zeigen. Ich wollte das du endlich erfährst das du nie alleine warst. Ich war immer bei dir. Mum und Dad auch. Zu jeder Uhr- und Jahreszeit. Es tat so weh dich so traurig zu sehen, wie du halbtot durchs Leben stolperst..." Tränen überfluten sein Gesicht.

Ich nehme ihn fest in den Arm. Er kennt mich schon sein ganzes Leben lang, ich ihn erst seit ein paar Wochen. "Ich kenne dich nicht gut. Nein. Ich kenne dich überhaupt nicht.  Aber ich habe dich so unglaublich lieb."

Ich kann meine Tränen nicht zurück halten. Auch spüre ich wieder einen kalten Luftzug. Ich weiß das unsere Eltern uns gerade in diesem Moment umarmen. Ein Moment für die Ewigkeit.

,, Wie geht es dir? Wie fühlst du dich?" Schluchzte Jack leise.

,,Ich weis es nicht. Ich fühle mich leer und ausgelaugt." Er löst sich aus meiner Umarmung.

,,Verständlich."...

Ein kleiner Hauch von SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt